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Steffen Reiche
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Frage von Michael B. •

Frage an Steffen Reiche von Michael B. bezüglich Umwelt

Sehr geehrter Herr Reiche,

was halten Sie vom CCS-Gesetz? Wie werden Sie abstimmen?

Ich stelle Ihnen diese Frage im Hinblick auf die Lausitz.

Dort soll weiterhin Kohle abgebaggert werden - mit der Begründung, dass durch die Verpressung von CO2 ein Beitrag für die "umweltfreundlichere" Energieerzeugung geleistet würde. Ich stehe hinter den Bedenken, die dazu bereits von Greenpeace und dem BUND geäußert wurden. Besonders beunruhigt mich der um ca. 40 steigende Verbrauch von Braunkohle um die Abscheidetechnik zu vollziehen.

Warum baut man nicht gleich in China ein Kraftwerk, welches eine CCS-Technologie erprobt? Ständig wird mit dem Bedarf im Ausland argumentiert.

Die CO2-Verpressung aus der Stahlindustrie scheint mir eher nachvollziehbar. Doch woher auch immer das Gas kommt, was unter unseren Böden gelagert werden soll:

Warum sollen künftige Generationen haften? Warum wird den Firmen nicht ein Sicherheitspaket auferlegt, z.B. in der Form, dass sie eine Kaution hinterlegen müssen, falls nach 30 Jahren Störfälle auftreten.

CCS + Kohleverstromung --> Ist das für Sie eine sinnvolle Kombination?

Mit freundlichen Grüßen

M.Bolz

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Sehr geehrter Herr Bolz,

ich werde dem CCS-Gesetz, welches eine europäische Richtlinie in nationales Recht umsetzt, zustimmen.

Nicht nur weil eines der beiden 500 Megawatt Modellkraftwerke in meinem Wahlkreis gebaut werden wird, sondern aus Überzeugung. Auch die Leiter des Potsdamer Instituts für Klimafolgenforschung, die zu den wichtigsten und renommiertesten Klimaforschern der Welt zählen, raten uns dazu. Wir brauchen die CCS-Technologie, um auch in Zukunft Braun- bzw. Steinkohle verantwortbar zu verstromen. Viele Gründe sprechen für dieses Gesetz, die vorgetragenen Bedenken sind überwiegend wissenschaftlich widerlegt.

Braunkohleverstromung ist ohne CCS spätestens in den nächsten Jahren aus Klimagründen nicht mehrheitsfähig bzw. nicht mehr verantwortbar. Wer aber auch aus der Kohlennutzung aussteigen will, der will den Doppelausstieg aus Atom- und Kohlestrom, d.h. er muss erklären können wie über 50 Prozent des heutigen Stroms in naher Zukunft zuverlässig und sicher ersetzt werden sollen. Beide, die Effizienzrevolution und die Erfolgsgeschichte der erneuerbaren Energie, werden weitergehen. Ihr Potential ist weit größer als es heute genutzt wird.

Aber gerade ein Industrieland wie Deutschland braucht eine sichere Energiebasis. Und niemand darf diesen deutschen Weg, der sich gerade jetzt im Vergleich zu dem Dienstleistungsland Großbritannien als nachhaltiger, besser und tragfähiger erweist, in Frage stellen oder gefährden. Kommt das Gesetz nicht, müsste Vattenfall mit seinem neuen Kraftwerk nach Polen ausweichen und auch RWE würde seine Technologie außerhalb Deutschlands, im Norden Europas zum Einsatz bringen und Strom müsste mittelfristig von dort nach Deutschland importiert werden.

Im Dezember soll in Kopenhagen ein auf die Kyoto-Konferenz aufbauendes Abkommen beschlossen werden. Vermutlich wird dieses Abkommen von mehr Staaten ratifiziert, als das Vorherige von Kyoto.

Der weltweite Handel von CO_2 -Emissionsrechten wird damit vermutlich in Gang kommen.

Natürlich kann die neue Technologie auch in China zum Einsatz kommen. Aber "/in China statt in Deutschland"/ ist ein Weg, der schon beim Transrapid nicht geklappt hat. Ich halte es außerdem nicht für klug, in Deutschland zu forschen, die Marktreife herzustellen und die Wertschöpfung dann in China zu haben.

Zudem wird der Doppelausstieg aus Atom und Kohle nicht funktionieren. Die neue Verbrennungstechnologie Oxyfuel wird zugleich Effizienzgewinne bringen, also die ca. zehn Prozent Energie, die für das Abscheiden und Lagern von CO_2 zusätzlich gebraucht werden, werden zumindest teilweise durch die neue Technologie der Kohleverbrennung gewonnen. In Zukunft soll in Jänschwalde getrocknete und sehr viel stärker zerkleinerte Kohle bei sehr viel höheren Temperaturen verbrannt werden. So entsteht auch reines CO_2 in einem sehr viel größeren Umfang, das dann abgeschieden werden kann. Es gibt Erfahrungen mit Erdgasspeichern. Ein sehr viel gefährlicheres Gas wird mitten in Berlin in viel geringerer Tiefe gespeichert. Ein anderes Beispiel sind die Erdgaslagerstätten in Salzwedel. Jahrtausende lagerte dort Gas, ohne in einem nachweisbaren Umfang ausgetreten zu sein. Mit der Lagerung in salinen Aquiferen

im Norden Deutschlands, vielleicht aber auch in Brandenburg im Kreis Oder-Spree betreten wir Neuland. Die jahrelange Forschung ist eingegangen in das Gesetz und zugleich wird nach dem Stand von Wissenschaft und Forschung durch die Kraftwerksunternehmen die Ablagerung auch in Zukunft vorzunehmen sein. Die Unternehmen tragen noch 20 Jahre nach der letzten Einlagerung die Verantwortung für die sichere Lagerung. Wird hier also CO_2 freigesetzt, wird es den Unternehmen als CO_2 -Emissionen angerechnet. Die Probleme, die unsere moderne Art zu leben mit sich bringt, können nur dadurch bewältigt werden, dass weiter geforscht wird und mit neuen Methoden und Verfahren die bisherigen Probleme reduziert werden. Die neue CCS-Technologie hat aber über die Kohleverstromung hinaus einen wichtigen Einsatzort. Später kann auch bei der Verbrennung von Biomasse oder in der Stahl- und Chemieindustrie das entstehende Kohlenstoffdioxid abgeschieden und gelagert werden.

Bei der Biomasseverbrennung würde dadurch der Atmosphäre sogar CO_2 entzogen werden. Somit gäbe es, hoffentlich bevor die sogenannten tipping points erreicht sind, die Möglichkeit den CO2-Gehalt in der Atmosphäre zu reduzieren und somit eine Verlangsamung des Klimawandels einzuleiten.

Ob mithilfe von CO_2 -Einleitungen in Wasserreservoire Algen in Massen produziert werden können, die dann ihrerseits, nachdem sie das CO_2 gebunden haben, wieder verbrannt werden können, bleibt abzuwarten. Ich bin skeptisch, weil ich nicht sehe, wo solche gigantischen Wasserreservoire für solche Algenmengen organisiert werden könnten.

Bei CCS geht es also nicht nur um den Erhalt der Kohleverstromung in Deutschland für die nähere Zukunft, sondern um weit mehr. CCS ist nur eine sinnvolle Antwort auf den Klimawandel in einem größeren System. Aber auf CCS zu verzichten, wäre verantwortungslos. Zugleich bin ich als direkt gewählter Abgeordneter auch nicht nur vor Wahlen an die Interessen der Bürger meiner Region gebunden. Ich soll ihre Interessen vertreten.

Das Volksbegehren gegen neue Tagebaue und gegen die Basis der Brandenburger Energiepolitik hat keine Mehrheit gefunden. Hier aber geht es um eine neue Technologie, die wegweisend in Zeiten des Klimawandels ist, welche uns ermöglicht auch in Zukunft Braunkohle zu verstromen und damit zumindest die Voraussetzung schafft, dass wir aus der Atomenergie aussteigen. Aber nicht einmal dafür gibt es zurzeit eine Mehrheit in Deutschland. Manche Dinge müssen trotz noch fehlender Mehrheiten gemacht werden, wie z.B. die Einführung der Euro 5 Norm, aber bei CCS würde eine informierte Bevölkerung mit überdeutlicher Mehrheit zustimmen.

Weil es in regionalen, nationalen, europäischen und globalen Interesse ist.

Mit freundlichen Grüßen

Ihr Steffen Reiche