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Frage von Alexander K. •

Frage an Rainer Tabillion von Alexander K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Dr. Tabillion,
ich bin zu tiefst enttäuscht darüber, dass Sie dem Gesetzesentwurf der Vorratsdatenspeicherung zugestimmt haben.
Wieso haben sie diesem, in meinen Augen verfassungswidrigen, Gesetz zugestimmt? Ich bin IT-Spezialist und kann Ihnen sagen, dass Sie durch dieses Gesetz sicher keine Terroristen fangen werden. Denn es gibt genügend Programme, die frei im Internet zur Verfügung stehen um sowohl E-Mail- als auch Internetverkehr soweit zu anonymisieren, dass eine Verfolgung nicht mehr möglich ist. Diese Programme haben jedoch den Nachteil,dass sie die Internet-Geschwindigkeit drosseln und es daher keine Alternative für normale Bürger sind - sehr wohl aber für Terroristen. Außerdem sehe ich erst recht keinen Grund Arztpraxen und Anwälte in die Überwachung einzuschließen. Denn dadurch wird deren Schweigepflicht aufgeweicht.
Die Polizei hat mehrfach darauf hingewiesen, dass ein solches Gesetz nicht nötig sei um Terroristen zu verhaften. Man benötige eigentlich nur mehr Personal. Wieso werden dann nicht mehr Polizisten beschäftigt, statt jeden Bürger unter Verdacht zu stellen?
Im Bundestag wurde bei der Debatte erwähnt, dass die Verbindungsdaten heute schon 3 Monate gespeichert werden.
Das ist so nicht korrekt. Es ist von Anbieter zu Anbieter total verschieden. Die Telekom z.B. speichert Zugangs-IPs für eine DSL-Flatrate für eine Woche. Es wird vor allem NUR die IP gespeichert. Laut dem neuen Gesetz müssen auch die Seiten gespeichert werden, die ich aufrufe. Mit verlaub, wenn ich über den Onlineshop einer Apotheke Fußpilzsalbe kaufe, das geht niemanden etwas an. Auch den Staat nicht.

Wieso stimmen Sie für ein Gesetzt, gegen das jetzt schon eine Verfassungsklage mit mehr als 7000 Teilnehmern angekündigt ist?

Ich dachte immer, dass Sie die Verfassung schützen wollten und nicht verletzen.
Für mich und die gesamte Generation Internet, ist gestern die SPD als auch die Union gestorben.

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Klein,

vielen Dank für Ihre Frage zur Vorratsdatenspeicherung auf die ich wie folgt antworten möchte:

1. Neue Formen der Bedrohung erfordern neue Maßnahmen. Es ist eine Tatsache, dass das Internet bei Planung und ggf. Durchführung krimineller Aktionen und terroristischer Anschläge eine immer zentralere Rolle spielt. Ihr Hinweis auf verfügbare Programme, mit denen behördliches Handeln erschwert werden kann, kann keine Grundlage für Nichtstun in diesem Zusammenhang sein. Terroristen verhaften kann man nur, wenn man sie identifiziert hat. Deshalb ist es unumgänglich, dass der Staat informationell mit denen, die ihn oder seine Bürgerinnen und Bürger bedrohen, Schritt hält.

2. Konsequente Maßnahmen gegen neuartige Bedrohungen im Inneren haben für mich absoluten Vorrang gegenüber dem zum Scheitern verurteilten Versuch, das Problem mit einem permanenten Kriegszustand in verschiedenen Weltregionen zu beantworten - wie es derzeit die USA und mehr oder weniger ihre Verbündeten tun.

3. Grundsätzlich teile ich die Skepsis Vieler gegenüber einer Instrumentalisierung terroristischer Bedrohung für eine unverhältnismäßige Einschränkung von Freiheitsrechten wie Bundesinnenminister Schäuble sie permanent propagiert. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung hat konstitutiven Charakter und ist damit ein hohes, zu bewahrendes Gut. Deshalb sind auch im vorliegenden Fall die Hürden für eine Informationsverwertung teilweise schärfer geregelt als im bisherigen Rechtszustand.

4. Bei dem aktuell von Ihnen angesprochenen Gesetz kann ich eine Zustimmung trotz der oben genannten Bedenken verantworten. Es ist der Bundesregierung bei der Erarbeitung der Richtlinie auf europäischer Ebene - gegen den Widerstand vieler Staaten - gelungen, die Vorratsdatenspeicherung auf 6 (statt der ursprünglich diskutierten 36) Monate zu begrenzen. Darüber hinaus wurden im parlamentarischen Verfahren zahlreiche hohe Hürden für die Informationsverwertung durch die Behörden eingezogen.

Ich möchte Ihrer Aussage widersprechen, dass auf der Grundlage der neuen gesetzlichen Regelungen aufgerufene Internetseiten gespeichert werden. Es werden zukünftig durch die TK-Unternehmen lediglich Informationen über den Internetzugang und über die E-Mail-Kommunikation gespeichert. Ausdrücklich nicht erfasst wird, welche Internetseiten besucht wurden oder welche Inhalte versandte oder empfangene E-Mails hatten. Dies alles würde durch die vom Bundesinnenminister geplanten Online-Durchsuchung ermöglicht. Hier hat die SPD erhebliche Bedenken, dass die Privatsphäre und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung verletzt würden.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Rainer Tabillion, MdB