Mit diesen Energielobbyisten traf sich die Bundesregierung

Atomausstieg, Fracking, Klimaabgabe: Für die großen Energiekonzerne geht es derzeit um viel, vor allem um viel Geld. Entsprechend groß ist offenbar ihr Gesprächsbedarf mit der Bundesregierung: Wie jetzt bekannt wurde, haben Vertreter aus der Energiebranche seit Anfang 2014 weit über hundertmal bei der Kanzlerin, Ministern und Staatssekretären vorgesprochen. [Update 6.6.2015: Die geplante Klimaabgabe steht wegen des Drucks der Kohlelobby offenbar vor dem Aus / Update 13.6.2015: Statt dessen soll RWE für seine alten Kohlekraftwerke nun vom Bund eine Art Abwrackprämie in Milliardenhöhe bekommen, s.u.]

von Martin Reyher, 21.05.2015

In einer Antwort auf eine schriftliche Anfrage der Grünen-Bundestagsabgeordneten Julia Verlinden hat die Bundesregierung jetzt ihre Gesprächstermine mit Vertretern der Energiebranche seit Januar 2014 offengelegt:

Mit diesen Energielobbyisten traf sich die Bundesregierung (Liste ab S. 2) / (pdf)

Aus dem Schreiben der Bundesregierung geht u.a. folgendes hervor:

  • Bundeskanzlerin Angela Merkel traf insgesamt fünf Mal mit den Interessenvertretern der Energiewirtschaft zusammen, an vier der Treffen war RWE-Chef Peter Terium beteiligt. Die Angaben der Bundesregierung zum Thema der Zusammenkünfte sind recht vage. Mal sei es um "Schwerpunkte der europäischen Energiepolitik", mal um das Thema "Versorgungssicherheit" gegangen.
  • Häufiger Gast war auch die Cheflobbyistin des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), Hildegard Müller. So zum Beispiel bei einem Treffen mit Angela Merkel am 6. Oktober 2014, bei dem es um "allgemeine Themen der Energie- und Umweltpolitik" ging. Zwischen 2005 und 2008 war die heutige Lobbyistin selbst Staatsministerin unter Angela Merkel, inzwischen vertritt sie die Interessen vor allem der konventionellen Energieversorger. Neben ihrer Ex-Chefin traf Müller seit Januar 2014 bei mehreren Gelegenheiten auch Kanzleramtschef Peter Altmaier (3x) und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (5x).
  • Immer wieder ging es bei den Treffen zwischen Konzern- und Regierungsvertretern um die umstrittene Fracking-Technologie. Allein ExxonMobil-Chef Gernot Kalkoffen erhielt in diesem Zusammenhang sechs Termine bei Mitgliedern der schwarz-roten Bundesregierung, etwa am 7. April 2014 bei Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel. Die Opposition, aber auch Koalitionspolitiker wie der SPD-Bundestagsabgeordnete Frank Schwabe, werfen der Bundesregierung vor, beim Thema Fracking vor den Lobbyisten eingeknickt zu sein. Derzeit berät der Bundestag über einen Regierungsentwurf, der die Technologie zur Förderung von Erdgas und Erdöl grundsätzlich erlaubt, wenn auch unter strengen Auflagen. Laut einer aktuellen infratest dimap-Umfrage im Auftrag von abgeordnetenwatch.de sprechen sich 61 Prozent der Bundesbürger für ein vollständiges Frackingverbot aus, auch Anhänger von Union und SPD sind mehrheitlich dafür. Im Rahmen eines Petitions-Checks fragt abgeordnetenwatch.de derzeit die Positionen der Bundestagsabgeordneten zu einem Komplettverbot von Fracking ab.
  • Großen Gesprächsbedarf mit Vertretern der Bundesregierung hatten auch die Chefs der drei großen Energieversorger Vattenfall, RWE und E.ON. Kein Wunder: Für die Konzerne geht es im Zusammenhang mit der geplanten Klimaabgabe für ältere Kohlekraftwerke, der Endlagerung von Atommüll und dem Rückbau von AKWs um Milliardenbeträge.

Update 6.6.2015:

In Sachen Klimaabgabe war die Kohlelobby offenbar höchst erfolgreich. Das Magazin SPIEGEL schreibt in seiner aktuellen Ausgabe:

"Die geplante CO2-Abgabe für fossile Kraftwerke droht zumindest teilweise zu scheitern. Das ist das Ergebnis eines Treffens am Mittwoch von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) mit dem Vorsitzenden der Bergbaugewerkschaft IG BCE, Michael Vassiliadis, und den Fachministern jener Bundesländer, in denen Braunkohle gefördert wird. Der Plan aus dem Hause Gabriel sah ursprünglich vor, zusätzlich 22 Millionen Tonnen CO2 bis 2020 zu vermeiden. Dagegen opponieren Gewerkschaften und Energiekonzerne, die dadurch die Braunkohleförderung in Deutschland insgesamt bedroht sehen. Diese Interessengruppen scheinen sich nun durchgesetzt zu haben. In der Runde verständigte man sich auf ein Bündel anderer Maßnahmen, darunter die Förderung der Kraft-Wärme-Kopplung."

 

Update 13.6.2015:

Anstatt mit einer Klimaabgabe selbst für den CO2-Ausstoß seiner alten Kohlekraftwerke zu zahlen, soll der Konzern RWE nach Informationen des SPIEGEL eine Milliardensumme erhalten. Gedacht ist demnach an eine Art Abwrackprämie, so das Magazin:

"Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD), Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU), und IG-BCE-Chef Michael Vassiliadis [haben sich] offenbar unter anderem darauf verständigt, den Stromversorgern eine Art Abwrackprämie in Höhe von über einer Milliarde Euro zu bezahlen, darunter RWE mit seinen Kraftwerksblöcken in Niederaussem und Frimmersdorf. Die Meiler würden für vier Jahre in eine Notreserve übergehen und dann endgültig stillgelegt werden. Für den Betrag müsste voraussichtlich Finanzminister Wolfgang Schäuble, also der Steuerzahler, aufkommen."

RWE-Chef Peter Terium hatte sich in den vergangenen Monaten mehrmals mit Vertretern der Bundesregierung getroffen.

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