hoffentlich hatten Sie schöne und erholsame Festtage!
In Teil II des Rückblicks auf unsere Recherchen dieses Jahres geht es um einen Verkehrsminister, der Lobbyakteure vor Transparenz bewahren will. Um einen engen Draht zwischen Pharmaindustrie und Politik. Und um einen herben Rückschlag aus Karlsruhe.
Dieses Jahr geht und ein neues steht bereits vor der Tür. Möge es ein gutes werden. Kommen Sie gut ins Jahr 2023!
Ihr Gregor Hackmack, Boris Hekele und das Team von abgeordnetenwatch.de
Wissing-Ministerium will Lobbyisten vor Transparenz bewahren

© | picture alliance/dpa | Kay Nietfeld |
Welche Gespräche führte der Autobauer Porsche mit dem Bundesverkehrsministerium? Das Haus von Volker Wissing (FDP) will Kalendereinträge und andere Dokumente vor der Öffentlichkeit geheim halten – mit einer eigentümlichen Begründung: Bei Bekanntwerden der Kontakte könnten Lobbyakteure in Zukunft abgeschreckt werden. Aus diesem Grund hat das Ministerium einen Auskunftsantrag von abgeordnetenwatch.de abgelehnt. Ans Licht kamen die vertraulichen Porsche-Termine aber trotzdem.
Verkehrsministerium will Lobbyisten vor Transparenz bewahren
Recherche: Die diskreten Lobbykontakte von Sigmar Gabriel und Co.

© | picture alliance/EPA-EFE | FELIPE TRUEBA |
Für Stahlkonzerne, Versicherungsvertriebe und Lobbyagenturen sind Ex-Abgeordnete in den vergangenen Monaten bei früheren Kolleg:innen in der Regierung und im Bundestag vorstellig geworden. In einer monatelangen Recherche haben abgeordnetenwatch.de, ZEIT und ZDF Magazin Royale die Seitenwechsel von fast drei Dutzend ehemaligen Abgeordneten nachgezeichnet. Mit dabei: Vizekanzler a.D. Sigmar Gabriel (SPD) und der ehemalige CDU-Generalsekretär Peter Tauber. Beide arbeiten inzwischen für große Konzerne und nutzten ihre Kontakte ins Kanzleramt bzw. ins Wirtschaftsministerium.
Die Recherche zeigt außerdem, dass im neuen Lobbyregister eklatante Transparenzlücken existieren. Mehr:
Die diskreten Lobbykontakte von Sigmar Gabriel und Co.
So berichtete das ZDF Magazin Royale mit Jan Böhmermann: Sendung in der Mediathek
Karlsruhe weist Verfassungsbeschwerde von abgeordnetenwatch.de ab

© | picture alliance/dpa | Sebastian Gollnow |
Die Öffentlichkeit erhält keinen Einblick mehr in Unterlagen der Bundestagsverwaltung zu Parteifinanzen. Das Bundesverfassungsgericht hat kürzlich eine Verfassungsbeschwerde von abgeordnetenwatch.de abgewiesen. Mit der Beschwerde wollten wir ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig überprüfen lassen. Dieses hatte 2020 unsere Auskunftsklage gegen den Bundestag abgewiesen. Die Richter urteilten damals – vereinfacht gesagt –, dass in Sachen Parteienfinanzierung bereits ausreichend Transparenz herrsche.
Dass eine Verfassungsbeschwerde abgewiesen wird, ist nicht ungewöhnlich. Bemerkenswert ist dagegen, wer an der jetzigen Entscheidung aus Karlsruhe beteiligt war: Stephan Harbarth. Der heutige Verfassungsgerichtspräsident saß von 2009 bis 2018 für die CDU im Bundestag.
Karlsruhe weist Verfassungsbeschwerde von abgeordnetenwatch.de ab
Wer kontrolliert die Kontrolleure?
Im Juni 2020 veröffentlichte der Tagesspiegel einen Text, der die sarkastische Überschrift trug: "Parteifinanzen und Transparenz: Ein Wolfgang Schäuble braucht keinen Kontrolleur".
In dem Kommentar ging es um eine Auskunftsklage von abgeordnetenwatch.de gegen den Bundestag und dessen damaligen Präsidenten Wolfgang Schäuble (CDU). Mit der Klage wollten wir Zugang zu internen Dokumenten über Spenden und die Rechenschaftsberichte der Parteien erhalten. Doch das Bundesverwaltungsgericht wies unsere Klage ab, nachdem uns zwei andere Gerichte zuvor Recht gegeben hatten.
Die Konsequenzen aus dem Urteil brachte der Tagesspiegel mit einer rhetorischen Frage auf den Punkt: Wenn Schäuble und seine Verwaltung die Parteifinanzen kontrollieren – "wer kontrolliert dann die Kontrolleure?"
Die Antwort darauf lautet: Niemand. Denn das Leipziger Gericht hatte die Kontrolle durch die Öffentlichkeit ausgehebelt.
Gegen das weitreichende Urteil sind wir 2020 nach Karlsruhe gezogen, um es vom Bundesverfassungsgericht überprüfen zu lassen. Doch die obersten Verfassungsrichter:innen haben kürzlich entschieden, dass sie sich mit unserer Beschwerde nicht befassen werden.
Die Entscheidung aus Karlsruhe hat uns zutiefst enttäuscht. In einer Demokratie darf es nicht sein, dass Parteien, Verwaltung und Lobbyakteure viel zu oft im Dunkeln agieren können. Wir werden durch Recherchen weiter Missstände an die Öffentlichkeit bringen. Unterstützen Sie uns dabei – für Transparenz in der Politik, gegen Lobbyismus im Verborgenen!
Wie die Pharmalobby die Bundesregierung auf Linie brachte

© | picture alliance: ZUMAPRESS.com, Dinendra Haria | imageBROKER, Ingo Schulz |
Einer der ersten Amtshandlungen von Wirtschaftsminister Robert Habeck war ein Telefonat. Am Tag seiner Vereidigung im Dezember 2021 tauschte sich der Minister mit “zwei Führungskräften der obersten Leitungsebene” des Impfstoffherstellers Biontech aus. Es ist nur eine Randnotiz, doch sie belegt den engen Draht zwischen Pharmaindustrie und Politik. Recherchen von abgeordnetenwatch.de zeigen, dass die Lobby bereits in den Monaten zuvor höchst aktiv gewesen war: Mit großer Vehemenz bearbeiteten Biontech und Co. die damalige Bundesregierung beim Thema Freigabe von Impf-Patenten – mit Erfolg.
Spahn-Vertrauter arbeitet für Lobbyagentur – mit Großkunden aus der Gesundheitswirtschaft

© | picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Kira Hofmann |
Ein politischer Vertrauter, Berater und Spin-Doctor des ehemaligen Gesundheitsministers Jens Spahn arbeitet seit April dieses Jahres als "Special Advisor" für die Berliner Lobbyagentur Miller & Meier. Zu deren Kunden gehören nach Recherchen von abgeordnetenwatch.de mehrere Pharmakonzerne wie Lilly Deutschland GmbH und Merck Sharp & Dohme (MSD). Auch mit einer eigenen Beratungsfirma ist der frühere Büroleiter und Mitarbeiter im Gesundheitsministerium inzwischen aktiv. Schwerpunkt des Unternehmens: Finanzen, Sicherheit – und Gesundheit.
Mehr:
Spahn-Vertrauter arbeitet für Lobbyagentur – mit Großkunden aus der Gesundheitswirtschaft
Lobbyisten mit Abgeordnetenmandat

© | picture alliance / Flashpic | Jens Krick |
Im Bundestag geschehen manchmal merkwürdige Dinge. Ein Abgeordneter bekommt ein Lobbyschreiben von einem Verband, dessen Präsident er selbst ist. Ein anderer Politiker ist zuständig für den Haushaltsplan, der seinem Verein die staatlichen Zuschüsse verdoppelt. Wieder ein anderer setzt sich bei der EU im Namen seines Verbandes für ein Gesetz ein.
Eine gemeinsame Recherche von abgeordnetenwatch.de und ZEIT gibt Einblick in die Aktivitäten von Abgeordneten, die gleichzeitig für Lobbyorganisationen tätig sind. Mindestens 28 lassen sich im neu geschaffenen Lobbyregister finden – nicht selten kommen sich der Lobbyjob und das Abgeordnetenmandat in die Quere.
Den Artikel der ZEIT gibt es hier (€)
Das war es von uns für 2022. Wir würden uns freuen, wenn Sie unsere Arbeit auch im kommenden Jahr verfolgen und unterstützen.
Kommen Sie gut ins neue Jahr!