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Rainer Arnold
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Frage von Karin S. •

Frage an Rainer Arnold von Karin S. bezüglich Verkehr

Sehr geehrte Herr Arnold,

wie ich gerade erfahre, soll die Grundgesetzänderung im Eilverfahren durch den Bundestag gebracht werden. Die Bürger werden weiter zu entmündigt. Die Autobahnen wurden von uns Bürgern (Steuermittel) bezahlt und müssen im Eigentum des Bundes bleiben. Eine Privatisierung wird auch zu teuer.
Sollten Sie dieser erheblichen Grundgesetzänderung zustimmen werde ich Sie und diese CDU nicht mehr wählen.

Wir werden Sie abstimmen?

Mit freundlichen Grüßen von einer gebürtingen Nürtingerin

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Antwort von
SPD

Sehr geehrte Frau Schach,

vielen Dank für Ihre Mail. Bevor ich auf einige wichtige Änderungen eingehe, noch ein Wort zur vermeintlichen Hast bei der Abstimmung. Das ist eine Fehlinformation, wie wir sie leider öfter in diesen Mailkampagnen finden.

Das Gesetzespaket ging ja aus von einer Einigung aller Ministerpräsidenten der Länder mit der Bundesregierung Ende letzten Jahres. Nun ist es seit Monaten im parlamentarischen Verfahren des Bundestages, die Abstimmung war zunächst für den 31. März vorgesehen. Da es hier noch offene (Streit-)punkte gab, wurde die Abstimmung Mitte Mai vertagt. Da wir als Sozialdemokraten sichergehen wollen, dass auf verschlungenen Wegen nicht doch eine (Teil-)privatisierung erfolgt, folgten nochmal harte Verhandlungen, wodurch die Abstimmung erneut, dieses Mal auf den 1. Juni, verschoben wurde. Der Bundesrat tagt planmäßig etwa ein Mal im Monat, die Sitzungstage stehen aber bereits seit Mitte letzten Jahres fest. Eine der diesjährigen Sitzungen findet am 2. Juni statt. Diese wurde daher nicht extra anberaumt, sondern hier wäre auch das Gesetzespaket im BR behandelt worden, wenn der Bundestag z.B. hierzu Mitte Mai beschlossen hätte. Der 2. Juni ist demnach die planmäßig nächste Sitzung des Bundesrates.

Ich finde es sehr wichtig, dass sich aufgeklärte Bürger und Bürgerinnen informieren, dass wir eine aktive und kritische Bürgergesellschaft und Presse haben. Da haben Sie mich immer auf Ihrer Seite. Was mich aber bisweilen aber aufregt, sind teilweise haarsträubende Falschinformationen auf Plattformen wie attac oder campact, die mit unzutreffenden Behauptungen Ängste schüren. Ich habe hierin die wichtigsten Änderungen, die wir gegen den Willen der CDU/CSU erreicht haben, aufgeführt. Diese Änderungen sind im Gesetz nachzulesen.

Da wir Sozialdemokraten beim Knackpunkt Autobahn-GmbH nicht bereit waren, Privatisierungen durch die Hintertür zu akzeptieren, haben wir die ursprünglich für Mitte Mai vorgesehene Abstimmung blockiert. Es folgten sehr harte Verhandlungen in der vorvergangenen Woche sowie eine Verschiebung der Abstimmung. Als Ergebnis dieser Verhandlungen wird die Abstimmung am kommenden Donnerstag - und die vielfach vermutete Autobahn AG ausgeschlossen sein. Hatte der ursprüngliche Gesetzentwurf diese Möglichkeit noch eingeräumt („Die Gesellschaft privaten Rechts wird zunächst in der Rechtsform einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung gegründet.“ Art. 13, §2, Abs. 3 des Gesetzentwurfs zur Neuregelung des bundesstaatlichen Finanzausgleichssystems ab dem Jahr 2020 und zur Änderung haushaltsrechtlicher Vorschriften, kurz: BLF-Begleitgesetz), heißt es nach unseren Änderungen nun an derselben Stelle: „Die Gesellschaft privaten Rechts wird in der Rechtsform einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung gegründet. Ein Aufsichtsrat ist zu bilden. Im Aufsichtsrat sind Mitglieder der für Haushalt und Verkehr zuständigen Ausschüsse des Deutschen Bundestages vertreten.“ Eine spätere Überführung in eine AG ist somit ausgeschlossen.

Zur angesprochenen Übertragung der Aufgaben: Bereits heute werden Aufgaben in diesem Bereich an Dritte vergeben. So übernehmen Straßenmeistereien nicht überall die Winterdienste, auch werden Aufgaben der Planung an Planungsbüros vergeben. Dies geschieht nach nachvollziehbaren Beschaffungskriterien und ist heute gängige Praxis. Die Aufgabe und die Verantwortung hierfür geht jedoch nicht an Dritte, da wir auch das ausgeschlossen haben. Hieß es im ursprünglichen Gesetzentwurf nur, dass die Gesellschaft sich zur Erfüllung ihrer Aufgaben Dritter bedienen könne (Art. 13, §5, Abs. 2 Entwurf BLF-Begleitgesetz), wurden im selben Absatz mit unseren Änderungen entsprechende Hürden eingezogen. „Die Gesellschaft kann sich zur Erfüllung ihrer Aufgaben Dritter bedienen. Die Aufgabe selbst darf nicht auf Dritte übertragen werden. Die Einbeziehung Privater bei Planung, Bau, Betrieb und Erhalt von Bundesautobahnen oder sonstigen Bundesstraßen darf nur erfolgen, wenn sich der Vertrag auf einzelne Vorhaben mit einem Gesamtumfang von bis zu 100 Kilometern erstreckt. Mehrere Vorhaben dürfen nicht miteinander verbunden werden.“

Zum Thema ÖPPs. Diese sind ja heute gängige Praxis, mit teilweise schwierigen Folgen. Unsere Haushaltsfachpolitiker waren daher durchaus dafür, im Zuge dieser umfassenden Neuregelung ein Komplettverbot der ÖPPs festzuschreiben. Das allerdings war mit CDU/CSU nicht zu machen, sicher auch, da sie mit den doppelten Privatisierungsschranken schon etliche Brocken zu schlucken hatten. Diejenigen, die für eine komplette Streichung der ÖPPs sind, verweise ich an dieser Stelle dann aber an die Kollegen von der Union.

Trotzdem können auch wir mit diesem Kompromiss gut leben, da zwar aber grundsätzlich unterhalb von 100 Kilometer ÖPPs möglich sind. Daher konnte ich heute dem veränderten Gesetzentwurf auch zustimmen. Denn: Zum einen haben wir im Begleitgesetz festgeschrieben, dass diese nicht verbunden werden dürfen, zum anderen haben wir zusätzlich in die Grundgesetzänderung hineingebracht, dass „eine Beteiligung Privater im Rahmen von Öffentlich-Privaten Partnerschaften ausgeschlossen“ ist „für Streckennetze, die das gesamte Bundesautobahnnetz oder das gesamte Netz sonstiger Bundesfernstraßen in einem Land oder wesentliche Teile davon umfassen.“ (Art. 90, 2 GG). Waren z.B. bisher etliche, nacheinander geschaltete ÖPPs möglich, ist das künftig ausgeschlossen. Somit haben wir nicht nur Privatisierungen verhindert, sondern Türen, die bislang für die Einbeziehung privater Betreiber und institutioneller Investoren offenstanden, für die rechtlich geschlossen – und zwar durch Zweitdrittelmehrheiten, die auch für künftige Regierungen, die dies ändern wollten, eine sehr hohe Hürde aufstellt. Zudem sind ÖPP immer nur dann erlaubt, wenn sie wirtschaftlicher sind, als die herkömmliche Beschaffung (d.h. Staat und Gesellschaft bauen und betreiben selbst), was bei einer effizient arbeitenden, neuen Gesellschaft seltener der Fall sein wird, als das jetzt passiert. Deswegen macht z.B. auch die österreichische Autobahngesellschaft ASFINAG kein einziges ÖPP-Projekt, obwohl sie könnte.

Wichtig ist auch, dass die Gesellschaft nicht kreditfähig wird. Damit kann auch kein privates Kapital zu hohen Zinsen aufgenommen werden. Die Kontrolle der Gesellschaft wird künftig durch den Bundesrechnungshof sichergestellt. Letzterer hat in seinem neuen Gutachten vom 24. Mai 2017 festgestellt, dass der Änderungsantrag“ zum Gesetzentwurf „in weiten Teilen die Anregungen des Bundesrechnungshofes zur Organisation der Infrastrukturgesellschaft“ berücksichtigt. „Anstatt der ursprünglich geplanten staatsfernen soll eine staatsnahe Infrastrukturgesellschaft entstehen. Zudem sollen die Kreditfähigkeit der Infrastrukturgesellschaft eingeschränkt sowie stille Gesellschaften und Unterbeteiligungen verhindert werden.“

Dies ist ein Resultat aus den von uns vorgenommenen Änderungen von Artikel 90, Abs. 2 des Grundgesetzes: „Die Verwaltung der Bundesautobahnen wird in Bundesverwaltung geführt. Der Bund kann sich zur Erledigung seiner Aufgaben einer Gesellschaft privaten Rechts bedienen. Diese Gesellschaft steht im unveräußerlichen Eigentum des Bundes. Eine unmittelbare oder mittelbare Beteiligung Dritter an der Gesellschaft und deren Tochtergesellschaften ist ausgeschlossen.“

Damit ist klar, dass nicht nur die Bundesfernstraßen selbst in 100prozentigem Eigentum des Bundes stehen, sondern auch die Infrastrukturgesellschaft, die für deren Bau und Betrieb zuständig ist. Die Minister Schäuble und Dobrindt wären übrigens bereit gewesen, 49 Prozent dieser Gesellschaft an private Investoren zu verkaufen. Das haben wir verhindert. Die Gesellschaft bleibt zu 100 Prozent staatlich.

Ich hoffe, das klärt einiges auf.

Mit freundlichen Grüßen

Rainer Arnold