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Alexander Bonde
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Frage von Jonas T. •

Frage an Alexander Bonde von Jonas T. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Bonde,

Mit Missfallen musste ich auf der Website des "Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung" lesen, dass Wolfgang Schäuble einen Gesetzesentwurf zur Beratung durch den Bundestag am 19.3. vorgelegt habe, der Internet-Anbietern die verdachtslose Aufzeichnung des Surfverhaltens im Internet zur Störungserkennung erlauben solle.

Ich habe den Entwurf daraufhin auch selbst angeschaut (der neue, geplante Absatz 9 im Telemediengesetz § 15) und habe auch meine Zweifel daran. Wie viele Webseiten, zum Beispiel die Suchmaschine cuil, zeigen, braucht man keine Nutzerlogs, um einen sicheren Betrieb zu gewährleisten. Außerdem schiebt der Gesetzesentwurf keine maximale Zeitspanne für die Speicherung der Daten vor. So scheint es mir, als könnten Anbieter mithilfe dieser schwammig formulierten Einfügung ihre Datenspeicherung vom Nutzungsverhalten der Besucher nahezu beliebig ausweiten.

Ich bitte Sie um eine Stellungnahme (unter anderem würde ich gerne wissen, warum es keine maximale Zeitspanne, wie etwa 5 Tage gibt, die zur Lösung oder zumindest zur Sichtung der meisten Probleme ausreichen sollte, sodass diese auch ohne längere Speicherung der Daten behoben werden können, und ob Sie denken, dass die Weitergabe an Dritte oder eine Nutzung nicht im Sinne der reinen Störungsfindung durch diesen Entwurf ausgeschlossen ist) und eine Einschätzung im Angesicht unserer immer mehr durch Überwachung eingeschränkten Bürgerrechte.

Mit freundlichen Grüßen,
Jonas Thiem

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Thiem,

vielen Dank für Ihre Anfrage vom 13. März. Der von Ihnen angesprochene Gesetzentwurf (Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Sicherheit in der Informationstechnik des Bundes; Bundestagsdrucksache 16/11967) wurde im Januar 2009 vom Kabinett beschlossen. Die parlamentarische Auseinandersetzung mit dem Gesetzesvorhaben steht noch aus.

Mit Ihrer Kritik am Gesetzentwurf laufen Sie bei mir offene Türen ein. Prinzipiell halte ich es für richtig, die Sicherheit von IT-Systemen zu verbessern - und hierzu dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) mehr Kompetenzen, Personal- und Finanzmittel zu gewähren. Absolut falsch aber ist es, Regelungen zu schaffen, die eine Totalüberwachung des Internetverhaltens der Bürgerinnen und Bürger ermöglichen. Hierzu gehört die von Ihnen angesprochene Änderung des Telemediengesetzes (TMG), wonach "Diensteanbieter Nutzungsdaten zum Erkennen, Eingrenzen oder Beseitigen von Störungen seiner für Zwecke seines Dienstes genutzten technischen Einrichtungen erheben und verwenden" dürfen (§15 Abs. 9 TMG neu). Dies würde in der Tat bedeuten, dass Internet-Diensteanbieter die Kommunikation ihrer Kundinnen und Kunden unter dem Deckmantel der Störungsbeseitigung vollständig überwachen können.

Das Vorhaben der Bundesregierung steht damit in eklatantem Widerspruch zum bestehenden Verbot der Protokollierung personenbezogener Daten über den Nutzungsvorgang hinaus (§13 Abs. 4 S. 2 TMG). Richtig ist, dass Anbietern effektive Möglichkeiten zur Beseitigung von Störungen an die Hand gegeben werden müssen. Dies ist aber schon durch das geltende TMG gedeckt. Daneben sind die Anbieter angehalten, Hard- und Software einzusetzen, die ohne die Nutzung personenbezogener Daten Angriffe abwehren kann. Das fordern zu Recht auch die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder.
Zudem fehlen bei den geplanten Vorhaben elementare Mindestvoraussetzungen wie eine richterliche Anordnung (sogenannter Richtervorbehalt) oder die Beschränkung der Datenprotokollierung auf ausgewählte Fälle wie z. B. schwere Straftaten. Es steht außerdem zu befürchten, dass die angesammelten Daten auch für andere Interessen wie z. B. die Verfolgung von Urheberrechtsdelikten herangezogen werden können. Die von Ihnen erwähnte fehlende zeitliche Beschränkung der Datenspeicherung gehört hier auch dazu, allerdings würde selbst eine solche Regelung aus meiner Sicht dem Anliegen des Datenschutzes und der Bürgerrechte nicht genügen.

Sie können sicher sein, dass sich meine Fraktion Bündnis90/ Die Grünen und ich mich im parlamentarischen Beratungsverfahren äußerst kritisch zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung äußern werden. Die Beschneidung von Bürgerrechten und die weitere Aushöhlung des Fernmeldegeheimnisses wird es mit uns nicht geben. Einer Pauschalvollmacht zur Internetüberwachung durch die Diensteanbieter werden wir nicht zustimmen. Wir lehnen es entschieden ab, die gesamte Bevölkerung unter einen Generalverdacht zu stellen.
Im Übrigen hat die bündnisgrüne Bundestagsfraktion auch geschlossen gegen das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung gestimmt, die seit 1.1.2009 in Kraft ist. Unserer Ansicht nach ist die Vorratsdatenspeicherung ein klarer Eingriff in das Grundrecht auf vertrauliche Kommunikation. Wir bezweifeln die Rechtmäßigkeit des Gesetzes und nehmen das Bundesverfassungsgericht beim Wort, das betont, dass die Sammlung von personenbezogenen Daten auf Vorrat zu unbestimmten oder noch nicht bestimmbaren Zwecken mit dem Grundgesetz nicht vereinbar sei. Gemeinsam mit 30.000 Bürgerinnen und Bürgern klagt die grüne Bundestagsfraktion in Karlsruhe gegen dieses Gesetz. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat am 10. Februar 2009 die Klage Irlands gegen die Vorratsdatenspeicherung abgewiesen. Das hat uns zutiefst enttäuscht. Allerdings hat der EuGH lediglich die Frage der Rechtsgrundlage behandelt. Er hat klargestellt, dass sein Urteil keinerlei Aussage darüber trifft, ob die Vorratsdatenspeicherung eine Verletzung von Grundrechten darstellt. Eine solche Bewertung steht noch aus. Ich halte die Vorratsdatenspeicherung nach wie vor für unnötig und bürgerrechtsfeindlich.

Mit freundlichen Grüßen

Alexander Bonde