Das Christkind hatte die Deutsche Vermögensberatung AG (DVAG) um wenige Tage verpasst, als sie am 31. Dezember 2010 einen Wunschzettel erstellte. "Eine Riester-Pflegezusatzversicherung", stand darauf. Knapp 18 Monate später ist dieser Wunsch in Erfüllung gegangen, und das ganz ohne himmlische Fügung.
In der Versicherungsbranche dürften die Korken geknallt haben, als die Parteichefs von CDU, CSU und FDP sich am Montag auf die Einführung einem sog. "Pflege-Bahr" verständigten. Denn für die Assekuranzen bedeutet die private Pflegezusatzversicherung ein Riesengeschäft. Allein der Staat wird im kommenden Jahr bis zu 100 Mio. Euro an Fördermitteln ausschütten, um den Bürgern die Pflegevorsorge schmackhaft zu machen, später könnte die Summe noch steigen. Über ein ordentliches Stück vom Kuchen darf sich dann auch die DVAG freuen. Ihre rund 37.000 Vertreter bringen eine breite Palette an Finanzprodukten an die Kunden, etwa Lebensversicherungen, die Riester-Rente - und in Zukunft die private Pflegezusatzversicherung.
Entsprechend fiel das Fazit der Märkischen Allgemeinen Zeitung gestern nach einem Gespräch mit dem DVAG-Volkswirt aus:
Deutschlands größter Finanzvertrieb pflegt seit Jahren ein inniges Verhältnis zu den Erfindern des "Pflege-Bahr". Die Konzerngremien sind mit namhaften CDU-Leuten besetzt: Altkanzler Helmut Kohl ist Vorsitzender des DVAG-Beirats, dem außerdem Bernhard Vogel, Horst Teltschik und Petra Roth angehören. Theo Waigel ist Mitglied im Aufsichtsrat, an dessen Spitze steht Kohls früherer Kanzleramtsminister Friedrich Bohl.
Und auch Guido Westerwelle stand kurzzeitig in Diensten der DVAG. Da jedoch Regierungsmitglieder keine Nebentätigkeiten ausüben dürfen, musste der damalige FDP-Chef vor seiner Ernennung zum Außenminister das Beiratsmandat wieder aufgeben. Die Verbindung zur Deutschen Vermögensberatung aber blieb bestehen. Vier Monate später wurde Westerwelle bei einer firmeninternen Veranstaltung von 15.000 DVAG-Vermögensberatern begeistert empfangen. So ist es in einem Unternehmensvideo festgehalten (mehr...).
Als die Deutsche Vermögensberatung am Tag nach der Bundestagswahl 2009 namentlich ihrem damaligen Beiratsmitglied Westerwelle sowie der Kanzlerin "ganz herzlich zu ihren persönlichen Wahlerfolgen und zum Erfolg ihrer Parteien" gratulierte, gratulierte sich die DVAG in gewisser Weise selbst. Denn als großzügiger Wahlkampfsponsor von CDU und FDP stand der Finanzvertrieb am Ende mit auf der Seite der Sieger. Nach Recherchen von abgeordnetenwatch.de ließ die DVAG den beiden Parteien allein im Wahljahr 587.000 Euro (CDU) bzw. 470.000 Euro (FDP) zukommen. Die Spenden stammten aus unterschiedlichen Quellen: Teils von der Deutschen Vermögensberatung AG direkt, teils von weitgehend unbekannten Tochterfirmen, von DVAG-Gründer Reinfried Pohl persönlich oder dem von ihm gegründeten Bundesverband Deutscher Vermögensberater, dessen Vorsitzender DVAG-Aufsichtsratschef Friedrich Bohl ist.
Solche Zuwendungen sieht die DVAG als Ausdruck ihrer "gesellschaftlichen Verantwortung". Selbstverständlich, so das Unternehmen, würden dabei "nicht nur die CDU und FDP berücksichtigt".
Das stimmt in der Tat. Von den 1.095.950 Euro, die im Wahljahr 2009 aus dem DVAG-Umfeld an die Parteien flossen, entfiel auf die Grünen ein Anteil von 0,9 Prozent (10.000 Euro), die SPD bekam mit 1,3 Prozent (15.000 Euro) sogar ein noch etwas größeres Stück vom mächtigen Spenden-Kuchen ab (siehe Grafik oben).
Warum die Deutsche Vermögensberatung am Tag nach der Bundestagswahl ihre Freude über den Ausgang mit drei Ausrufezeichen öffentlich kundtat ("DVAG gratuliert!!!" - der Artikel im Unternehmensblog wurde nach kurzer Zeit wieder gelöscht), zeigte sich wenige Wochen später. Der Journalist Michael Spreng, als ehemaliger Berater von Edmund Stoiber und Jürgen Rüttgers ganz und gar unverdächtig, notierte in seinem Blog:
Dagegen kann die Deutsche Vermögensberatung (DVAG) mit dem bisherigen Ergebnis der Koalitionsverhandlungen zufrieden sein. Nach der Bundestagswahl hatte sie ihrem Beiratsmitglied Guido Westerwelle gratuliert und ihn ermahnt: “Die Bürger müssen durch geeignete Maßnahmen zu privater Vorsorge motiviert werden”. Jetzt kann er Vollzug melden: Schonvermögen für Hartz-IV-Empfänger verdreifacht (jetzt flutscht der stockende Verkauf von Lebensversicherungen und Fonds-Sparplänen wieder), private Zusatzversicherung zur Pflegeversicherung, leichterer Umstieg von der gesetzlichen zur privaten Krankenversicherung. Ein Super-Ergebnis für die deutsche Versicherungswirtschaft und die Firmen, die ihre Verträge verkaufen. (…)
Mit der im Koalitionsvertrag festgeschriebenen staatlich geförderten Pflegezusatzversicherung steht der Versicherungsbranche demnächst ein wahrer Geldsegen ins Haus. Verbraucherschützer wie Thorsten Rudnik, Vorstandsmitglied beim Bund der Versicherten, halten die jetzt vorgelegten Pläne dagegen für "vollkommen unausgereift". Er sehe darin "überhaupt keine ökonomische Sinnhaftigkeit", sagte Rudnik zu abgeordnetenwatch.de. "Vielmehr ist absehbar, dass ein großer Teil der staatlichen Zuschüsse am Ende als Provisionen in den Taschen der Versicherungsvertreter von DVAG und Co. landet."
Dass sich die Handelsvertreter von DVAG und Co. ab 2013 beim Verkauf des "Pflege-Bahr" über einträgliche Provisionen freuen dürfen, ist derweil abzusehen. Am Mittwoch äußerte sich dazu die CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt in einem Interview mit dem Deutschlandfunk:
Moderator: Eine Schwachstelle der Riester-Rente sind die hohen Provisionen für die Vermittler. Das hat die Zeitschrift "Finanztest" festgestellt. Werden die beim Abschluss der privaten Pflegeverträge begrenzt? Hasselfeldt: Nun, das ist jetzt momentan nicht vorgesehen, das muss man sich auch anschauen, ob es notwendig ist. Ich persönlich habe immer etwas Bedenken, wenn wir zu sehr von Seiten des Staates eingreifen. Das muss auch ein Stück weit der Markt regeln.
2011 verzeichnete allein die Deutsche Vermögensberatung AG Provisionserlöse in Höhe von 1,065 Mrd. Euro - mehr als die zweit- und drittgrößten deutschen Finanzvertriebe AWD und MLP zusammen.
Update 14.6.2012: Am 15. Mai fand die diesjährige Hauptversammlung des Bundesverbandes Deutscher Unternehmensberater statt, ein Berufsverband aus dem DVAG-Umfeld. Einer der Hauptredner beim Jahrestreffen des Großspenders von CDU und FDP (2010/11: insg. 172.100 Euro):
Update 15.6.2012: Das Gesundheitsministerium sah sich außerstande, das Redemanuskript von Daniel Bahr zur Verfügung zu stellen. Auf unsere Anfrage hieß es in einer schriftlichen Antwort:
Leider können wir Ihrer Bitte nicht nachkommen, da wir keine persönlichen Reden des Ministers in schriftlicher Form weiter geben. Es gilt immer das "gesprochene" Wort.
Auf telefonische Nachfrage, was unter einer "persönlichen Rede des Ministers" zu verstehen sei, verwies eine Ministeriumssprecherin darauf, dass sich ihre Kollegin in der Antwort vermutlich unglücklich ausgedrückt habe. Sie bekräftigte allerdings, dass Bahr die Rede bei der BDV-Hauptversammlung in seiner Funktion als Gesundheitsminister gehalten habe. Das Manuskript sei im Ministerium verfasst worden. Man fragt sich allerdings, warum andere Ministerien - etwa das Außenministerium oder das Verteidigungsministerium - durchaus in der Lage sind, Redemanuskripte zu veröffentlichen, das Bundesgesundheitsministerium jedoch nicht.
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Kommentare
Ralf Balke am 10.06.2012 um 08:24 Uhr
PermalinkDie Mafia sagt "Dankeschön" für die Rettungspakete:
http://www.china-intern.de/page/politik-hintergrund/1339111213.html
Luxemburg - Steueroase, Präsident Jean-Claude Juncker ist auch Chef der Euro-Gruppe; Andorra - Steueroase, der französische Präsident wird mit seiner Wahl auch "Kofürst von Andorra"; "City of London" - rechtsfreier Raum und Bankensektor in England; Cayman-Island - Steueroase und britisches Hoheitsgebiet, rund 50% aller Hedge Fonds haben dort eine Zweigstelle und alle bedeutenden Banken, auch deutsche; Kanalinseln - im Besitz der Krone; usw.
Finanznachrichten.info am 12.06.2012 um 10:06 Uhr
PermalinkBahr–Pflegeriester ein versicherungsmathematischer Super-GAU?...
Ein Pflegeriester, das vom Staat mit fünf Euro monatlich gefördert werden soll. Das ist der Wille von Bundesgesundheitsminister Bahr – und er hat damit tatsächlich Zustimmung gefunden. Doch der staatliche Zuschuss zu einer privaten Pflegeversicherung i...
Manners am 28.06.2012 um 13:26 Uhr
Permalink.... wenn's an's raffen geht, sitzen alle in trauter Gemeinsamkeit beieinander ... !!!!!!
Augias am 28.06.2012 um 13:44 Uhr
PermalinkVersicherungen, Autoindustrie, Kaminkehrer, Abgas-Filterhersteller, Banken, Pharmaindustrie - man könnte die Reihe der diversen Branchen der deutschen Wirtschaft beinahe beliebig fortsetzen. Allen hat eine deutsche Regierung schonmal kräftig mit einem netten Gesetz unter die Arme gegriffen. Abgeordnete und Minister sind doch längst zu verlängerten Marketingarmen der heimischen Wirtschaft verkommen. Mal führen sie eine neue Abgasnorm für KFZs ein, mal eine für Kaminöfen oder weigern sich beständig, die Beiträge zur Pflegeversicherung allgemein und angemessen zu erhöhen. Neuerdings haben sie sogar die Netzgebühren für große Stromverbraucher gesenkt oder gar ganz abgeschafft -natürlich nur mit der Maßgabe, dass sich die EVUs bei den Kleinabnehmern ersatzweise bedienen dürfen. Immer ist es die Masse der Bevölkerung, bei der sich die Wirtschaft immer dreister bedienen darf. Statt wenigen hundert Kohlekraftwerken entsprechende Katalysatoren zu verordnen, bittet man 40 Millionen Autofahrer zur Kasse.
Lösungen? Schwierig, denn wenn wir im kommenden Wahlkampf wieder Plakate sehen werden, auf denen einfach nur noch der Kopf der Frau Merkel abgebildet ist und der Plakattexter gerade noch "Die Kanzlerin" draufstammeln darf, könnte das Ganze ja auch Grießbrei oder Waschmittel beinhalten. Gewählt wird das Ganze ja trotzdem. Und je mehr Spenden umso dämlicher der Wahlkampf. Vielleicht sollte man seine Wahlentscheidung künftig daran orientieren und notfalls eben einen leeren Zettel abgeben.
Peter Hafke am 28.06.2012 um 22:15 Uhr
PermalinkSehr geehrte Damen und Herren,
Wenn man die Spendentransfers von Teilen der ach so "armen" Wirtschaft so lesen muss,
überfällt einem das große K........!!!! Einfach widerlich! Und beim Mindestlohn und gewerkschaftlichen Lohnforderungen sind plötzlich alle Kassen leer und die "Wettbewerbsfähigkeit ist gefährdet"!. Ist ja klar, wenn die Gelder in die falschen Kassen (der Parteien) fließen.
Irgend wann platzt mal die Bombe, so, wie wir in Finanzdingen angelogen werden!
MfG, -ph-
Sent am 01.07.2012 um 12:02 Uhr
PermalinkDie Mehrheit der Deutschen, sind doch geradezu besessen darauf belogen und beschissen zu werden!!! Wer solche Parteien auch noch wählt, soll hinterher nicht auch noch herumjammern! Der Metzger sollte gnädig sein, und Ihnen lediglich die Hände abhacken!
Brinschwitz am 24.10.2012 um 08:40 Uhr
PermalinkWann greift hier mal der Europäische Gerichtshof ein wenn es schon kein Deutsches Gesetz
gegen diese Korruption, Bestechung von Politikern gibt, es lassen sich in den letzten 10 Jahren an Hand der Gesetzesbeschlüsse genau feststellen wo und in welchen Umfang hier
aktive Bestechung von Politikern stattgefunden hatte.
Riester, Rürup,VVG,Pflege alles dies dient nur einem Zweck wie presse ich noch mehr aus der Bevölkerung in die Taschen der Strucki Buden und Politikern.
Wann gibt es hier eine Übergeordnete Stelle die dem Einhalt gewährt.Hier sind mindestens
bis zu 10 Tatbestände erfüllt, alle Wissen davon und alle schauen Weg.
Wenn dies so Legal ist dann möchte ich auch 2,5 Millionen Bestechungsgeld haben.
Danke
Happy am 31.10.2012 um 07:41 Uhr
PermalinkFinding this post solves a prolebm for me. Thanks!
Chris am 29.11.2012 um 00:43 Uhr
PermalinkWenn das nicht korrupt ist, dann weiß ich auch nicht mehr !!!
CDU/CSU und FDP stehen für Vetterleswirtschaft, Lug und trug und Korruption !!
Armes Deutschland !!!
Jo Hüpgens am 05.12.2012 um 20:40 Uhr
PermalinkDie Wirtschaftslobby hat einen größeren Einfluss auf die Gesetzgebung als der eigentliche Souverän - das Volk. Die ökonomischen Eliten haben mit Hilfe der politsichen Klasse die Demokratie unterwandert und für sich vereinnahmt. Die parlamentarische Demokratie, die voraussetzt, dass die Politik das Gemeinwohl wahrnimmt, ist damit am Ende. Wir brauchen eine Reform des politische Systems mit Volksentscheiden auf Bundesebene.
Anne am 30.07.2013 um 14:38 Uhr
Permalinksehr gut artikel
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