Wie die Gaslobby arbeitet

Energielobbyisten gehen bei Bundesregierung ein und aus, das bringen parlamentarische Anfragen immer wieder ans Licht. Doch wie gehen die Interessenvertreter bei ihrer Lobbyarbeit vor? abgeordnetenwatch.de hat bei führenden Gasunternehmen  und –verbände nachgefragt.

von Redaktion abgeordnetenwatch.de, 08.02.2018
Foto Pipeline

Mindestens 62 Mal traf sich die Gaslobby in den vergangenen drei Jahren mit Vertreterinnen und Vertretern der Bundesregierung, möglicherweise aber noch um einiges häufiger. Es könne auch nicht ausgeschlossen werden, so die Bundesregierung in einer Antwort auf eine kleine Anfrage der Linken, dass es am Rande von Veranstaltungen oder sonstigen Terminen zu persönlichen Kontakten gekommen sei. 

Ob Abendessen, Hintergrundgespräche oder Bürotermine – das Ziel von Lobbyisten ist stets dasselbe: Die politischen Entscheider für eigene Anliegen zu gewinnen. Im Fall der Gaslobby geht es im Zuge der Energiewende vor allem darum, Erdgas möglichst lange als so genannte Brückenenergie zu sichern.

Aber wie genau pflegen die Unternehmen ihre Kontakte zur Politik und was lassen sie sich ihre Lobbyarbeit kosten? abgeordnetenwatch.de hat bei 36 führenden Gasunternehmen und –verbänden nachgefragt. 12 haben auf unsere Anfragen reagiert. Deren Antworten zeigen: Alle pflegen enge Kontakte zu politischen Entscheidungsträgern, doch die notwendige Transparenz bleibt dabei auf der Strecke (Liste aller kontaktieren Unternehmen und Verbände am Ende des Artikels).

„Dazu machen wir keine Angaben.“

Wie viel sich die Gasunternehmen und – verbände ihre Lobbyarbeit kosten lassen, ist vollkommen unklar und bleibt auch nach der abgeordnetenwatch.de-Umfrage im Dunkeln. „Dazu machen wir keine Angaben“, sagte beispielsweise ein Sprecher von E.ON. Konkurrent RWE verwies in seiner Antwort auf die Angaben im  EU-Transparenzregister. Dort sind allerdings nur die Lobbyausgaben auf EU-Ebene verzeichnet, konkrete Zahlen für Deutschland fehlen.

Eigene Lobbyabteilung mit guten Kontakten in die Politik

Die meisten Gasunternehmen und -verbände gaben an, eine eigene Lobbyabteilung zu haben ("governmental affairs" oder "political affairs"). Sieben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter seien dort beschäftigt, erklärte beispielsweise eine Sprecherin vom Bund deutscher Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW). Kein anderer befragter Gaslobbyist gab eine höhere Zahl an.

Hilfreich für einen guten Draht zur Politik sind sogenannte Seitenwechsler. So arbeitete die Lobbyistin für das internationale Pipeline-Joint Venture Nord Stream 2, Marion Scheller, jahrelang auf der anderen Seite: Als Referatsleiterin war Scheller im Wirtschaftsministerium lange Zeit für Energiepolitik zuständig. Seit 2016 ist sie als „Senior Advisor for Governmental Relations“ für Nord Stream zuständig für die politische Kontaktpflege.

Eigene Regeln – nicht transparent

Für den Kontakt zwischen Lobbyisten und Politikern gibt es kaum gesetzliche Regelungen. Viele Gasunternehmen und -verbände haben sich aber eigene Compliance-Regelungen für den Umgang mit Geschäftspartnern und „staatlichen Stellen“ gegeben. So sollen Bestechung und Korruption verhindert werden. Das Problem: Unternehmen und Verbände sind nicht verpflichtet, solche Regeln aufzustellen, es wird auch nicht kontrolliert, ob sie eingehalten werden. Hinzu kommt, dass zum Teil gar nicht klar wird, welche Regeln sich die Lobbyisten selbst auferlegen. „Die Details mitzuteilen, widerspricht unseren Compliance-Regelungen“, so ein EWE-Sprecher gegenüber abgeordnetenwatch.de.

Ex-Staatssekretär an der Spitze des mächtigsten Lobbyverbandes

Um die eigenen Interessen noch besser durchsetzen zu können, organisieren sich Unternehmen in Fach- und Interessenverbänden. Energieriese Vattenfall beispielsweise ist Mitglied in knapp 20 Verbänden. Der für die Gasbranche wichtigste Verband ist der Bund deutscher Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW). An dessen Spitze steht ebenfalls ein Seitenwechsler: BDEW-Geschäftsführer Stefan Kapferer arbeitete mehrere Jahre als Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium.

Die Antworten auf die abgeordnetenwatch.de-Umfrage zeigt einmal mehr die Intransparenz im Lobbyismus. abgeordnetenwatch.de fordert deswegen die Einführung eines verbindlichen Lobbyregisters, in dem Interessenvertreter u.a. ihre Kontakte zur Politik transparent machen müssen.

Unterzeichnen Sie hier die abgeordnetenwatch.de-Petition "Schluss mit geheimem Lobbyismus!" für ein verbindliches Lobbyregister.

 

Unternehmen und Verbände, die sich zu ihrer Lobbyarbeit geäußert haben: BDEW, RWE AG, Shell Deutschland Oil GmbH, Wintershall Holding GmbH, EWE AG, HanseWerk AG, Vattenfall GmbH, Thyssengas GmbH, BP Europa SE, envia-Mitteldeutsche Energie AG, EO.N SE, ExxonMobil Corporation

Unternehmen und Verbände,  die zunächst nicht geantwortet haben: AFM+E Aussenhandelsverband für Mineralöl und Energie e.V., Uniti - Bundesverband mittelständiger Mineralölunternehmen e.V., BVEG, MEW, Zukunft ERDGAS e.V., bft, FPE - Förderkreis-Preiswert-Energie e.V., VNG-Verbundnetz Gas AG, Wingas, GmbH, Open Grid Europe, ONTRANS Gastransport GmbH, GASCADE Gastransport GmbH, terranets BW GmbH, Uniper, Mainova AG, Stadtwerke München GmbH, Gasag AG, EnBW Baden-Württemberg AG, Energie Südbayern GmbH, badenova AG & Co. KG, RheinEnergie AG, Thüga AG, Gazprom Germania GmbH, Siemens AG
Benita Schwab (Foto: Julian G. Albert / Flikr / CC BY 2.0)

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