Bundestagsabgeordnete, die zwischen Wirtschaft und Ministerien vermitteln, gehören zur Tagesordnung im Berliner Politikbetrieb, bei einigen gehört diese Dienstleistung auch zum Selbstverständnis. Doch der Fall Georg Nüßlein unterscheidet sich von den vielen Gefälligkeiten: Es geht um eine mutmaßliche Provision in Höhe von 660.000 Euro, gezahlt an die Firma "Tectum Holding GmbH", deren einziger Gesellschafter der Bundestagsabgeordnete Nüßlein ist.
Ob die stolze Summe tatsächlich geflossen ist, müssen nun die Ermittlungen gegen Nüßlein zeigen, der sein Amt als Fraktionsvize vorerst ruhen lässt. Auch der Verdacht der Bestechlichkeit wird untersucht. Ob die Vorwürfe den Straftatbestand Abgeordnetenbestechung (§108e Strafgesetzbuch) erfüllen ist allerdings unklar. Doch ans Licht gekommen ist dieser Interessenkonflikt nur durch eine Steuer-Fahndung. Nach den Bundestags-Transparenz-Regeln mussten die engen wirtschaftlichen Verbindungen u.a. zu einem hessischen Textil-Hersteller nicht aufgedeckt werden.
An dem Fall zeigen sich jedoch wesentliche Transparenz-Schlupflöcher:
- Nüßlein muss die Einkünfte seiner "Tectum Holding GmbH" nicht angeben, sofern er sie sich nicht auszahlen lässt. Dass er Gesellschafter der Firma ist, muss er nur angeben, da er mehr als 25 Prozent der Anteile hält. Geringere Beteiligungen müssen, unabhängig vom Wert, nicht angegeben werden. Ähnlich gelagert war die Affäre von Phillip Amthor, der Optionen auf Unternehmensbeteiligungen (sogenannte Aktienoptionen) erhalten hatte, diese aber ebenfalls nicht angeben musste.
- Wie viel Geld für die Vermittlung von Interessen in die Politik gezahlt wird, ist oft unklar. Wenn die Vermittlung durch Abgeordnete selbst erfolgt, sind Interessenkonflikte kaum auszuschließen.
- Die engen Kontakte der Unternehmen zur Politik werden nicht sichtbar. Doch die Pläne der Koalition zur Verschärfung der Lobby-Kontrolle durch ein Lobbyregister sehen die Veröffentlichung von Lobbykontakten gar nicht vor. Darüber hinaus stocken die Verhandlungen über das seit Sommer 2020 angekündigte Gesetz immer wieder.
Diese Schlupflöcher sind seit Jahren bekannt. So wurden wesentliche Lücken bereits 2014 im 4. Evaluationsbericht der Antikorruptions-Kommission des Europarates (GRECO) sichtbar. Unter anderem forderte die GRECO, dass Abgeordnete Interessenkonflikte unverzüglich und proaktiv offenlegen müssen. Die Dringlichkeit wurde im Umsetzungsbericht 2019 verschärft: Die GRECO „hielt es aber für bedenklich, dass (…) noch keine konkreten Schritte zur Umsetzung dieser Empfehlung unternommen worden waren.“
Deutlich wird, dass diese Defizite und die immer wieder auftretenden Skandale in Kauf genommen werden. Überraschend sind die Fälle nicht. Es bleibt zu befürchten, dass nach Amthor und Nüßlein noch weitere Fälle bekannt werden. Ob die Politik diesmal handelt, bleibt abzuwarten.
Kommentare
Stephanie Schneider am 27.02.2021 um 12:08 Uhr
PermalinkVielen Dank für Ihre Arbeit. Ich hoffe sehr, dass die Politiker, zu Gunsten ihrer doch größtenteils sehr beschädigten Glaubwürdigkeit in puncto "Unbestechlichkeit, Unabhängigkeit", nun für mehr ECHTE Transparenz stehen. Wir "Normalbürger" sind und sollen und noch transparenter werden. Die echte Vorbildfunktion vieler ist leider zu vermissen. Auch unter "prime Deal" verkauften Ideen und Neuerrungen, sind leider die Verstrickungen mannigfaltig. Schade dass Menschen die das Auklären möchten, zum Teil noch die Rolle der "Übeltäter, zugesprochen bekommen, Das zeigt an wo wir in diesem System stehen und welche Interessen vertreten werden, spiegelt sich leider in vielem wieder. Es sollte keine ReGIERung sein. Wir mündige, weise Bürger. So wie Sie, liebe Politiker auch. Dies natürlich nicht nur für eine Wahlperiode, wäre auch wünschenswert. Danke für Ihre Kenntnisnahme
Alfred Würstle am 27.02.2021 um 21:03 Uhr
PermalinkAuch ich möchte mich bei ihrer Arbeit bedanken. Die Lobbykratie in Deutschland mit all ihren "Beratungssystemen" und zulässigen Schlupflöchern bei der Bezahlung von Abgeordneten gefährdet unsere Demokratie erheblich. Mir wäre lieber, die Abgeordneten erhalten ein faires Gehalt ähnlich einem Wirtschaftsmanager und müssen im Gegenzug auf jegliche Nebeneinkünfte verzichten. Leider ist unser bisheriges System nicht reformfähig - welcher Frosch trocknet schon seinen eigenen Sumpf aus. Das alles sind Geburtshelfer der AfD.
Werner Schünemann am 28.02.2021 um 09:17 Uhr
PermalinkVielen Dank für die Arbeit und das unermüdliche Aufdecken an korruptem Verhalten. Aber es gibt noch viel zu tun. Deutsche Politiker gehören zu den höchst bezahlten weltweit. Die beiden Fälle der jüngsten Vergangenheit sind weniger als die Spitze des Eisberges. Ich denke die Berater Verträge und unglaubliche Summen, die jedes Jahr ausgegeben werden sollten untersucht werden. Ich denke das dort sehr viele „Gefälligkeiten“ zu finden sind. Gerne darf und sollte jeder Politiker Aktien und Beteiligungen halten, Firmen in seinem Wahlkreis unterstützen - aber alles offen und transparent.
Fred Rehn am 01.03.2021 um 19:59 Uhr
PermalinkIhre Nachricht ist wohl auf Anordnung von oben im Müll abgelegt. Jetzt kann man die Bestürzung über die lügenpresse vollinhaltlich verstehen. Haben sie kein öffentliches Interesse zur Klärung des höchst kriminellen csu Politikers ??
Fred Rehn
rüdiger blohm am 02.03.2021 um 04:57 Uhr
PermalinkDieses einstig mit so viel Hoffnung vereingte Deutschland und heutige EU-Deutschland versinkt ersichtlich immer tiefer in einen Sumpf von Korruption, Rechtsbeugung, Amtsmissbrauch und lässt im Kampf gegen wachsender Kriminalität bis in das organisierten Verbrechen offensichtliche Hilflosigkeit und merkwürdige Blindheit erkennen. Von rechtsstaatlicher deutscher Demokratie kann und darf die Mehrheit der Bürger Deutschlands nur noch träumen.
Annette Hildebrandt am 02.03.2021 um 07:55 Uhr
PermalinkWas für ein Glück, dass es Organisationen wie die Ihre gibt, die die Arbeit machen, die eigentlich unsere gewählten Volksvertreter machen sollten: unermüdlich Rechtsstaatlichkeit und Transparenz einfordern und umsetzen! Danke!
Dieter Britz am 02.03.2021 um 09:58 Uhr
PermalinkIch glaube ehrlich gesagt nicht, dass sich da groß was ändert! Wer sägt denn schon den Ast ab, auf dem er sitzt? Oder anders gesagt: Wes Brot ich ess, des Lied ich sing!!! Das ist seid Jahrhunderten in jedem Land Gang und Gäbe und daran wird sich auch nichts ändern, warum auch, die, die es betrifft, entscheiden selbst darüber. Es ist etwa so, wie wenn ich mir meinen Tüvstempel selbst erteilen kann!!!
Monika Büchler am 04.03.2021 um 08:52 Uhr
PermalinkIch vermisse in derzeitiger Pandemie jegliche Transparenz und finde es gruselig was da hinter den Kulissen so ausbaldowert wird. Danke für ihre Initiative. Leider kann ich gerade keine finanzielle Unterstützung leisten Lg
Horst Müller am 07.03.2021 um 11:05 Uhr
PermalinkKann es sein, dass die Vehemenz, mit der die CDU/CSU auf ihre eigenen Leute (Nüsslein, Löbel) losgeht, damit zusammenhängt, dass beide nicht so voll hinter der Corona-Politik ihrer Parteiführung stehen und entsprechend abgestimmt haben? Womit ich nicht Geschäftemacherei von Abgeordneten kleinreden will, aber Druck der Parteioberen in diesem Fall erstaunt mich schon!
Christoph Werner am 08.03.2021 um 06:34 Uhr
Antwort auf Kann es sein, dass die… von Horst Müller
PermalinkIch würde eher vermuten, dass dies den anstehenden Wahlen geschuldet ist. Zur Mitte der Legislaturperiode hätte man das ausgesessen und der Unschuldsvermutung das Wort geredet.
Horst Müller am 08.03.2021 um 10:14 Uhr
Antwort auf Ich würde eher vermuten,… von Christoph Werner
PermalinkUnd was ist mit den jüngst bekannt gewordenen Fällen von gekauften CDU Abgeordneten, die sich als Aserbeidschan - Propagandisten betätigten? Da habe ich kein so lautes Gehabe erlebt.
Hans-Reiner Dörfert am 08.03.2021 um 15:17 Uhr
PermalinkWarum fliegen diese Schlitz-Ohren nicht hochkant aus der Partei ? Wahrscheinlich, weil die Wirtschaft dies
nicht will .
Vielen Dank für eure Arbeit
Bleibt gesund und Gruss
Reiner Dörfert
Rainer Meyer am 04.04.2021 um 17:18 Uhr
PermalinkEine sehr gute Arbeit, die aber auch die gegenwärtigen Gesetzeslücken und zutiefst menschliche aber widerwärtige Handlungsweise unseres „Volksvertreters“ zumindest peripher tangiert..- oder anders gesagt, lediglich die Spitze des Eisberges beleuchtet..
Wenn man(n) mit der Gesellschafterin der Tectum GmbH das Bett teit, muss man nichts offen legen, weilman nie ansich selbst liquidiert..
Wenn man über eben jene Kanäle auch noch im rumänischen Jagdschlösschen, in unmittelbarer Nähe zum Elternhaus der Lebensgefährtin, hier im Folgenden Gesellschafterin der Tectum Holding GmbH genannt, Mitglieder der rumänischen Regierung gegen Salär berät , legt man auch diese Erträge nicht offen.
Und man mag an Zufälle glauben oder nicht...- man legt Erträge nicht offen, verschleiert die Liquidation und sendet das Geld nach Südamerika ... und hat eine Schwägerin, die Schwester, der Lebensgefährtin , die „zufällig“ in unmittelbarer Nähe zum Berliner Domizil wohnt und bei einem marktführenden amerikanischen Geldtransferunternehmen arbeitet, und bei vorstehend genannten Handkungen unterstützt hat..und zufällig bereits einen malerisch gelegenen auSsereuropäischen Wohnort ihr Eigen nennt...
Und inwenigen Wochen müssen alle Bürger in Deutschland eben jene schicksalbehafteten und mit Unaufrichtigkeit fälschlich erworbenen FFP2 Masken zwingend tragen..- Masken, die bereits im Vorfeld inakzeptabel verseucht erscheinen
Geldwäsche, Steherhinterziehung, Betrug... damit lässt man sich unangefochten unbescholten und unangetastet mit monatlich beinahe 7500€ Staatlicher Rente das Leben versüssen..denk ich an Deutschland in der Nacht...(!)
Ein Schelm, wer Böses dabei denkt
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