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Wolfgang Gerhardt
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Frage von Lutz A. •

Frage an Wolfgang Gerhardt von Lutz A. bezüglich Finanzen

Sehr geehrter Herr Dr. Gerhardt,

Wäre jetzt nicht genau der richtige Zeitpunkt für das Bürgergeld 50+ ??? und so Milliarden von Euros bei den Kommunalen Arbeitsvermittlungen einzusparen???
Ich bin über 50 Jahre alt und nehme z. Zt an einer "Maßnahme" teil.
Da bekommen Leute Geld dafür, dass sie mir sagen, wie ich im Internet nach offenen Stellen suchen muss. Bin ich zu dumm dazu?
 Falls ich eine Stelle bekommen sollte, kassieren diese Leute "Kopfgeld". Dafür, dass ich mich beworben habe?  
Haben Sie sich schon mal mit Harz IV-Empfängern über ihre Erfahrungen mit den Leistungsabteilungen unterhalten? Ich glaube nicht!
Die vielen tausende Gerichtsurteile gegen die Entscheidungen der Leistungsabteilungen sind doch Zeugnis genug für deren Arbeitsweise.
Bürgergeld für Jüngere halte ich für unklug. Es könnte sich eine gewisse Trägheit bzw. Arbeitsunlust entwickeln.
Aber für alle über 50, die auf dem Arbeitsmarkt so gut wie keine Chance mehr haben, würde das Bürgergeld 50+ dem Staat helfen Milliarden einzusparen.
Wie gesagt - jetzt wäre ein guter Zeitpunkt, endlich mal ganze Sachen zu machen anstelle von Geflicke.

Mit freundlichen Grüßen
L. Albrecht

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Albrecht,

vielen Dank für Ihre Frage zum Thema „Bürgergeld“!

Ihre Frage betrifft einen Kernbereich der aktuellen Politik. Bei allem Verständnis für den Ärger, den Sie über die Arbeitsvermittlungsagenturen äußern, würde ich bei der Problemlösung an anderer Stelle ansetzen: Sozialstaat kann nicht nur heißen, dass Geld verteilt wird. Für soziale Gerechtigkeit ist entscheidend, dass man Menschen in die Lage versetzt, sich selbst zu helfen. Mein Eindruck ist, dass die Menschen wirklich vermuten, dass wir in der Politik zu lange nur über die geredet haben, die Empfänger sind, und zu wenig denen unseren Respekt gegeben haben, die auch erwirtschaften. Das Ganze in ein Gleichgewicht zu bringen und unter Solidarität wieder Geben und Nehmen zu verstehen, und zwar auch von denen, die empfangen, und eigene Anstrengungsbereitschaft, das würde Sinn machen, wenn wir die Debatte in gutem Stil führen.

Eine Komponente ist dabei die Einführung eines Bürgergeldes für alle. Die FDP will Hartz IV durch ein leistungsfreundlicheres und arbeitsplatzschaffendes Bürgergeld ersetzen, das nicht nur leistungsgerecht ist, sondern auch bedarfsorientiert. Hieran anknüpfend schafft das liberale Bürgergeld ein für die Bürger transparentes System staatlicher Sozialleistungen, indem es die materiellen Lebensgrundlagen aller Bürger sichert, die über kein ausreichendes Erwerbseinkommen verfügen. Es soll stärker als heute die Aufnahme eigener Erwerbstätigkeit belohnen und dabei möglichst weitgehend auf bürokratischen Aufwand verzichten. Dazu werden die Leistungen für die Bedürftigen zusammengefasst und pauschaliert und nur noch von einer einzigen Behörde abgewickelt. Das Bürgergeld kombiniert möglichst viele Sozialleistungen in einen Universaltransfer, namentlich das ALG II, das Sozialgeld, die Grundsicherung, das Wohngeld, aber auch das Kindergeld und das BAföG. Diese Transferzahlungen werden mit der Einkommensbesteuerung zu einem Steuer-Transfersystem aus einem Guss verbunden.

Komponente zwei ist die Schaffung von Arbeitsplätzen. Durch die Reform der Einkommensbesteuerung und die Neuregelung des Transfersystems werden 1,2 Millionen neue Arbeitsplätze angeboten. Infolge der großzügigeren Freibeträge bei der Einkommensanrechnung lohnt sich eine Arbeitsaufnahme für die Transferempfänger, so dass mehr Arbeit angeboten wird. Das selbstverdiente Einkommen wird durch das Bürgergeld ergänzt und ermöglicht so einen Lebensstandard, der den heutiger Hartz-IV-Empfänger deutlich übersteigt. Parallel dazu wird von Seiten der Arbeitgeber mehr Arbeit nachgefragt, da wieder mehr Menschen bereit sind, auch zu geringeren Löhnen zu arbeiten. Folglich entstehen vor allem Arbeitsplätze für Geringqualifizierte. Die zusätzlichen Arbeitsplätze bieten nicht nur Arbeitslosen neue Arbeit, sondern sie entlasten auch den Staatshaushalt: 5,5 Milliarden Euro werden allein durch die Einkommensteuer zusätzlich eingenommen. Und aufgrund dieser zusätzlichen Einnahmen finanziert sich das liberale Bürgergeld von selbst. Darüber hinaus sind durch die Entlastung der Haushalte durch die Einkommensteuersenkungen weitere Effekte zu erwarten. Die Bürger werden einen Teil ihres gestiegenen Nettoeinkommens für zusätzlichen Konsum verwenden. Dieser bringt, z. B. durch die Mehrwertsteuer, zusätzliche Steuereinnahmen mit sich. Steuersenkungen und das liberale Bürgergeld sind ein dringend notwendiger Schritt hin zu einer grundsätzlichen Systemveränderung.

Ich halte diesen Ansatz für deutlich besser geeignet, Menschen über 50 Jahren nicht mit Transferleistungen „abzuspeisen“, sondern ihnen den Weg in ein angemessenes Arbeitsleben offen zu halten.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Wolfgang Gerhardt MdB