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Thomas Göttgens
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Frage von Stefan K. •

Frage an Thomas Göttgens von Stefan K. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie

Hallo Thomas.

Da Du als Kandidat in meinem Wahlkreis antrittst, habe ich Fragen, zu denen ich gerne zusätzlich zum mir bekannten Wahlprogramm Deine persönliche Meinung wissen möchte:

a) Kostenloser ÖPNV, die Idee finde ich begrüssenswert, würde hier jedoch gerne ein Finanzierungskonzept skizziert sehen.

b) Reform des Urheberrechts, in Gesprächen mit u.a. Buchhändlern spüre ich hier große Ängste. Es wird befürchtet, daß diesen die Existenzgrundlage entzogen wird. Wie kannst Du diese Ängste zerstreuen?

c) Patentreform, Wie kannst du als selbständiger IT Fachmann gegen Patente sein? Steht dies nicht im Widerspruch?

d) Von den großen Parteien wird vor einer Wahl das Thema PKW Maut tabuisiert. Ich halte dies für feige und unehrlich. Da ich sicher bin, daß es über kurz oder lang zu dieser Maut kommt, würde ich gerne wissen, wie Du den Datenschutz und die Privatsphäre der Autofahrer sicherstellen willst, wenn die Maut eingeführt wird?

e) Final interessiert mich wie Du die Euregio und insbesondere Herzogenrath in wirtschaftlicher und touristischer Weise fördern willst?

Ich freue mich schon jetzt auf Deine Antworten.

Gruß
Stefan

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Antwort von
PIRATEN

Hallo Stefan,

danke für Deine Fragen. Da du unser Wahlprogramm ja scheinbar schon gelesen hast, hier ein paar Gedanken von mir persönlich zu den von Dir angesprochenen Themen:

a) Kostenloser öffentlicher Personennahverkehr (ÖPNV)

Der kostenlose ÖPNV ist keine generelle Forderung in unserem Wahlprogramm, sondern soll erst einmal in einem Feldversuch auf Machbarkeit überprüft werden. Dazu eignet sich besonders ein kleinerer Verkehrsverbund in Insellage. Das Konzept dieses Feldversuches basiert auf den Erfahrungen, die die belgische Stadt Hasselt mit einem ähnlichen Projekt gemacht hat. Hier konnte man Gelder aus Einsparungen von Fahrschein-Kontrollen, Druckkosten, Automaten-Anschaffung und Wartung freistellen. Die Verkehrsentlastung führte zum Rückbau stark befahrener Straßen. Die Luft- und Lebensqualität in der Stadt wurde verbessert, gleichzeitig konnten die Unterhaltskosten für den Straßenbau erheblich reduziert werden. Wer dennoch mit dem PKW in die Stadt fährt, finanziert über die erhöhten Parkgebühren den ÖPNV mit. Noch heute nehmen die Auslastung der Busse sowie das Fahrgastaufkommen stetig zu.

Das Konzept in Hasselt ist nicht direkt mit der Situation in Deutschland zu vergleichen. Hierzulande wird der ÖPNV beinahe überall bezuschusst. Selbst die Fahrschein-Preisgestaltung ist eine Mischkalkulation zwischen Individual-Fahrscheinen und Zeitkarten. Wenn ohnehin Zuschüsse von den Kommunen gewährt werden müssen, kann sich dieses Konzept unter Einbeziehung der oben schon erwähnten Einsparpotentiale rechnen. Hier ist weniger ein Umdenken in finanzieller Hinsicht nötig, sondern im Hinblick auf die Umgestaltung der Verträge und der Kostenbeteiligung zwischen den Kommunen, dem Verkehrsverbund und den Unternehmen, die die Verkehrsleistungen erbringen.

Und das Ganze noch mal im Klartext am Beispiel von Aachen: Wenn Aseag, Connex, DB und die anderen mitspielen (bzw. deren Aktionäre), und die Stadt Mittel aus dem Projekt zur Luftreinheit und der Stadtteilerneuerung umlenkt, kostet kostenloser ÖPNV auch nicht mehr als das Busnetz bisher gekostet hat. Wenn man andere positive Nebenaspekte, wie die Verlagerung des Individualverkehrs oder der Verbesserung der Luft- und Lebensqualität in der Innenstadt betrachtet, können wir Bürger doppelt von einem kostenlosen ÖPNV profitieren.

b) Reform des Urheberrechts

"Buchhändler haben sich bisher recht gut halten können, auch durch die Buchpreisbindung.". Diese Behauptung steht im Raum, lässt sich aber so bei näherer Betrachtung nicht halten. Der ´kleine Buchhändler um die Ecke´ wird schon längst von den großen Buchhandelsketten verdrängt. Die Großen umgehen die Preisbindung durch (erpresste) Provisions- und Staffelverträge mit den Verlagen - und das ganze ohne Novelle des Urheberrechtes. Aber gerade in der Novelle liegt eine Chance für kleinere Buchhändler, sich mit neuen Geschäftsmodellen gegen die Übermacht der Ketten positionieren zu können. Denn ein Buch lebt vom Inhalt UND von der Form. Selbst wenn der Inhalt unter einer Creative-Lizenz steht und somit theoretisch jeder das Buch selbst ausdrucken könnte, wird kaum jemand ein 800 Seiten umfassendes Werk auf dem heimischen Drucker ausdrucken. Schon jetzt stehen Werke, bei denen das Copyright abgelaufen ist, digitalisiert zur Verfügung, so dass theoretisch von diesen keine einzige Ausgabe mehr verkauft werden dürfte. Und doch floriert das Geschäft mit den Klassikern.

E-Book-Reader sind dabei nur ein Mittel, die Form transportabel zu machen. Aber, nicht für jeden erschließt sich die Handhabung - von Nachteilen, wie die schlechte Lesbarkeit des Displays, die Abhängigkeit von einem Akku und den hohen Anschaffungskosten ganz abgesehen. Ich sehe hier die neue Daseinsberechtigung des Buchhändlers, wo ich eine schön gebundene Papierversion des Buches, das ich online (an-)gelesen habe, erstehen kann, entweder auf Lager oder gedruckt ´on demand´. Selbst technische Bücher lesen sich als Buch auf der Couch besser als am Bildschirm. Im Zeitungswesen ist es sogar schon heute üblich, mit dem Kaufpreis nur die Druckkosten zu zahlen. Die durch Redakteure verfassten Inhalte werden durch die enthaltene Werbung finanziert. Beim Buch sehe ich ähnliche Tendenzen: Der Autor muss sich um seine Refinanzierung kümmern und der Leser bezahlt die Druckkosten oder nimmt die Unannehmlichkeiten einer Digitalversion auf sich.

c) Patentrechtsreform

Patente und insbesondere Software-Patente unterliegen in den letzten Jahren einem gewaltigen Wildwuchs. Einerseits werden Patente erteilt, die nach europäischem Recht gar nicht hätten erteilt werden dürfen, andererseits gibt es eine wachsende Zahl von Trivial-Patenten, die Vorgänge beschreiben, die seit Jahren Stand der Technik sind oder nicht die nötige Schöpfungshöhe für ein Patent erreichen. Speziell im Software-Bereich sind diese Patente oft so kleinteilig und fragmentiert, dass für jede nicht-triviale Software, die wir heute entwickeln, theoretisch tausende Patentrecherchen erforderlich sind. Dies ist logistisch weder umsetzbar noch finanzierbar. Patente zementieren hier nur den Anspruch von Großunternehmen gegenüber der kleinen Entwicklerschmiede, indem sie dafür sorgen, dass man sich mit der Veröffentlichung pauschal der Gefahr von Patentprozessen aussetzt. In diesem Klima kann man nur schwer überhaupt profitabel arbeiten.

Ziel soll nicht sein, das Patentwesen abzuschaffen, sondern zu modernisieren. Patente haben weiter ihre Berechtigung, wenn sie wirklich etwas Neues, Substantielles schützen, und in der konkreten Anwendung der Großteil der ´Erfindung´ wirklich neu ist. Ein einzelnes Zahnrad in einem Auto, das anders ist als bisher, ist meiner Meinung nach im Kontext des Gesamtsystems ´Auto´ nicht patentierbar, eine neue Motorentechnik schon.

d) Maut für alle

Die PKW-Maut wird kommen, da bin ich mit Dir einer Meinung. Sie darf aber keinesfalls wie das bestehende LKW-Mautsystem ausgestattet sein, mit On-Board-Unit (OBU) und Positionserfassung. Das würde unweigerlich den gläsernen Autofahrer bedeuten. Eine allgemeine KFZ-Besteuerung oder Maut nach gefahrenen Kilometern würde sich z.B. auch durch ein simples regelmäßiges Auslesen des Tachos beim TÜV-Termin erledigen lassen. Selbst die Klassifizierung nach unterschiedlichen Straßentypen und Uhrzeiten würde sich durch ‘On-Board-Kartendaten‘ realisieren lassen, so dass bei der Datenübermittlung später nur allgemeine Daten wie ´300km Autobahn, 460km Landstraße, 20km Stadt´ erfasst werden müssen. Dies würde dem Datenschutz Genüge tun. Hier muss -wie auch in allen anderen Bereichen- der Grundsatz der Datensparsamkeit gelten, denn nur nicht erhobene Daten sind vor Missbrauch sicher. Nur absolut nötige Daten dürfen erhoben werden und auch nur so lange wie unbedingt nötig gespeichert werden.

e) Wirtschafts- und Tourismusförderung in der Euregio

Das ist jetzt eher ein kommunales Thema, jedoch denke ich mir, dass gerade die Euregio auf engstem Raum eine menschliche Vielfalt, eine bunte Geschichte und eine lebendige Kultur bietet. Dies erlaubt dem Besucher, auf kleinstem Raum beispielsweise in die frankophone Einflusssphäre zu schnuppern, seine Fühler Richtung Niederlade auszustrecken oder Eifel und hohes Venn zu erkunden, sich über die Geschichte des Bergbaus zu informieren oder die zahllosen Museen sowie Industrie- und Baudenkmäler zu besuchen. Aber auch Gewerbetreibende, die sich hier ansiedeln wollen, profitieren insbesondere von der Grenznähe und können sich in den Business Parks der Region (z.B. Avantis oder Eurode Business Center) das für sie Beste von zwei Ländern aussuchen. Das ist das Besondere der Euregio und auch von Herzogenrath, zusammen mit seinem Partner Kerkrade, wo das Zusammenleben und "zusammen funktionieren" unterschiedlichster Traditionen an gleicher Stelle demonstriert wird. Und dieser Faktor muss im Marketing und in der Positionierung betont werden, sowohl im Tourismus als auch in der Wirtschaftsförderung, weil er sich wie ein roter Faden durch Geschichte und Gegenwart zieht. Die Euregio ist im Wandel von der Industrie- zur Technologiegesellschaft mit weitem Vorsprung vorangeprescht und muss diese Stellung jetzt weiter ausbauen, gezielt durch Ansiedlung und Gründungen von Unternehmen die ´neue Technologien´ entwickeln und produzieren. Alte Industriebrachen müssen hierzu jedoch saniert und einer neuen Nutzung zugeführt werden, um die Attraktivität des Umfeldes zu steigern. Dabei kann durchaus der Charme der alten Gebäude erhalten werden, weil sie zur Identität der Gegend gehören.