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Rüdiger Veit
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Frage von Benjamin R. •

Frage an Rüdiger Veit von Benjamin R. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Veit,

aus den Abstimmungsergibnissen zur Vorratsdatenspeicherung kann ich entnehmen, dass Sie dem zugestimmt haben.
Wie wollen Sie Ihren Wählern die Zustimmung erklären, obwohl es nicht der "Minimalumsetzung" der EU-Vorgaben entspricht, wie Bundesjustizministerin Zypris beteuert hat? Zusätzlich ist es sehr wahrscheinlich, dass das Bundesverfassungsgericht dieses Gesetz als nicht verfassungskonform einstufen wird. Dazu verweise ich auf das Volkszählungsurteil aus den 80er Jahren.
Auch im datenschutzrechtlichen Sinne ist dieses Gesetz höchst bedenklich, da es möglich wird mit diesen gesammelten Daten Profile des einzelnen Nutzers von Telekommunikation zu erstellen. Ich bin mir sicher das dies weder in Ihrem noch im Interesse Ihrer Fraktion liegt, aber Sie haben damit Möglichkeiten der Überwachung und Kontrolle ausgebaut, die nachfolgende Regierungen und Verantwortliche missbrauchen können.

Wie erklären Sie also Ihre Zustimmung zu diesem Gesetz?

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Reindel,

dem Gesetzentwurf für Vorratsdatenspeicherung habe ich zugestimmt, weil ich ihn für vertretbar halte.

In der öffentlichen Diskussion wird viel zu häufig mit zwei Extremen argumentiert: Zum einen mit der Illusion einer vollkommen abgeschotteten Privatsphäre und zum anderen mit dem Horrorszenario des Überwachungsstaats.
Die vollkommen abgeschottete Privatsphäre muss in einem demokratischen Sozialstaat schon deshalb eine Illusion bleiben, weil jeder Bürger (berechtigte) Ansprüche an den Staat stellt, die sich an seinem Bedarf bemessen. Zur Feststellung des Bedarfs ist es unerlässlich, private Angaben des Bürgers zu erfassen. Es handelt sich dabei aber keineswegs nur um materielle Ansprüche wie die Versorgung in sozialen Notfällen, sondern auch um rechtliche Ansprüche wie den Schutz vor Betrug und Belästigung oder die Gewährung von Sicherheit im öffentlichen Raum.
Dieser letzte Aspekt muss sachlich und mit Bedacht diskutiert werden: Es ist gegenwärtig nicht auszuschließen, dass wir alle uns bei der Nutzung öffentlicher Verkehrmittel einer Gefährdung aussetzen. Wenn in London und Madrid unbescholtene Bürger zu Terroropfern werden konnten, ist das in Berlin und Frankfurt ebenfalls denkbar. Auf Djerba waren deutsche Urlauber sogar mehrheitlich unter den Opfern.
Die Bürger haben einen berechtigten Anspruch darauf, dass der Staat solchen Gefährdungen vorbeugt. Diese Vorbeugung muss überall dort stattfinden, wo vorbereitende Maßnahmen - Waffenhandel, Geldwäsche, verdeckte Organisation - stattfinden können. Und dazu gehört auch die Telekommunikation.
Der Überwachungsstaat hingegen ist hierfür ein vollkommen überzogenes Horrorszenario. Die bundesdeutsche Regelung geht zwar über die Vorgaben de EU hinaus, das aber aus logischem Grunde: Die EU verlangt lediglich die Speicherung der Verkehrsdaten. Die Ermittlungsbehörden könnten also feststellen, wann E-Mails versendet wurden - aber nicht weswegen. Mit solchen Daten können in der Tat nur "Bewegungsprofile" erstellt werden - aber die die tatsächliche Planung von Straftaten bliebe verborgen. Deshalb enthält die Regelung aber auch entsprechende Schutzmechanismen: Die Daten müssen gelöscht werden, sobald der Anlass der Strafverfolgung erledigt ist. Zudem gibt es die nachträgliche Benachrichtigung der von verdeckten Ermittlungsmaßnahmen betroffenen Personen und die Möglichkeit eines nachträglichen gerichtlichen Rechtsschutzes.
Im Vergleich zum Status Quo bedeutet die neue Regelung eine Verlängerung der bisherigen Speicherungsdauer um drei Monate, es handelt sich also nicht um eine qualitative, sondern nur quantitative Veränderung.
In meinen Augen handelt es sich um eine vertretbare Lösung in dem notwendigen Kompromiss zwischen Datenschutz und Sicherheit.

Mit freundlichen Grüßen

Rüdiger Veit