„Du hast die Macht“ - Jugendliche fragen Politiker

„Warum darf die NPD Wahlplakate aufhängen?“, „Warum liefern wir Panzer nach Saudi-Arabien?“, „Wie können Sie garantieren, dass Sie die Wähler noch richtig vertreten, wenn Sie am Ende der Abstimmung doch nur das sagen, was die Parteispitze Ihnen vorgegeben hat?“

von Martin Reyher, 15.09.2011

von Samuel Decker

So klingt es, wenn junge oder zukünftige Wähler ihren Politikern Fragen stellen. Die Medieninitiative „Du hast die Macht“ hat es sich zum Auftrag gemacht, Jugendliche stärker in die Politik einzubinden und auch diejenigen zu erreichen, die sich sonst nicht für Politik interessieren. Doch anstatt anonymer Wahl stehen unmittelbare Befragungen per Videobotschaft auf dem Programm – und die Volksvertreter sollen antworten. Die Möglichkeit, selber Fragen zu stellen zu Themen, die sie interessieren, ist für viele Jugendliche eine neue Erfahrung. Die heutige Medienlandschaft gibt Jugendlichen nur wenig Möglichkeiten, sich mit politischen Themen auseinanderzusetzen. Hier sind sie nur als Konsumenten interessant, oder als Wähler, nicht jedoch als politisch engagierter Bürger. Als Folge fühlen sich viele von ihren Repräsentanten und der etablierten Parteienlandschaft nicht mehr angesprochen und wenden sich ab vom abgehoben politischen Tagesgeschehen. Schon die immense Überalterung der sogenannten „Volksparteien“ macht deutlich: Der repräsentativen Demokratie läuft der Nachwuchs davon.

Hier kommen die neuen sozialen Medien und Internetprojekte wie „Du hast die Macht“ oder abgeordnetenwatch.de ins Spiel. Mit ihrer Hilfe können neue Kommunikationskanäle zwischen dem Volk und seinen Politikern gelegt werden, die auf direkten Kontakt, unmittelbare Partizipation und sachorientierte Diskussion setzen. Und tatsächlich: Viele Berliner Volksvertreter und solche, die es werden wollen, nehmen die ausgestreckte Hand entgegen und stellen sich den Fragen.

Auf die eingangs erwähnte Frage des 14-jährigen Bruno aus Kreuzberg nach NPD-Wahlplakaten etwa antwortet Gumbert Salonek von der FDP: „In der Demokratie darf auch der Dümmste seine Meinung sagen, und die Dummheit kann man leider auch nicht einfach verbieten: sonst bräuchte es auch keine Schulen.“  So viel Klarheit ist im Politikersprech selten. Lisa Paus von den GRÜNEN gibt sich in einer langen Antwort viel Mühe, einen authentischen Einblick in den Verhandlungsalltag ihrer Fraktion zu geben.

Doch viele Politiker verstecken sich noch immer hinter langwierigen Formulierungen und zweideutigen Antwortversuchen. Monika Grütters (CDU) etwa befürwortet zwar die etwaige Panzerlieferung nach Saudi-Arabien nicht ausdrücklich, verweist jedoch auf Deutschlands Vermittlerrolle im Nah-Ost-Konflikt. Einer ihrer Parteikollegen antwortet schlicht, dass die Entscheidung einzig beim Bundessicherheitsrat liege und dieser durch Geheimhaltung geschützt sei. Ob sich der 23-Jährige Fragesteller durch diese Antwort ermutigt sieht, sich aktiv für politische Gestaltung und demokratische Mitbestimmung einzusetzen, darf bezweifelt werden. Ein anderer Politiker antwortet auf die oben stehende Frage nach der Rechenschaftspflicht der ins Parlament gewählten Volksvertreter mit dem Grundgesetz: Deutschland sei nun mal eine repräsentative Demokratie.

An dieser Stelle wird deutlich, dass solch innovativen Projekte wie „Du hast die Macht“, die mit neuartigem Medieneinsatz demokratisches Bewusstsein zu fördern und bei Jugendlichen die Bereitschaft zum Engagement zu stärken versuchen, schnell an ihre Grenzen geraten können. Doch das ist nicht in erster Linie eine Frage des politischen Systems, sondern der Politiker und Bürger, die es bevölkern. Volksvertreter zu wählen und unmittelbar mit ihnen zu kommunizieren schließt sich nicht aus, sondern ergänzt sich gegenseitig. Repräsentative und partizipative Demokratie sehen in einem funktionalen Zusammenhang. Die Jugendlichen, die sich in Videobotschaften an die Politiker gewendet haben, haben das begriffen. Doch ist die Botschaft schon bei allen Politikern angekommen?

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