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Rainer Merkel
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Frage von Rainer S. •

Frage an Rainer Merkel von Rainer S. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrter Herr Merkel,

Gesetze sind kein Selbstzweck, sondern sollen das Miteinander in der Demokratie regeln und sollten daher nachvollziehbar und verständlich sein.

Folgende Problematik lässt mich jedoch daran zweifeln:

Ich bin seit Mitte 2007 Rentner regulärer Altersrentner und habe Anfang diesen Jahres ca. 2000 Euro von einer Direktversicherung erhalten, die meine Firma vor Jahren für mich abgeschlossen hatte.
Daraufhin forderte mich meine Krankenkasse auf, 10 Jahre lang einen monatlichen Beitrag von 3,05 Euro zu zahlen (ergibt 366 Euro), wozu ich als Empfänger einer Betriebsrente gemäß gesetzlicher Vorschriften zur Beitragspflicht von Versorgungsbezügen verpflichtet wäre (1/120 der Leistung für die Dauer von 10 Jahren).
Diese unverständliche Regelung führt nach Auskunft eines Krankenkassen-Mitarbeiters sogar zu solch unsinnigen Forderungen wie monatlich 0,17 Euro für 10 Jahre!

Frage 1: Wieso ergibt sich wegen einer einmaligen Zahlung eine Beitragspflicht für 10 Jahre?
Frage 2: Wieso wird meine Direktversicherungssumme um 18% reduziert?

Sagen Sie bitte nicht, das geschehe wegen gesetzlicher Vorschriften, sondern erläutern Sie mir bitte die Berechtigung und den Sinn dieser Regelungen.

Beste Grüße von Rainer Schumacher

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Schumacher,

vielen Dank für Ihre Fragen, vielen Dank daß Sie mich in die aktuellen Diskussionen mit einbeziehen.

Zunächst war ich erstaunt, daß Sie mir im Hamburger Wahlkampf eine Frage zur Bundespolitik - genauer zum Gesundheitsreformgesetz stellen; weiterhin war ich erstaunt, daß Sie eine politische Erklärung eines Gesetzes von mir erwarten, das im Wesentlichen von seiten der SPD gestaltet wurde. Da wir in der Linken viele ehemalige SPD - Mitglieder haben, die der SPD wegen ihrer katastrophalen Sozialpolitik enttäuscht den Rücken gekehrt haben, macht es für mich wieder Sinn daß Sie mich als Vertreter der Linken angesprochen haben:

Wie Sie wissen braucht unser Gesundheitssystem Geld - und zwar jedes Jahr mehr. Die SPD hat versucht, durch arbeitgeber- freundliche Politik (Senkung des Krankenkassenbeitrags bzw. des Arbeitgeberanteils im Krankenkassenbeitrag) neue Arbeitsplätze zu schaffen. Das hat ja auch funktioniert wenn man den Jubelmeldungen der großen Koalition glauben mag - nur sind viele neuen Arbeitsplätze geringfügige Beschäftigungen bzw. 1-Euro-Jobs. Diese Arbeitsplätze dienen weder zur Stärkung der Sozialversicherungssysteme noch schaffen sie mehr Kaufkraft - die ja auch wieder zu neuen Arbeitsplätzen führen könnte. Man muss also das zusätzlich benötigte Geld irgendwie für die Sozialversicherungssysteme (hier Krankenversicherung) generieren. Dazu gibt es folgende Möglichkeiten:

1.) Erhöhung der Beiträge zur ges. KV: das macht man nur im äußersten Notfall da man ja sonst unglaubwürdig würde und nicht mehr gewählt würde.

2.) man zwingt immer mehr Menschen in die gesetzliche KV durch Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenzen: das macht der gestandene Politiker auch nicht, da er ja dann von den privaten Krankenversicherern und den Ärzteverbänden angeschossen würde. Der Markt der "Privaten" ist für die Teilnehmer an unserem Gesundheitssytem ein lukrativer Bereich, den jeder erhalten möchte.

3.) man holt sich das Geld von den Versicherten so, daß sie es (möglichst) nicht merken: das sind höhere Zuzahlungen zu Medikamenten, durch die Praxisgebühr, dadurch daß immer mehr Leistungen IGEL-Leistungen (oder freundlicher gesagt : "das bezahlen Sie selbst, das wird Ihnen doch Ihre Gesundheit wert sein") werden oder auch dadurch, daß immer mehr sonstige Einkünfte der Versicherten zu versicherungspflichtigen Einnahmen erklärt werden. Und da, Herr Schumacher, hat man Sie am Allerwertesten gekriegt!

Nun denke ich, Sie stellen mir die Frage um zu erfahren, ob auch die Linke Ihnen immer weiter das Geld aus der Tasche ziehen würde. Auch wir stünden - würde man uns mitregieren lassen - vor der Frage, wie wir das benötigte Geld für die medizinische Versorgung der Bevölkerung auftreiben wollten. Da gibt es unserer Ansicht nach 3 Ansatzmöglichkeiten:

1.) vorhandene "stille" Reserven im System aktivieren: dieser Punkt liefe im Wesentlichen auf eine Auseinandersetzung mit der Pharmaindustrie hinaus.

2.) Schwerpunkte im Bundeshaushalt verschieben (ich erinnere daran, daß die nächste Stufe der Gesundheitsreform eine Bürgerversicherung mit "Gesundheitstopf", gefüttert u.a. aus Steuermitteln werden soll). Da unsere Partei strickt gegen Auslandseinsätze der Bundeswehr ist könnten sicherlich einige Mittel aus dem Verteidigungshaushalt in den Sozialbereich fliessen.

3.) Falls die Einnahmenseite verbessert werden muss (diese Formulierung stammt nicht von uns!) - sprich: falls Steuern oder Beiträge erhöht werden sollen ist unsere Position, daß breite Schultern mehr tragen müssen als schmale. (Anmerkung: dieser Schnack wird ja inzwischen von vielen Parteien/Politikern benutzt. Dabei bleibts dann aber ...) Wir wissen, daß auf den breiten Schultern auch Köpfe sitzen, die die Problematik mit der Lastenverteilung anders sehen. Unsere Aufgabe als Partei besteht u.a. darin, diese Köpfe (wie auch immer!) zu beeinflussen, daß ihre breiten Schultern die Lasten auch angemessen mitstemmen.

Ein abschliessender Satz zur nächsten Stufe der Gesundheitsreform: wenn man davon ausgeht, daß das Gesundheitssystem immer mehr Geld braucht und man annimmt daß die fehlenden Mittel aus den Steuereinnahmen aufgebracht werden, dann steht die Frage im Raum : "von welchen Steuereinnahmen reden wir?" Meine Einschätzung ist, daß das bereits eine angekündigte Mehrwertsteuer- erhöhung war. Wenn Sie jetzt also in Hamburg CDU oder SPD oder FDP - e-GAL - wählen sagen Sie denen damit, daß Sie bereit sind sich weiteres Geld aus der Tasche ziehen zu lassen.

Mit nachdenklichen Grüßen

Rainer Merkel