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Steffen Bockhahn
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Frage von Norbert Z. •

Frage an Steffen Bockhahn von Norbert Z. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Bockhahn,

sind Sie nach der TV-Dokumentation über Margot Honecker immer noch der Meinung, das Joachim Gauck als Leiter der Stasi-Unterlagenbehörde als "Versöhner statt Verfolger" hätte agieren müssen, um zum Bundespräsidenten gewählt zu werden und die Ehrenbürgerschaft seiner Heimatstadt Rostock zu erlangen?

Meiner Meinung hatte Gauck sogar die Pflicht solche Menschenrechtsverletzer vom Schlage Honecker im Namen der Opfer zu "verfolgen", statt zu "versöhnen", um Unrecht wieder gut zu machen.

Ist Ihre angesprochene Aussage nur naiv, oder steckt dahinter politisches Kalkül, um einen Teil Ihres Wählerklientels zu bedienen. Es gibt bis heute nach wie vor tausende Menschen in Deutschland, die der gleichen menschenverachtenden Ideologie einer Margot Honecker verhaftet sind und deren Unrechtstaten noch nicht aufgedeckt sind. - Für diese ist Joachim Gauck immer noch eine Bedrohung.

Herr Bockhahn, Sie gehören einer Generation an, die das DDR-System nur noch aus Fahnenappellen und Pioniernachmittagen kennt. Ich habe noch miterlebt, wie meine Eltern, die in Folge des 2. Weltkrieges aus ihrer Heimat vertrieben wurden und in einem vorpommerschen Dorf eine Neubauernstelle erhielten, im "Sozialistischen Frühling" im Jahr 1960 durch die Zwangskollektivierung ein zweites Mal ihr Hab und Gut verloren. Der Kommentar des dörflichen SED-Parteisekretärs dazu: "Jetzt haben wir die Kapitalistenschweine!"
So etwas vergißt man nicht. Mit einer Versöhnung ist es bei solchen bornierten Apparatschiks, denen jedes Unrechtsbewußtsein abhanden gekommen ist, nicht getan.

Ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie die Zeit finden würden, auf meine Anfrage zu antworten.

Freundliche Grüße

N. Zimmermann aus Rostock

Portrait von Steffen Bockhahn
Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Zimmermann,

bitte sehen Sie mir nach, dass die Antwort ein wenig gedauert hat.
Sie können sicher sein, dass ich meine Kritik an Gauck nicht aus wahltaktischen Gründen vortrage. Meine Überzeugung ist eine andere als die von ihm. Ausdrücklich genieße ich es, dass dies auch offen zum Ausdruck kommen kann. Dieses Element unserer heutigen Gesellschaft möchte ich um keinen Preis vermissen.
Die Verfolgung von Straftaten ist zweifelsfrei wichtig. Zum einen weil vor allem die Verfolgung begangener Straftaten davor bewahren kann, dass gleiches wieder geschieht. Ein zweiter wesentlicher Aspekt dabei ist Bildung. Nur müssen wir aus meiner Sicht hier genau unterscheiden zwischen subjektiv empfundenem Unrecht, Taten, die heute Straftaten wären und solchen, die es auch damals nach geltendem Recht gewesen sind. Das ist gelegentlich schwer zu ertragen. Dessen bin ich mir bewusst.
Dass es in der DDR Unrecht gab bestreite ich nicht. Dass es auch Verstöße der Behörden gegen die in der DDR gelten Gesetze gab, ebenfalls nicht. Dass es keine Verwaltungsgerichte gab, vor denen man sich gegen Unrechtshandlungen der Behörden wehren konnte, ist ein grober Missstand. Alles wahr. Doch die DDR war nach meiner festen Überzeugung ein legitimer Staat. Sie war ein Ergebnis des Zweiten Weltkrieges und der Auseinandersetzungen der Siegermächte des Zweiten Weltkrieges, die sich nicht auf ein gemeinsames Konzept für Deutschland einigen konnten. Und die DDR war ein Stück weit auch das Ergebnis der Gründung der BRD.

Ich habe die von Ihnen angesprochene Dokumentation aber nicht gesehen und kann mich zu den konkreten Aussagen von Frau Honecker in selbiger daher auch nicht äußern. Es würde mich allerdings überraschen, wenn sie sehr kritisch mit ihrem Wirken und dem ihres Mannes umgehen würde.

Zurück zu Gauck. Gerade als Mann der Kirche sollten Versöhnung und Dialog sein Handeln prägen. Doch das ist nicht geschehen. Da haben wir ja nicht einmal einen Dissens. Es gibt für mich aber noch ganz andere Gründe ihn nicht zu wählen. Er ist jemand, der den vorsorgenden Sozialstaat als paternalistisch, also als bevormundend beschreibt. Das löst bei mir alle erdenklichen Abwehrreaktionen aus. Gauck sagt ja zu Kriegen mit deutscher Beteiligung und er setzt Kommunismus und Faschismus immer wieder auf eine Ebene. Die Tatsache, dass die von den Alliierten gemeinsam beschlossene Umsiedlung der Deutschen eine Folge des von den Deutschen begonnenen Krieges war, scheint er nur schwer zu ertragen.

Sehr geehrter Herr Zimmermann,

ich werde Sie nicht von meiner Auffassung überzeugen können. Dessen bin ich mir bewusst. Aber es gibt Menschen deren Überzeugungen man komplett nicht teilt und die man menschlich nur schwer ertragen kann. So geht es Ihnen vielleicht mit mir. Mir geht es mit Herrn Gauck so.

Mit freundlichen Grüßen
Steffen Bockhahn