Portrait von Wolfgang Schäuble
Wolfgang Schäuble
CDU
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Wolfgang Schäuble zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Wido G. •

Frage an Wolfgang Schäuble von Wido G. bezüglich Recht

Sehr geehrter Herr Bundesminister Dr. Schäuble,

mit Interesse habe ich das Interview gelesen, dass die TAZ mit Ihnen führte.

Leider konnte ich nicht erkennen, dass Sie mit der Angst der Bürger, vor einem weiteren Überwachungsstaat auf deutschem Boden nicht sensibel genug eingehen.

Deshalb hier gezielt meine Frage, vielleicht schaffen Sie es ja, mich zu beruhigen:

Wenn die ganze Datensammelwut des Staates _einzig_ der Terrorismusbekämpfung dient, warum wird es dann gesetzlich nicht verhindert, dass bei _allen anderen_ Fällen, bzgw. allen Fällen, bei denen es nicht um ein sogenanntes höheres Gut geht, auf diese Daten zurückgegriffen wird?

Ich könnte mir vorstellen, dass die unberechtigte Herausgabe bzw. die unberechtige Anforderung dieser Daten mit Strafe geahndet wird?

Beispielfall:

Ein Bürger mit Internetflatrate und dynamischer IP-Adresszuweisung, begeht im Internet ein Bagatelldelikt. Sie werden mir Zustimmen, dass Urheberrechtsverletzungen nicht einmal ansatzweise mit einem Terroranschlag zu vergleichen sind.

Laut Urteil vom AG Darmstadt (Urteil vom 30.06.2005, AZ.: 300 C 397/04), bestätigt vom Landgericht Darmstadt, dürfen Provider Verbindungsdaten bei Flatrates nicht speichern.

Nach der TKÜV gehört die IP Adresse zu den Verbindungsdaten und wird, wie wir von Ihnen wissen, zur Terrorabwehr gebraucht.

Laut Bundesverfassungsgericht darf derzeit auf die Daten aus der TKÜV nur zugegriffen werden, wenn höheres Gut verletzt wird, bzw. verletzt werden soll.

Trotzdem bekommen die Abmahnkanzleien der Musikindustrie von den Staatsanwälten ständig Adressen, die sie nie bekommen dürften.

Soviel zum Thema, dass die Hürde einer richterlichen Anordnung reicht, unsere Daten, die _nur_ für die Terrorabwehr gespeichert wurden vor Bagatellfällen zu schützen.

Und da wundern Sie sich, dass die Bürger Ihre Datensammlungen mit denen der Stasi vergleicht?

Über eine Antwort würde ich mich freuen und verbleibe,
mit freundlichen Grüßen

Wido Günther

Portrait von Wolfgang Schäuble
Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Günther,

das Gesetz zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen, welches federführend nicht in meinem Ministerium sondern im Bundesministerium der Justiz erarbeitet wurde, enthält u.a. Regelungen zur sog. Vorratsdatenspeicherung. Es setzt damit die Vorgaben einer EU-Richtlinie um und ist seit dem 1. Januar 2008 in Kraft. In der Sache geht es darum, sicherzustellen, dass die Verbindungsdaten, die bei der Nutzung von Telekommunikationsdiensten entstehen, für einen bestimmten Zeitraum für Zwecke der Sicherheitsbehörden zur Verfügung stehen. Die Speicherung des jeweiligen Kommunikationsinhalts ist also nicht Gegenstand der Regelung.

§ 113a des Telekommunikationsgesetzes (TKG) regelt die Speicherungspflicht für Daten. Anbieter von Telekommunikationsdiensten werden verpflichtet, bestimmte Verkehrs- und Standortdaten, die bei der Nutzung von Telefon, Handy, E-Mail und Internet anfallen, für einen Zeitraum von sechs Monaten zu speichern. Nach § 150 Abs. 12b Satz 2 TKG gilt dies ab dem 1. Januar 2009 auch für Anbieter von Internetzugangsdiensten, Diensten der elektronischen Post oder Internettelefondiensten und damit auch für die von Ihnen angesprochene Internetprotokoll-Adresse (IP-Adresse). § 113b TKG beschränkt schon heute, wie von Ihnen gefordert, die Verwendung der gespeicherten Daten. Zugelassen ist eine Verwendung allein zu Zwecken der Verfolgung von Straftaten, der Abwehr erheblicher Gefahren für die öffentliche Sicherheit und der Erfüllung nachrichtendienstlicher Aufgaben. Für alle anderen Fälle ist eine Verwendung der "auf Vorrat gespeicherten" Daten gesetzlich untersagt.

Auskünfte sind nach § 100g der Strafprozeßordnung (StPO) im Fall einer Straftat von erheblicher Bedeutung, insbesondere einer der in § 100a StPO genannten Straftaten, oder einer Straftat, die mittels Telekommunikation begangen wurde, möglich. Auch nach einer einstweiligen Anordnung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 19. März 2008 haben Anbieter von Telekommunikationsdiensten bestimmte Verkehrsdaten zu erheben und für die Dauer von sechs Monaten zu speichern. Sie sind jedoch nur dann an die Strafverfolgungsbehörde zu übermitteln, wenn Gegenstand des Ermittlungsverfahrens eine schwere Straftat im Sinne des § 100a Abs. 2 StPO ist, die auch im Einzelfall schwer wiegt, der Verdacht durch bestimmte Tatsachen begründet ist und die Erforschung des Sachverhalts auf andere Weise wesentlich erschwert oder aussichtslos wäre. In den übrigen Fällen ist von einer Übermittlung der Daten einstweilen abzusehen.

Über eine von Ihnen beschriebene Praxis der Staatsanwaltschaften, wonach diese Adressen an Rechtsvertreter der Musikindustrie weiter geben sollen, liegen mir keine näheren Informationen vor. Dies liegt daran, dass solche Vorgehensweisen nicht in den Aufgaben- und Verantwortungsbereich meines Ministeriums fallen und also auch mit Terrorismusabwehr und den dafür geltenden gesetzlichen Ermächtigungsgrundlagen nichts zu tun haben. Wenn Sie hierzu mehr erfahren möchten, schlage ich vor, dass Sie sich an die Landesjustizverwaltungen der Sie besonders interessierenden Bundesländer oder das Bundesministerium der Justiz wenden, welches ja auch für die Vorratsdatenspeicherung zuständig ist.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Wolfgang Schäuble