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Agnieszka Brugger
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Thomas N. •

Frage an Agnieszka Brugger von Thomas N. bezüglich Finanzen

Hallo,

Was halten Sie von meinen Spar-Vorschlägen?

Greenpeace erklärt 12Mrd€/J Kohlesubventionen. Weshalb können wir nicht dort ein paar Mrd einsparen? http://www.greenpeace.de/themen/energie/nachrichten/artikel/kohle_wird_staerker_subventioniert_als_bekannt-1/

Vielleicht sprechen Sie nochmal mit Hr Westerwelle. Hatte der nicht zum Wahlkampf ein "Sparbuch" mit 200 Vorschlägen? Jetzt wäre die Zeit diese Vorschläge umzusetzen, oder warum nicht?

Der Haushalt des auswärtigen Amtes hat sich in den letzten 2 Jahren um 10% unter F 421 01-011 bis F 422 02-011 zugenommen obwohl die MA abnahmen. Wie lässt sich das erklären?

Müssen denn die irren Umbauten im Regierungsviertel und dann noch ohne Nutzungsplan sein?

Die Banken sollten mehr als nur 1/3 der Sparmassnahmen aufbringen, wäre das nicht gerecht?

Einfacheres Steuergesetz. War da nicht so ein Prof aus Heidelberg vor ein paar Jahren mit einer guten Idee. ALLE zahlen steuern... Warum wird das nicht weiterverfolgt und nur immer ein Spitzensatz gefordert, den sowieso keiner zahlt.

Auf YouTube "Rentenangst Der Kampf um die Altersversorgung" zum Thema ´private Rentenvorsorge - Lüge der Versicherer´ angeschaut? Warum nicht wieder zurück zum Generationenvertrag und wirklich ALLE zahlen ein?

Viele Hartz4 Empfänger stehen doch jetzt schon mit dem Rücken zur Wand. Sollte man das ALG nicht anpassen? Braucht jeder soviel ALG wie er bekommt? Ich würde ALG nach Bedarf auszahlen. Warum geht das nicht?

Krankenkassensystem umkrempeln. Weg mit dem Gesundheitstopf oder Kopfpauschale wieder hin zur Solidargemeinschaft. Wurde nicht mit der privatisierung alles teurer?

Wenn Sie jemand brauchen
- der mit seinem Verstand
- und gesundem sozialem Einfühlungsvermögen
- ohne träumerischen Illusionen auf Gerechtigkeit für alle
- und ohne sich von Lobbiisten einschüchtern zu lassen, nachdenkt und Lösungen findet, können Sie mich gerne als Berater bei Fr. Merkel und Co. vorschlagen.

Oder wo kann ich mich als Politiker-Berater bewerben?

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Neuburger,

vielen Dank für Ihre anregenden Fragen und Gedankenanstöße.

Gleich vorneweg muss ich Sie jedoch um Verständnis dafür bitten, dass ich angesichts der Vielfalt der von Ihnen angesprochenen Themenbereiche jeweils nur eine recht kurze Stellungnahme dazu abgeben kann. - Ich denke aber, dass dies auch eher in Ihrem Sinne ist, als seitenlange Auslassungen zu all diesen Themen.

1) Kohlesubventionen
Kohle ist der Klimakiller Nr. 1. Es ist deshalb nicht nur aus haushälterischen Gründen, sondern auch im Hinblick auf den Klimaschutz richtig, die Kohlesubventionen zu beenden. Erneuerbare Energien, Effizienz und Energieeinsparung sind für uns der entscheidende Hebel, die Klimaschutzziele zu erreichen und die Energieversorgung ökologisch zu modernisieren.
Längst ist dabei klar, dass sich eine ambitionierte Klima- und Umweltpolitik lohnt: 1,8 Millionen Beschäftigte zählt die Umweltwirtschaft inzwischen. Mehr als 250.000 Menschen arbeiten allein im Bereich der Erneuerbaren Energien, mehr als in der Kohlewirtschaft.

2) „Liberales Sparbuch“
Wohin das „Liberale Sparbuch“ verschwunden ist, kann ich Ihnen leider auch nicht sagen. Ich bezweifle zwar, dass alle darin vorgeschlagenen Sparmaßnahmen meine Zustimmung gefunden hätten, aber angesichts der katastrophalen Haushaltspolitik der schwarz-gelben Bundesregierung hätten einige davon sicher hilfreich sein können. Offenbar war es aber leichter, sich 80,2 Milliarden Euro neue Schulden für den Haushalt 2010 zu bewilligen. Damit hat man einen ungedeckten Scheck auf die Zukunft in Rekordhöhe ausgestellt – und das ohne in Zukunftsbereiche wie Klimaschutz, Bildung und soziale Gerechtigkeit zu investieren.

3) Etat des Auswärtigen Amtes
Die Zahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Auswärtigen Amt hat meines Wissens nach nicht abgenommen. Im Jahr 2008 waren laut Bundeshaushalt 2009 6.839,4 Planstellen und Stellen im AA vorgesehen. Für das Jahr 2010 sind im Bundeshaushalt 2010 7.075,6 Stellen eingeplant. Außerdem gab es in der Zwischenzeit eine Erhöhung der Gehälter bei den Angestellten des Bundes. Nach Planung der Bundesregierung wird diese Erhöhung wohl auch auf die Beamtinnen und Beamten übertragen. Hieraus resultieren ebenfalls Steigerungen beim Personaltitel. Darüber hinaus gibt es zahlreiche weitere Gründe für die Steigerungen im Personalhaushalt, u.a. sind die Kosten für die Vergütung der Sicherheitskräfte (Objektschutzbeamte, Personenschutzbeamte, Sicherheitsberater der Bundespolizei und des BKA an Auslandsvertretungen, usw.) in den letzten Jahren auf Grund der veränderten Sicherheitslage deutlich gestiegen.

4) Regierungsviertel
Der Um- und Neubau des Regierungsviertels in der Bundeshauptstadt ist durch den Umzug des Deutschen Bundestages von Bonn nach Berlin nötig geworden. Ich glaube, dass es nicht hilfreich wäre, diese Entscheidung jetzt wieder in Frage zu stellen. Im Detail kann man die verschiedenen laufenden Baumaßnahmen aber sicher kritisch beleuchten – z.B. das Verhältnis von Kosten und Nutzen des ausgedehnten unterirdischen Tunnelsystems. Insgesamt glaube ich aber, dass diese ihre Berechtigung haben und auch notwendig sind, um die Arbeitsfähigkeit des Parlamentsbetriebes zu gewährleisten. Dringend nötig wäre es meiner Meinung nach jedoch, die bei verschiedenen Bundesministerien immer noch bestehenden Doppelstrukturen Bonn/Berlin endlich zusammen zu führen. Ein einheitlicher Regierungssitz in Berlin hat nicht nur politische Symbolkraft, sondern bedeutet auch Effizienzgewinn und damit Kosteneinsparung.

5) Banken
In der Krise müssen jene, die mehr schultern können, auch mehr tragen - allemal dann, wenn sie in der Vergangenheit von fehlender Regulierung besonders profitiert haben. Wie Sie zurecht anmerken, reicht die von der Bundesregierung geplante Bankenabgabe bei weitem nicht aus. Es geht hier um Symbolpolitik, die die herben Einschnitte im Sozialbereich kaschieren soll: Die Koalition tut nur so, als würde sie die Banken stark belasten. In Wirklichkeit schont sie die Banken und holt sich das Geld bei Arbeitslosen und bei den Familien. Völlig unverantwortlich ist, dass die schwarz-gelbe Koalition ihre mickrige Bankenabgabe gegen die Finanzumsatzsteuer ausspielt. Mit der Finanzumsatzsteuer lassen sich wichtige öffentliche Aufgaben auf europäischer und internationaler Ebene finanzieren. Schon bei einem minimalen Steuersatz von 0,01 Prozent könnten europaweit 65 Milliarden Euro jährlich eingenommen und die Finanzmärkte stabilisiert werden. Außerdem würden Spekulationen gemindert. Das leistet die Bankenabgabe der Koalition nicht. Deshalb ist beides nötig: Ein wirklicher Bankenrettungsfonds, den die Branche angemessen bezahlt, und eine Finanzumsatzsteuer.

6) Steuern
Ich glaube, dass wir sehr froh sein können, dass das sozial unausgewogene Steuermodell von Paul Kirchhoff nicht verwirklicht werden konnte. Es ist allerdings richtig, dass wir das Steuersystem vereinfachen sollten. Wir GRÜNE wollen dabei zusätzliche Einnahmequellen erschließen und durch das Streichen unsinniger Staatsausgaben und konsequenten Subventionsabbau Ausgaben reduzieren. Auf der Einnahmenseite halte ich einen höheren Spitzensteuersatz für dringend geboten. Das ist jedoch nicht die einzige Maßnahme, die wir ergreifen sollten: Es geht mir beispielsweise auch um eine höhere Erbschaftssteuer und eine Vermögensabgabe, um die starken Schultern der Gesellschaft angemessen an den Krisenlasten zu beteiligen. Ich stimme Ihnen zu, dass es nicht sein kann, dass sich einige Menschen aus der Solidargemeinschaft verabschieden und keinen angemessenen Beitrag zur Finanzierung unseres Gemeinwesens leisten. Dazu müssen wir Steuerschlupflöcher schließen und endlich auch die Steueroasen trocken legen.

7) Rente
Die gesetzliche Altersversicherung mit ihrer Umlagefinanzierung ist das Kernstück der Sicherung im Alter und muss es auch bleiben. Wir wollen die gesetzliche Rentenversicherung aber weiterentwickeln, weil sie manche Personengruppen bereits heute nur unzureichend vor Armut schützt und gerade in Zukunft für immer weniger Menschen eine Rente oberhalb des Grundsicherungsniveaus gewährleistet. GRÜNE Rentenpolitik setzt sich für eine Rentenversicherung ein, in der alle die gleichen Rechte und Pflichten haben. Schrittweise wollen wir die Pflichtmitgliedschaft in der Rentenversicherung deshalb auf alle Bürgerinnen und Bürger ausweiten. Wenn ich es richtig verstehe, entspricht dies also genau ihrem Anliegen. In einem weiteren Schritt wollen wir eine "Garantierente" einführen, für jene Bürgerinnen und Bürger, die wegen niedriger Verdienste oder Unterbrechungen ihres Erwerbslebens keine ausreichenden Leistungen der Gesetzlichen Rentenversicherung beziehen können. Denn sie müssen sich darauf verlassen können, dass sie als langjährig Versicherte der gesetzlichen Rentenversicherung auch als Geringverdienende, Teilzeiterwerbstätige oder mit unterbrochenen Erwerbsbiographien im Alter nicht auf Leistungen der Grundsicherung angewiesen sein werden.

8) Arbeitslosengeld
Ich gebe Ihnen Recht: Die EmpfängerInnen von Arbeitslosengeld stehen bereits heute mit dem Rücken zur Wand. Wir GRÜNE wollen deshalb eine armutsfeste Existenzsicherung und eine Politik des Förderns, der Motivation und der Anerkennung, die ohne Sanktionen auskommt. Die Regelsätze des Arbeitslosengeldes II müssen auf mindestens 420 Euro angehoben und in regelmäßigen Abständen an die Preisentwicklung angepasst werden.? Kinder und Jugendliche brauchen eigenständige Regelsätze, die ihren altersgerechten und entwicklungsbedingten Bedarf berücksichtigen.

Ihren Vorschlag für eine ausschließlich bedarfsbezogene Auszahlung des Arbeitslosengeldes halte ich allerdings aus verschiedenen Gründen für problematisch: Überall wo Leistungen bedarfsbezogen ausgezahlt werden, sind Bedarfsprüfungen unumgänglich. Wohin dies führen kann, haben wir bei den Hartz IV-Regelungen sehen müssen: Fragwürdige Bedarfsprüfungen, überzogene Kontrollen und bevormundende Sanktionen. Gleichzeitig verschlingt der bürokratische Aufwand in diesem Fall viele Ressourcen, die beispielsweise in der aktiven Arbeitsmarktpolitik viel besser eingesetzt wären. Nicht zuletzt deshalb bin ich persönlich eine Befürworterin des Bedingungslosen Grundeinkommens.

9) Finanzierung des Gesundheitssystems
Wir GRÜNE setzen uns für eine solidarische Bürgerversicherung in der Krankenversicherung ein. Alle BürgerInnen – auch BeamtInnen, Abgeordnete und Selbstständige – sollen Mitglieder dieser neuen Versicherung werden: Die bisher privat Versicherten werden ebenfalls in die Bürgerversicherung aufgenommen. Alle Einkunftsarten – auch Vermögenseinkommen, Gewinne und Mieteinkünfte – werden in die Finanzierung der Krankenversicherung einbezogen. Die Bürgerversicherung sorgt damit nicht nur für mehr soziale Gerechtigkeit, sondern beseitigt auch bestehende Strukturdefizite und Gerechtigkeitslücken in der Krankenversicherung, indem sie die Finanzierungsbasis der solidarischen Gesundheitsversorgung nachhaltiger macht.

Ihre abschließende Frage, wie sich bei Bundeskanzlerin Merkel als politischer Berater bewerben könnten, kann ich Ihnen leider nicht beantworten. - Was ich jedoch sicher weiß, ist, dass meiner Partei ideenreiche Menschen immer sehr willkommen sind – egal ob als Mitglied oder als aufmerksamer Begleiter unserer politischen Arbeit.

In diesem Sinne verbleibe ich mit freundlichen Grüßen

Agnieszka Malczak

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