Stefan Spaarmann
Einzelbewerbung
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Stefan Spaarmann zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Janett R. •

Frage an Stefan Spaarmann von Janett R. bezüglich Energie

Der Wirtschaftsminister Horst Rehberger, hat kürzlich in einem Volksstimme-Interview geäußert:
Wind und Solar werden noch erheblich subventioniert. Die Kernkraft zum Beispiel ist kostengünstiger und hilft ebenfalls fossile Brennstoffe zu sparen.
Was halten Sie von solchen Aussagen?
Welchen Energiemix könnten Sie sich für die Zukunft vorstellen? Sind Kernfusionskraftwerke eine Alternative?

Antwort von
Einzelbewerbung

Sehr geehrte Frau Rehmann,

Ich finde es sehr gut, wenn sich Frauen um diese Probleme kümmern, denn hier geht es um die Zukunft unserer Kinder, die in einer nachhaltig lebenswerten Zukunft aufwachsen sollen. Die ist durch falsche Energiepolitik bedroht.

Was der Herr Rehberger geäußert hat, ist unzutreffend, also eine Falschinformation. Ob bewußt oder nicht, kann ich nicht beurteilen. Es ist ja heute üblich, daß sich Minister keine eigene Meinung bilden können, wollen oder dürfen, sondern ungeprüft mit dem Brustton der Überzeugung wie echte Schauspieler in das Horn ihrer Partei blasen.

Die Kernkraft wird nach wie vor subventioniert und würde sofort unwirtschaftlich, wenn man alle volkswirtschaftlichen Nebeneffekte berücksichtigt. Herrn Rehberger wäre vorzuschlagen, sich bei wirklich unabhängigen Experten wie Prof. Buchner von der TU München zu informieren, der sich unter anderem deshalb in der ödp (Ökologisch Demokratische Partei) engagiert, weil über die Subventionierung der Kernenergie aus parteipolitischen Gründen jede Menge Unwahrheiten in der Öffentlichkeit verbreitet werden, um ein Weiterleben oder sogar eine Renaissance zu bemänteln. Warum diese Renaissance unsinnig ist, lesen Sie bitte in einer meiner Antworten bei www.kandidatenwatch.de

Richtig ist, daß die nachhaltigen Energien, zu denen keineswegs nur "Sonne und Wind" (Herr Rehberger weiß vielleicht nicht, daß das auch eine Form der Nutzung der Sonnenenergie ist) gehören, noch erheblich subventioniert werden müssen. Der wesentliche Unterschied zur Kernenergie ist aber, daß Kernkraft nicht nachhaltig und extrem gefährlich ist. Die uns durch die Natur auf der Erde zur Verfügung gestellten Energien sind bezogen auf unsere Existenz unerschöpflich, und deshalb wird es Zeit, daß sich wenigsten die Minister endlich mit dem Ressort fachlich beschäftigen, für das sie verantwortlich sind und eine eigene fundierte Meinung haben. Der Kuriosität halber, in Sachsen ist es ähnlich wie in Sachsen-Anhalt. Da setzt der Wirtschaftsminister auf Braunkohle - ein Kommentar ist wohl überflüssig.

Meine feste Überzeugung als Physiker, der auch einiges von Ökonomie versteht, ist, daß die nachhaltigen Energien in absehbarer Zeit unseren (so und so notwendigerweise zu reduzierenden) Energiebedarf vollständig decken können, wenn es politisch gewollt wird. Wenn die alternativen Energien nur einen Bruchteil der Förderung erhalten würden, mit der die Atomkraftwerke hochgepäppelt wurden, dann wird es keine Probleme geben.

Den französischen Standpunkt - dort werden ca. 80 % aus Kernenergie gedeckt und man hat vor, bis 2070 zusammen mit Siemens eine große Anzahl neuer "EPR"(frz.)-Kraftwerke zu entwickeln und zu bauen (eine neue Version, die aus Finnland stammt), halte ich, wie die ganze Atompolitik Frankreichs, für äußerst kontraproduktiv. (Von Frankreich wurden, wie neulich im Fernsehen gezeigt wurde) noch Versuche mit Wasserstoffbomben ohne Rücksicht auf die Menschen im Wirkungsbereich gemacht, als alle anderen Atommächte bereits von solchem Wahnsinn absahen).

Vom CDU-Kandidaten für den Wahlkreis 152, Herrn Kolbe, wurde beim LVZ-Wahlforum in Delitzsch am 12.9.5 behauptet, Frau Merkel beabsichtige keineswegs, neue Kraftwerke zu bauen, das sei nur Schwarzmalerei. Wer´s glaubt, wird selig. Ich bin sicher, hier wird unter dem Slogan "Vorfahrt für Arbeit" Volksverdummung und rückwärtsgerichtete Wirtschafspolitik betrieben.
(Unverständlich, daß die deutsche Wirtschaft das nicht selber merkt. Und unverständlich, daß die CDU nicht die große Chance erkannt hat, die sie gehabt hätte, wenn sie sich in Umkehrung der Fronten gegen Schröder mit seiner perversen AGENDA 2010 ausgesprochen hätte.)

Auch wurde geäußert, es mache keinen Sinn, wenn Deutschland allein den Atomausstieg praktiziere, deshalb solle dieser unterbleiben. Ich habe dazu einen völlig anderen Standpunkt. Deutschland kann und muß eine Vorreiterrolle spielen: Einer muß anfangen bei der ökologische Wende der Energietechnik und der Kommunikationstechnik. Das ist die Chance für Deutschland, aus dem Schlamassel herauszukommen. Das Deutsche Volk hatte sich für den Ausstieg aus der Kernenergie entschieden, und nur den Intrigen von Gerhard Schröder ist es zu verdanken, daß der verwässert wurde und in die Länge gezogen wird. Dabei war die SPD damals unter anderem deshalb gewählt worden, weil sie zusammen mit den Grünen einen schnellen Ausstieg versprochen hatte. Heute habe ich im Radio einen noch größeren Unsinn gehört: Man behauptet, durch Störsender könne man verhindern, daß Terroristen Kernkraftwerke angreifen, indem eine GPS-Ortung gestört wird, und für solche Schutzsysteme will man viel Geld ausgeben. Dies ist an Schwachsinn kaum zu überbieten, schon die alten Seefahrer hatten Ortungssysteme, die mit Mikrowellen nichts zu tun haben. Die Gefahr ist erst dann gebannt, wenn die Kraftwerke weg sind, anders geht es nicht. Die Welt ist übersät mit Zeitbomben in Form von Atomkraftwerken, die wahnsinnigen Terroristen lassen uns keine Wahl: Gefährliche Technologien müssen so schnell wie möglich weg.

Meine klare Antwor auf Ihre Frage: Es muß in Deutschland alles getan werden, damit der Umstieg auf nachhaltige Energien möglichst rasch geschieht, und, das Erreichte darf auf keinen Fall zurückgedreht werden. Die Förderung alternativer Maßnahmen muß weitergehen und erweitert werden. Deutschland hat dazu die technologische und wirtschaftliche Möglichkeit, und es kann damit in der Wirtschaft sehr viel Geld verdient werden. Die gesamten Einnahmen einer ökologisch orientierten Steuer müssen dazu dienen, das wird sich auszahlen. Politik, die von der Hand in den Mund lebt und mit einer "Ökosteuer" Rentenlöcher stopft, ist wenig hilfreich.

Kernfusion auf der Erde ist nach dem, was wir wissen, kein Ausweg, sie birgt gleichfalls beträchtliche Risiken. Die bekannten anvisierten Verfahren sind nicht geeignet. Was die Zukunft bringt, kann niemand voraussagen. Da ist viel möglich, deshalb ist da Grundlagenforschung und Entwicklung wichtig, aber übertriebene Hoffnung ist nicht angebracht. Herkömmliche Atom-Spaltverfahren müssen aber aus den bekannten Gründen ad Acta gelegt werden. Anderen Ländern zu Atomkraftwerken zu verhelfen - nur um des Geschäftes einiger Firmen willen - ist absurd, heuchlerisch und tadelnswert. Richtig ist es vielmehr, Entwicklungsländern zu zeigen, wie es möglich ist, Sonnenergie mit einfachen Mitteln zu nutzen, statt die kostbaren Wälder abzuholzen. Da haben sich deutsche Firmen große Verdienste erworben. Was Europa betrifft, ganz Südeuropa ist eine Sonneninsel. Daß z.B. Franreich das nicht nutzt, zeigt, daß ihre Politik die gleichen Schwächen wie unsere hat. Deutsche Solartechnik kann da helfen. In Spanien sind mir riesige Windfarmen aufgefallen. Jeder bekommt gute Laune, wenn die Sonne scheint. Oder Sie etwa nicht ? Das ist für mich nicht ohne tiefere Bedeutung.

Jeder, um so mehr die Politiker, müssen sich, das ist wichtig, endlich bewußt werden, daß die Energieverschwendung al la Bush den Weg in den Abgrund bedeutet. Soviel Dummheit ist einfach unzulässig, bei aller Freundschaft mit den USA. Es ist sicher später irgendwie möglich, unerschöpflich Energie zu produzieren, aber es ist wegen des immer begrenzten Wirkungsgrades unmöglich, beliebig viel Energie auf der Erde zu verbrauchen, das haben Physiker schon vor Jahrzehnten vorgerechnet. Praktisch ausgedrückt: Es ist physikalisch nicht möglich, allen auf der Erde heute lebenden Menschen den Energieverbrauch zu ermöglichen, der in den "modernen" Industrieländern heute üblich ist. Wohlgemerkt auch dann nicht, wenn man soviel Energie erzeugen könnte. Also: Weniger ist mehr. Die Natur setzt Grenzen, an denen kommen wir nicht vorbei, Bescheidenheit statt T3echnikwahn ist angesagt. Zu solchen globalen Überlegungen sind natürlich Berufspolitiker nicht imstande, sie sind nur Sprachrohr ihrer Chefs. Egal, ob die lobbygesteuert Unsinn reden oder nicht, es wird nachgeplappert. Deshalb wird es Zeit, daß Kompetenz in den Bundestag einzieht. Wahrscheinlich wird das ein langandauernder, aber für den möglichen wirtschaftlichen Wiederaufstieg Deutschlands lebenswichtiger Prozeß werden, denn das Alte bekämpft das Neue um der eigenen Pfründe willen so lange es geht - so lange der Wähler es zuläßt.

In diesem Sinne mit freundlichen Grüßen und Wünschen für einen guten Wahlsonntag, der uns das kleinere Übel bringen möge

Stefan Spaarmann