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Abgeordnetenbestechung: Weil es keine korrupten Politiker gibt, braucht es auch kein Gesetz

Dass korrupte Volksvertreter sich vor dem Gesetz verantworten müssen, ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Nicht so für den CSU-Bundestagsabgeordneten Dr. Wolfgang Götzer. Ein Gesetz gegen Abgeordnetenbestechung hält er für nicht erforderlich - Begründung: Es gebe schließlich keine korrupten Abgeordneten.

von Martin Reyher, 02.05.2013

 

Warum gibt es in Deutschland eigentlich kein Gesetz gegen Abgeordnetenbestechung? Moment mal, pflegt Wolfgang Götzer von der CDU/CSU dann zu erwidern: Selbstverständlich haben wir ein solches Gesetz! 

In der Tat gibt es im Strafgesetzbuch einen Paragraphen mit dem Namen "Abgeordnetenbestechung". Doch bei Lichte betrachtet ist diese Überschrift für den §108e StGB ein plumper Etikettenschwindel: Geregelt wird in dem Paragraph lediglich ein kleiner Teilbereich der politischen Korruption, nämlich Stimmenkauf bzw. -verkauf. Und nicht einmal der ist grundsätzlich verboten: Nimmt ein Abgeordneter als Belohnung für sein Abstimmungsverhalten im Nachhinein eine “Dankeschön-Spende” an, geht er straffrei aus (mehr: Internes Bundestagsgutachten empfiehlt schärferes Gesetz gegen Abgeordnetenbestechung). 

Dass das bestehende Gesetz in Fällen von Bestechung und Vorteilsnahme oder -gewährung also weitgehend wirkungslos ist, stört Wolfgang Götzer wenig - das sei sowieso nur eine abstrakte Debatte. "Politik", so erklärte er vergangenen Freitag im Bundestag, "beginnt mit dem Betrachten der Wirklichkeit“. Und weil es in Deutschland nun mal keine korrupten Abgeordneten gebe, wie Götzer meint, brauche es natürlich auch keine zusätzlichen Maßnahmen gegen korrupte Abgeordnete. Öffentliche Kontrolle und parlamentarische Transparenz seien da viel wirkungsvoller. "Wo also ist der Handlungsbedarf?" 

Einmal abgesehen davon, dass eine öffentliche Kontrolle durch den Mangel an Transparenz noch immer erheblich erschwert wird (Stichwort: Mitwirkung von Lobbyisten im Gesetzgebungsprozess, Stückelung von Parteispenden, Beratertätigkeit von Abgeordneten für unbekannte Auftraggeber uvm.): Dass ausgerechnet Götzer ein hohes Lied auf die Transparenz singt, ist schon besonders putzig:

  • Gegen die Veröffentlichungspflicht von Nebeneinkünften klagte er 2005 vor dem Bundesverfassungsgericht - ohne Erfolg. Abgeordnete mussten ihre Nebenverdienste fortan in einem Drei-Stufensystem veröffentlicht, so wie von Rot-Grün beschlossen.
  • Als Götzers eigene Partei 2012 unter dem öffentlichen Druck der Steinbrück-Debatte die Veröffentlichungsregeln verschärfen wollte, trat der Justiziar erneut auf die Bremse. Gegen das vorgeschlagene Zehn-Stufensystem meldete er intern "Bedenken" an.
  • Öffentliche Bürgerfragen, etwa zu seinem Abstimmungsverhalten, möchte Götzer keinesfalls öffentlich beantworten - sondern nur unter vier Augen.

Auch das Thema Abgeordnetenbestechung will Götzer lieber heute als morgen los werden. Wie sich die CDU/CSU-Fraktion verhalten wird, wenn demnächst im Bundestag ein Gruppenantrag zur Abstimmung gestellt wird, ist derzeit nicht abzusehen. Denn bei der Plenardebatte am Freitag waren drei unterschiedliche Positionen auszumachen:

  • Fundamentalblockade (Wolfgang Götzer)
  • Verzögerungstaktik. Auch nach Jahren der Debatte hat der CDU-Abgeordnete Ansgar Heveling noch Beratungsbedarf, wie er am Freitag im Bundestag mitteilte: "Wir sollten uns mit der gebotenen Sorgfalt um das Thema kümmern". Bislang gibt es von der Unionsfraktionen keinen konstruktiven Vorschlag zum Thema Abgeordnetenbestechung.
  • Zustimmung.

Bislang scheint das Lager der Befürworter in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion das kleinste zu sein. Deren Wortführer ist der Rechtsausschussvorsitzende Siegfried Kauder, früher selbst ein erklärter Gegner einer Gesetzesverschärfung. Derzeit wirbt Kauder in den eigenen Reihen um Zustimmung zu dem von ihm initiierten Gruppenantrag, der von SPD, Grünen und Linken unterstützt wird. Ein Fraktionskollege von Kauder hat sich inzwischen öffentlich auf seine Seite geschlagen:

 

 

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