Portrait von Thomas Sattelberger
Thomas Sattelberger
FDP
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Thomas Sattelberger zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Anton V. •

Frage an Thomas Sattelberger von Anton V. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Sattelberger,

Hunderttausende Bürgerinnen und Bürger haben seit 2014 ihre Bedenken gegen die undemokratischen Schiedsgerichts- und Kontrollratsmechanismen der Freihandelsabkommen TTiP, TiSA und CETA demonstriert, ebenso groß sind die Widerstände gegen das vereinbarte Freihandelsabkommen JEFTA der EU mit Japan. Unsere, auch meine Bedenken richten sich in keiner Weise gegen die Idee des Freihandels an sich, auch nicht gegen die Nationen der zukünftigen Handelspartner, wie allen Ernstes in manchem Pressebericht verlautet wurde. Die Befürchtung ist, dass demokratische Mechanismen, geltendes Länderrecht, Umwelt-, Arbeitnehmer- und Verbraucherschutz untergraben werden - durch einen internationalen Handelsgerichtshof ebenso wie durch private Schiedsgerichte, welche die EU und Japan in JEFTA offensichtlich wieder verankern wollen.

Wie stehen Sie zum jetzigen Verhandlungsstand von CETA und den anderen erwähnten Handelsabkommen? Sollte diese neoliberale Handelspolitik nicht dringend überholt werden, wozu auch eine grundlegende Neuverhandlung von CETA und JEFTA gehört?

Ich freue mich auf Ihre Antwort und verbleibe mit freundlichen Grüßen Ihr

Dr. A. V.

Portrait von Thomas Sattelberger
Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Vogel,

haben Sie vielen Dank für Ihre Anfrage vom 03. August 2017.

Vorab möchte ich darauf eingehen, dass ich über Intransparenz des TTIP-Verfahrens teilweise sehr konsterniert war. Die EU-Kommission,aber auch die nationalen Regierungen haben durch ihr undurchsichtiges Verhalten Misstrauen und Skepsis geschürt, die dann in den entsprechenden Widerständen und Protesten gemündet sind.

Wie Sie auch bin ich Befürworter des Freihandels. Wie Sie teile ich die Auffassung, dass geltende Gesetze (Umwelt-, Arbeitnehmer-, Verbraucherschutzgesetze) nicht ausgehebelt werden dürfen.

Allerdings muss die Frage von Schiedsgerichten und Handelsgerichtshöfen detailliert betrachtet werden. Hier wurde in der öffentlichen Berichterstattung oft mit Halb- und Unwahrheiten gearbeitet.

Schiedsgerichtsverfahren sind auch in bilateralen Verträgen von Deutschland und anderen Staaten verankert. Es ist ein anerkanntes und bewährtes Verfahren. Deutschland hat mit mehr als 130 Ländern sogenannte Investitions(schutz)abkommen geschlossen. Dabei handelt es sich keineswegs nur um Entwicklungs- und Schwellenländern, wie das gerne von einigen politischen Vertretern behauptet wird. Deutschland hat auch Investitionsschutzabkommen mit einigen EU-Mitgliedsländern, wie zum Beispiel Kroatien, den baltischen Staaten, Malta, Portugal, Ungarn und einigen weiteren mehr. Es ist zwar richtig, dass die Verträge vor einem EU-Beitritt unterschrieben wurden, aber die Möglichkeit einer Kündigung wurde von beiden Seiten zumindest bisher nicht vorgenommen.

In dem Vertrag mit Lettland heißt es dazu bspw. in Art. 10 Abs. 3:

> „(3) Das Schiedsgericht wird von Fall zu Fall gebildet, indem jede
> Vertragspartei ein Mitglied bestellt und beide Mitglieder sich auf den
> Angehörigen eines dritten Staates als Obmann einigen, der von den
> Regierungen der beiden Vertragsparteien zu bestellen ist. Die
> Mitglieder sind innerhalb von zwei Monaten, der Obmann innerhalb von
> drei Monaten zu bestellen, nachdem die eine Vertragspartei der anderen
> mitgeteilt hat, daß sie die Meinungsverschiedenheit einem
> Schiedsgericht unterbreiten will.“

> Die Abkommen mit den anderen Ländern haben den gleichen Wortlaut.

> Dass viele Staaten (USA, Kanada, etc.) häufig auf Schiedsgerichten
> bestehen, ist vor dem Hintergrund der Entwicklungen in Ungarn und
> Polen, die in jüngeren Vergangenheit immer wieder willkürlich
> ausländische Investoren benachteiligt haben, nachvollziehen.

> Wer Investoren nicht schützt, läuft damit Gefahr, dass (
> beispielsweise deutsches) Geld anschließend im Heimatland fehlt
> ;Investitionen deshalb zurückgestellt werden müssen, die
> Wettbewerbsfähigkeit geschwächt und neue Arbeitsplätze nicht entstehen
> respektive abgebaut werden müssen.

> Die Aushebelung von Arbeitnehmerrechten gibt es noch nicht einmal in
> dem einheitlichen EU-Binnenmarkt. Wie also soll dies durch ein
> Freihandelsabkommen kommen? Der Binnenmarkt hat weder verhindert, dass
> Frankreich eine Erhöhung des Mindestlohns beschließt noch das Italien
> seien Arbeitsmarkt zubetoniert hat.

> Schiedsgerichte haben den Vorteil, dass sie ohne Medienrummel und
> unter absoluter Diskretion zu schnellen Verfahren und Urteilen kommen.
> Dies ist insbesondere in den süd- und osteuropäischen Ländern von
> Relevanz. Verfahren in Italien ziehen sich häufig über mehrere Jahre.
> Daher sind immer mehr Unternehmen (gerade auch KMU) bereit, ihre
> Streitereien vor Schiedsgerichten zu lösen.

> Als Richter wählen die Parteien gemeinsam und übereinstimmend meistens
> international erfahrene Praktiker, renommiert auf dem jeweils
> relevanten Fachgebiet. - Ich bitte daher den Punkt von
> Schiedsgerichtsverfahren und Gerichtshöfen detailliert zu prüfen.
> Soweit diese wie in den deutschen Investitionsschutzabkommen verankert
> sind, sehe ich eine Verteufelung des Instruments als unangemessen an.

Ich hoffe, Ihnen mit meinen Antworten weitergeholfen zu haben.
Mit freundlichen Grüßen