Gestern stießen wir auf ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes zu der Frage, wie die Petitionen des Deutschen Bundestages die Demokratie verändert haben. Das Erstaunliche an der Ausarbeitung aus dem Jahr 2010 ist allerdings weniger das Fazit ("... hat einen weiteren kleinen Beitrag zu mehr Teilhabe der Bürgerinnen und Bürger am parlamentarischen Geschehen in Deutschland geleistet"), als vielmehr das, was man in dem Gutachten nicht lesen kann.
Gleich an mehreren Stellen ist die achtseitige Expertise unkenntlich gemacht: Die Anzahl der eingereichten öffentlichen Petitionen - geschwärzt. Die Zahl der Petitionszeichner oder der Diskussionsbeiträge - geschwärzt. Die Zahl der Seitenaufrufe - geschwärzt.
Auf Anfrage von abgeordnetenwatch.de, warum derlei Angaben in dem Gutachten unkenntlich gemacht seien, wartete die Bundestagsverwaltung mit einer äußerst bizarren Erklärung auf: "Zur Praxis der Veröffentlichung kann ich Ihnen sagen, daß die Wiss. Dienste des Bundestages zuvor solche Passagen schwärzen, deren Inhalt die (Persönlichkeits)-Rechte Dritter berühren," erklärte ein Bundestagssprecher per Mail.
Die Schwärzung von bloßen Mengenangaben zu Petitionszeichnern oder Seitenaufrufen mit dem Persönlichkeitsrecht Dritter zu begründen - absurder geht es kaum. In dem gesamten Gutachten ist nicht eine Textstelle erkennbar, an der das Persönlichkeitsrecht eines Dritten auch nur ansatzweise tangiert wird.
Nun könnte man vielleicht annehmen, der Bundestag wolle die Resonanz zu seinen Petitionen aus einem anderen Grund unter Verschluss halten. Allerdings ist auch dies Unfug - denn der Petitionsausschuss veröffentlicht jedes Jahr einen unfangreichen Bericht, in dem er genau das schwarz auf weiß aufführt, was in der Ausarbeitung von 2010 unkenntlich gemacht wurde. In dem Bericht des Jahres 2008, um das es auch in dem geschwärzten Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes geht, ist beispielsweise zu lesen: "Bis zum Ende des Jahres erreichten den Ausschuss über dieses Medium in der Probephase insgesamt 667 durch den Ausschuss zugelassene Petitionen mit 32.882 Diskussionsbeiträgen und 1 144 859 Mitzeichnungen." (Eine Linkliste mit den Jahresberichten findet sich u.a. in der Wikipedia).
Und so lässt sich die Frage, warum der Bundestag öffentlich verfügbare Angaben zu öffentlich gestellten Petitionen unkenntlich machte, wohl am wahrscheinlichsten damit beantworten, dass ein Mitarbeiter des Wissenschaftlichen Dienstes etwas übermotiviert zu Werke gegangen ist.
Auf der Seite sehrgutachten.de unserer Partner von FragDenStaat.de können Sie alle derzeit öffentlich verfügbaren Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes einsehen, durchsuchen und herunterladen.
Mitarbeit: Marthe Ruddat
Kommentare
In eigener Sache: Warum Abgeordnetenwatch die Kommentar-Funktion abgeschaltet hat
Peter Thompson am 06.04.2016 um 16:47 Uhr
PermalinkSaublöd - diese Schwärzung!
Je länger der Balken, um so größer die Zahl, ich schätze mal zwischen 5 Stellen (max 99.999) und 12 Stellen (über 100 Milliarden Seitenaufrufe?!!)
Mariana am 06.04.2016 um 18:01 Uhr
PermalinkVielmehr darf davon ausgegangen werden, dass die vermeintliche Elite die Deutschen für blöd halten. Dafür spricht das gesamte Vorgehen dieses Einheitsbreis, dass sich Regierung nennt. Es ist tatsächlich jedoch ein Regime. Die Bevölkerung merkt das Gott sei Dank auch immer mehr.
PS. Würden in dieser "Regierung" Experten sitzen, die wenigstens eine Ausbildung hätten, könnte viel viel Geld für "Gutachten", die vor dem Volk auch noch verheimlicht werden sollen, gespart werden. Was in Berlin läuft, kann nur noch als Verschwörung gegen das Volk bezeichnet werden.
Helmut Probst am 07.04.2016 um 11:26 Uhr
Antwort auf von Mariana
PermalinkGanz meiner Meinung.
Elisabeth Schwabe am 10.04.2016 um 15:47 Uhr
Antwort auf von Mariana
PermalinkGenau so denke ich auch!
Verschwörung!
Mafia,
Diktatur!
Elisabeth Schwabe am 10.04.2016 um 15:47 Uhr
Antwort auf von Mariana
PermalinkGenau so denke ich auch!
Verschwörung!
Mafia,
Diktatur!
Wilfried Bader am 10.04.2016 um 17:30 Uhr
Antwort auf von Mariana
Permalink@Mariana
Klare Worte, genau auf den Punkt gebracht.
,,Was in Berlin läuft, kann nur noch als Verschwörung gegen das Volk bezeichnet werden.,,
Wer von unseren Politiker bzw. Regierung etwas anderes glaubt, kann nur sehr naiv oder uninteressiert sein!
Detlef Bautz-Emmerich am 06.04.2016 um 19:24 Uhr
PermalinkModerne Formen von bezahlter Beschäftigungstherapie... Und wie bezahlen diesen Schwachsinn... Eigentlich sollten die sich nur noch schämen...
Antje am 06.04.2016 um 23:56 Uhr
PermalinkJe berechtigter eine Petition ist und eine Korrektur, durch eklatante von der Politik erzeugte Ungerechtigkeiten, einfordert, je mehr wird schon im Vorfeld vom Petitiosauschussdienst dem Petenten Steine in den Weg gelegt.
Petitionen werden von den Ausschussmitgliedern im Paket abgelehnt, nach Vorgaben der Beamten.
Nur wenige Petitionen werden freigeschaltet.
Mein Eindruck ist, dass das mir vom Grundgesetz eingeräumte Recht auf eine Petition aus Gründen, über die man mich im Unklaren lässt, ausgehebelt wurde. Sehr zu denken gibt mir die Aussage des FDP-Politikers und damaligen Ausschussmitgliedes Thomae auf der Expertentagung “Öffentliche Petitionen und Volksinitiative” der Hanns-Seidel-Stiftung in Kooperation mit Mehr Demokratie e.V. (am 16.11.2010 in München), der darstellte, "dass nicht zu erwarten ist, dass diejenigen, welche als Parlamentarier zuvor Gesetzen zugestimmt haben, nunmehr in Ihrer Funktion als Mitglieder der Fachausschüsse oder des Petitionsausschusses sich selbst anklagen oder korrigieren werden. Das müsse man ganz realistisch sehen."
Demnach dürften Politiker, die einem Gesetz zugestimmt haben, dazu im Petitionsausschuss nicht abstimmen.
Der Artikel 17 im Grundgesetz ist von Politik und Bürokratie ad absurdum geführt.
Hans Dietrich am 10.04.2016 um 16:19 Uhr
Antwort auf von Antje
Permalink@ Antje: "Je berechtigter eine Petition ist und eine Korrektur, durch eklatante von der Politik erzeugte Ungerechtigkeiten, eingefordert, je mehr wird schon im Vorfeld vom Petitionsausschussdienst dem Petenten Steine in den Weg gelegt."
Herr Vietz, MdB, hatte sich am 04.03.2016 als CDU-Mitglied im aktuellen Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages zu den Petitionen auf privaten Onlineportalen in der Frankfurter Rundschau u.a. wie folgt geäußert:
"Für eine Bearbeitung z.B. durch den Bundestag müssen auch diese auf den ganz normalen Weg als Petition an diesen weitergereicht und ins Verfahren gebracht werden. Dann doch lieber gleich direkt!"
Daraufhin hatte ich in meinem am 08.03.2016 in der FR abgedruckten Leserbrief nachfolgend geantwortet:
"Bei der direkten Form besteht jedoch das Problem, dass der Petitionsausschuss/Ausschussdienst darüber entscheidet, ob eine Petition als E-Petition zugelassen wird oder nicht. Damit wird bei Nichtzulassung die Unterstützung von anderen quasi verhindert. Dieses Schicksal ereilte z.B. im Jahr 2010 die Petition "Verjährungsaussetzung bei Amtsdelikten" des damaligen Vorsitzenden des Whistleblower-Netzwerks. Hatte man vielleicht Angst vor einer großen Beteiligung?"
Leider hatte die FR, wohl aus Platzmangel, meinen Schlussabsatz nicht mehr mit veröffentlicht. In ihm hatte ich auf die selbst erlebte Veralberung durch den Ausschussdienst und Petitionsausschuss wie nachstehend hingewiesen:
"Und wer glaubt, dass alle eingereichten Petitionen beim Deutschen Bundestag rechtsstaatlich behandelt werden, der irrt.
So wurde nicht die von meiner Frau und mir eingereichte Petition/Beschwerde bearbeitet, sondern es wurde ein zu keiner Zeit als Petition deklarierter und in offener Form verfasster Brief an den Bundestagspräsidenten, der dem Petitionsausschuss widersinnig zugeleitet worden war, beschieden. Beschwert hatten wir uns beim Ausschuss über die Untätigkeit des Bundesjustizministeriums, das Straftaten eines ihm untergeordneten Amtes nicht nachgeht. Dokumentiert ist das auf unserer Homepage unter "aktuelles" ."
Als Beleg hatte ich die Adresse unserer Homepage, auf der meine Frau und ich den Vorgang zuletzt am 02.07.2015 unter "aktuelles" und der Überschrift "Die Lüge" dokumentiert hatten, angegeben. Dass die nicht mit abgedruckt wurde, das ist nachvollziehbar. Mit meinem Namen und dem Begriff "Petentenveralberung" kann man sie jedoch erfahren.
valtental am 10.04.2016 um 12:10 Uhr
Permalink"Und so lässt sich die Frage, warum der Bundestag öffentlich verfügbare Angaben zu öffentlich gestellten Petitionen unkenntlich machte, wohl am wahrscheinlichsten damit beantworten, dass ein Mitarbeiter des Wissenschaftlichen Dienstes etwas übermotiviert zu Werke gegangen ist."
Und genau diese Verhaltensweise scheint bis hinab zur kommunalen Ebene trotz vielerorts bestehender Informationsfreiheitsgesetze noch vorzuherrschen. Beamte haben aufgrund der immer noch präsenten Vorstellung von Amtsgeheimnis einfach zu viel Angst von ihren Vorgesetzten einen "Anschiss" zu riskieren, falls sie eine Zahl oder ein Dokument zuviel rausgeben. Von Seiten der bearbeitenden Beamten ist es daher sicher kein Vorsatz, sondern reiner Selbstschutz, was man von leitenden Beamten nicht unbedingt sagen kann, obwohl natürlich auch die wieder politischem Opportunismus unterliegen. Dieses Sicherheitsdenken der Beamten wird sich erst ändern, wenn sich allgemein die Ansicht durchsetzt, dass das Verheimlichen i.S. eines Amtsgeheimnisses zum "Anschiss" führen kann, und Transparenz dagegen in keinem Fall ein Risiko darstellt.
peter am 11.04.2016 um 10:00 Uhr
PermalinkDieser elitäre Klüngel hängt mir zum Halse 'raus. Das sind echt mafiöse Strukturen.