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„Unfassbar“: Was Moderator Oliver Welke als Privatperson zum Lobbyregister zu sagen hat

In der ZDF heute-show gibt Oliver Welke jeden Freitag den Satire-Onkel. Doch kürzlich redete sich der Moderator bei einer Diskussionsveranstaltung ganz ironiefrei zum Thema Lobbyregister in Rage. Dass es hierzulande noch immer kein Register gebe, sei "unfassbar", so Welke. "Das haben bestimmte Parteien bis heute verhindert – die werden ihre Gründe haben". Auch Ministerin Julia Klöckner und Journalist:innen kommen in seiner Gardinenpredigt nicht gut weg.

von Martin Reyher, 06.03.2020

Um Satire sollte es gehen bei der Diskussionsveranstaltung letzten November an der Universität München. „Was kann Satire? Ein Gespräch mit Oliver Welke“ war die Veranstaltung mit dem Moderator der ZDF heute-show überschrieben, doch gegen Ende ging es dann um ernste Politik.

Als ein Zuhörer aus dem Publikum fragte, welches Thema nach Welkes Auffassung in Medien und Politik zu wenig Beachtung fände, setzte der Moderator zu einer Gardinenpredigt an – und zwar zum Thema Lobbyregister:

„Es gibt bestimmte Themen, an denen auch die seriösen Journalisten zu selten dran bleiben – entweder aus Ermüdung oder weil es irgendwie zu komplex ist. Ich finde es zum Beispiel unfassbar, dass Deutschland immer noch kein transparentes Lobbyregister hat.“

„Die werden ihre Gründe haben“

Einmal in Fahrt, kommt Welke auf die Verantwortlichen zu sprechen. „Es gibt kaum zivilisierte westliche Staaten, wo man nicht in einem solchen Register aufschreiben muss, welcher Politiker sich mit welchem Lobbyisten zu welchem Thema trifft. Das haben bestimmte Parteien bis heute, gefühlt über Jahrzehnte, verhindert – die werden ihre Gründe haben. Das ist im Kern wirklich ein Skandal.“

Welke hat auch ein Beispiel parat, was schief läuft in Sachen Lobbyismus. „Ich habe nichts gegen Lobbyismus. Aber man muss nachvollziehen können, wer mit welcher Agenda an welche Parteien herantritt. Sonst passieren solche Sachen, dass sich Julia Klöckner mit dem Nestlé-Typen trifft, aber NGO-Vertreter kriegen so gut wie nie eine Audienz. Dann entsteht natürlich auch in der Bevölkerung ein fataler Eindruck von mächtigen Interessengruppen, die Politik machen und viel mehr Einfluss haben als Nichtregierungsorganisationen und in dem Fall stimmt der Eindruck dann auch noch.“ So etwas sei für Medien und Politik halt relativ unsexy, findet Welke.

"Wann kommt denn jetzt das Lobbyregister?"

Oliver Welke zum Lobbyregister im Video:

„Man müsste eigentlich alle halbe Jahre fragen - weil die immer behaupten sie arbeiten dran: Wann kommt denn jetzt das Lobbyregister?“, so Welke.

In der Tat liegen Vorschläge für ein verbindliches Lobbyregister seit längerem auf dem Tisch. 2016 arbeitete abgeordnetenwatch.de zusammen mit der Initiative LobbyControl sowie mehreren Jurist:innen einen Gesetzesvorschlag für ein wirksames Register aus. Kurz nach der Bundestagswahl 2017 brachte die Linke einen eigenen Entwurf in den Bundestag ein, der – wie die Fraktion in der Einleitung schreibt – im Wesentlichen auf den Vorschlägen von abgeordnetenwatch.de und LobbyControl beruhte. Seitdem steckt der Gesetzentwurf im Ausschuss fest. Vor über einem Jahr haben auch CDU/CSU einen eigenen Vorschlag angekündigt, doch dieser lässt noch immer auf sich warten.

[Bundesweite Abstimmung zum Lobbyregister - machen Sie mit!]

"Lobbyismus" in der heute-show

Nun ist es aber nicht so, dass das Thema Lobbyismus in den Medien überhaupt keine Rolle spielt – schon gar nicht in der ZDF heute-show. In den vergangenen Jahren haben Welke und sein Team das Thema immer wieder behandelt. Eine Auswahl:

2015 griff die Satire-Sendung unsere Hausausweisklage gegen den Bundestag auf, durch die wir in Erfahrung brachten, dass über 1.100 Lobbyist:innen einen ungehinderten Zugang zu den Parlamentsgebäuden haben. Welke leitete ins Thema mit der Feststellung ein: "In Deutschland herrschen optimale Arbeitsbedingungen für Lobbyisten."

2014 ließ die heute-show einen (realen) Interessenvertreter ganz offen aus dem Lobbyisten-Nähkästchen plaudern: Wie er "die Jungs" im Bundestag mit guten Impulsen versorgt, ihre Restaurantrechnungen begleicht und griffige Argumentationshilfen zu Parlamentsreden beisteuert. Recherchen von abgeordnetenwatch.de zeigten wenig später, dass zahlreiche Bundestagsabgeordnete Seite an Seite mit dem Lobbyisten in Gremien von Interessenverbänden saßen und diese Nebentätigkeit nicht ordnungsgemäß beim Bundestag gemeldet hatten.

2018 behandelte die heute-show unsere aktuelle Parteispenden-Klage gegen den Bundestag, mit der wir herausfinden wollen, wie intensiv die Parlamentsverwaltung auffälligen Parteispenden von Konzernen und Lobbyverbänden nachgeht. Welke erinnerte dabei an den fragwürdigen Umstand, dass der oberste Prüfer von Parteispenden einst selbst in einen Spendenskandal verwickelt war:

„Die Internetplattform abgeordnetenwatch.de hat vor Gericht gerade durchgesetzt, dass der Deutsche Bundestag seine Unterlagen zur Parteienfinanzierung veröffentlichen muss – eine bittere Niederlage für Wolfgang Schäuble, der ja als Hausherr die Sache mit den Parteispenden überwacht. Ausgerechnet Schäuble! Der hat doch selber mal einen Briefumschlag mit Schwarzgeld… Naja, jagt er sich halt selber. Und er geht wohl in Berufung, weil er die Akten nicht rausrücken will, heißt es.“

Das Thema Lobbyismus ist noch lange nicht auserzählt.

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