IFG-Ablehnung des Tages: Hier erhalten Sie die gewünschte Rechnung - allerdings komplett geschwärzt

In Sachen Vorratsdatenspeicherung ließ sich die Bundesregierung 2012 von einer externen Anwaltskanzlei vor dem EuGH vertreten. Wie teuer der juristische Beistand damals war, will sie gegenüber abgeordnetenwatch.de nicht sagen. Die Angelegenheit ist dem zuständigen Wirtschaftsministerium derart peinlich, dass es uns sogar die entstandenen Gebühren erließ.

von Martin Reyher, 30.03.2016

2012 verklagte die EU-Kommission die Bundesrepublik Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof. Die Kommission forderte von Deutschland damals ein tägliches Bußgeld über 315.036 Euro, weil die Bundesregierung eine EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung nicht umsetzen wollte. Durch die Richtlinie sah die damalige Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, bestärkt durch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes, die Datenschutz- und Grundrechte verletzt.

Am Ende wurde die Strafzahlung wegen Einstellung des Verfahrens durch den EuGH zwar hinfällig, dafür hatte die Bundesregierung jedoch eine andere Rechnung zu begleichen: Die der Anwaltskanzlei Redeker Sellner Dahs. Diese hatte die Regierung - gemeinsam mit deren Hausanwälte - vor dem Europäischn Gerichtshof vertreten.

Im Dezember 2015 bat abgeordnetenwatch.de das zuständige Bundeswirtschaftsministerium auf Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes (IFG) um Zusendung der Anwaltsrechnung. Diese erhielten wir kürzlich auch, allerdings mit einer wesentlichen Einschränkung: Das Ministerium hatte alle relevanten Stellen geschwärzt - das Dokument war also inhaltlich vollkommen wertlos.

Für die Unkenntlichmachung gesorgt hatte die Kanzlei Redeker Sellner Dahs, die ihr Betriebs- und Geschäftsgeheimnis verletzt sah. Bemerkenswert ist die Schwärzung auch deshalb, weil Redeker Sellner Dahs in der Vergangenheit schon mehrfach der Veröffentlichung von Rechnungen zugestimmt hatte - in denen anders als im vorliegenden Fall sogar die geleistete Tätigkeit detailliert aufgelistet waren.

Die Rechtslage ist in unseren Augen recht eindeutig: Weder würde durch eine Veröffentlichung des Rechnungsbetrages "exklusives technisches oder kaufmännisches Wissen dem Marktkonkurrenten zugänglich" gemacht noch "die Marktposition des Unternehmens nachteilig" beeinflusst. Genau dies muss nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2009 aber gegegeben sein, um ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis geltend machen zu können (BVerwG NVwZ 2009, 1113, 1114). Oder anders ausgedrückt: Solange die Bezugsgröße für die Rechnung - nämlich die geleistete Tätigkeit - nicht mitgeteilt wird, ist die reine Rechnungshöhe für einen Konkurrenten wertlos. Denn eine betriebswirtschaftliche Kalkulation ist auf Grundlage einer absoluten Zahl nicht möglich.

"Teilschwärzung der Rechnung: 5 Minuten Arbeitszeit"

Hinzu kommt: Da Ministerien derartige Mandate ohnehin nicht ausschreiben, sondern eine bestimmte Anwaltskanzlei beauftragen, sind auch keine nachteiligen Auswirkungen auf deren Wettbewerbsposition zu befürchten, wenn die Rechnungshöhe mitgeteilt würde.

Dem Ministerium ist die Übersendung der in allen relevanten Punkten geschwärzten Anwaltsrechnung ganz offenkundig peinlich. Zwar sei in der Angelegenheit ein Verwaltungsaufwand von 90 Euro entstanden (u.a. für "Erstellung und Teilschwärzung der Kopie der Rechnung: 5 Minuten"), heißt es in dem Bescheid des Bundeswirtschaftsministeriums. Auf die Erhebung dieser Gebühren werde jedoch aus Gründen der Billigkeit "ausnahmsweise verzichtet", "da nach der erforderlichen Schwärzung der zentrale Informationsbestandteil nicht zur Verfügung gestellt werden kann."

Wegen der Schwärzung haben wir gegen den Bescheid des Bundeswirtschaftsministeriums Widerspruch eingelegt.

Für unsere IFG-Anfrage an das Bundeswirtschaftsministerium haben wir das Portal fragdenstaat.de genutzt. Darüber können alle Bürgerinnen und Bürger einfach und kostenlos Anfragen auf Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes stellen. Zu fragdenstaat.de.

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