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Oliver Schruoffeneger
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Frage von Daniel N. •

Frage an Oliver Schruoffeneger von Daniel N. bezüglich Bildung und Erziehung

Sehr geehrter Herr Schruoffenegger,

im Rahmen des PW-Unterrichts der Max-Beckmann-Oberschule, haben wir als Erstwähler/innen einige Fragen:

Studiengebühren
1) Sind Sie dafür, dass Studiengebühren erhoben werden sollten?
2) Haben dadurch finanziell Schwache keine Möglichkeit einem Studium nachzugehen?

Bildungspolitik
1) Wieso hat das verschuldete Land Berlin Geld für den Bau von Denkmälern, jedoch zu wenig bzw. gar kein Geld für Arbeitsmaterialien oder Lehrkräfte für die Schulen?

Arbeitsmarkt/ -plätze
1) Wie wollen Sie dafür sorgen, dass es zukünftig genügend Arbeitsplätze gibt und zwar auch für die nicht so gut Qualifizierten?
2) Besonders wichtig ist uns die Frage, wie Sie dafür sorgen wollen, dass die meisten Schulabgänger eine Lehrstelle bekommen?

Steuern
1) Wie stehen Sie zu der Erhöhung der Mehrwertsteuer von 16% auf 18% ?
2) Was gedenken Sie gegen die Erhöhung der Benzinpreise zu tun?

Um Antwort wird gebeten.
Mit freundlichem Gruß der PW-Kurs des 11. Jahrgangs.
I.a. Daniel Najork

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Hallo an die Beckmann Schule,

leider komme ich erst jetzt dazu Ihre Fragen zu beantworten.

Studiengebühren
Ich bin dagegen, das wir eine isolierte Diskussion um Studiengebühren führen. Wenn wir diese jetzt einführen würden, würden die zusätzlichen Mitteln in Haushaltslöchern verschwinden, die Qualität der Unis würde nicht besser werden und die soziale Auslese würde sich verschärfen.
Ich bin allerdings dafür dass wir eine intensive Diskussion um die Bildungsfinanzierung in Deutschland insgesamt anfangen. Dafür gibt es zwei Gründe.
1. Alle OECD Studien beweisen, dass die soziale Auslese in Deutschland mit am stärksten ist. Das bedeutet, in fast allen Ländern - auch in denen mit Studiengebühren - haben mehr Kinder aus einkommensschwachen Schichten die Chance zu studieren als in Deutschland.
2. In Deutschland beenden nur ca 1/3 der Jugendlichen ihre Ausbildung mit einem Hochschulabschluss. Das ist viel zu wenig. Unsere europäischen Nachbarn liegen in der Regel mittlerweile bei rund 50% und das ist auch die Zielgröße die die OECD für die Industrienationen definiert. Als Land ohne Rohstoffe und mit hohen Lohnkosten haben wir in Deutschland in den nächsten 30 Jahren nur eine Chance als Wissensgesellschaft, die durch ihre erstklassig qualifizierten Menschen immer wieder neue Produkte und Techniken entwickelt und damit für Ansiedlungen von Unternehmen atraktiv wird und dem Weltmarkt etwas zu bieten hat. Das heißt letztendlich wir müssen die Zahl der erfolgreich Studierenden fast verdoppeln. Dies wird in der bisherigen Struktur der Bildungsfinanzierung nicht möglich sein, wenn gleichzeitig auch die zur Zeit unzumutbare Situation und Qualität der Unis verbessert werden muss. Wir brauchen also neue Modelle von Stiftungen, Stipendien, privaten Mitteln und staatlichen Finanzierungen um die notwendigen qualitativen und quantitativen Kapazitäten bereitzustellen.
Die einfachen Antworten wie Studiengebühren einfach einzuführen gehen völlig am Problem vorbei und verhindern nur das konsequente Angehen des Problems da sie scheinbare Lösungen bieten und damit die eigentlich notwedige sehr tiefgehende Diskussion für beendet erklären.

Arbeitsmarkt
Hier könnte ich Teile der Antwort wiederholen. Ohne einen massiven Ausbau unserer Bildung als Grundstandard wird der Standort Deutschland ein massives Problem bekommen. Wenn dies allerdings gelingt und wir damit auch für Wirtscahft und Wissenscahft wieder attraktiver werden, dann werden auch viele Arbeitsplätze im Dienstleistungsbereich entstehen, die mit geringeren offiziellen Bildungsabschlüssen ausgeübt werden können.
Kurzfristig muss es aber natürlich massive auch gesetzliche Anstrengungen zur Sicherung von Ausbildung für Jugendliche geben. HartzIV ist in dieser Hinsicht ein erfolg. Durch den Rechtsanspruch für Menschen unter 25 auf einen Arbeitsplatz ist es gelungen die Zahl der arbeitslosen unter 25-jährigen Menschen in den ersten 6 Monaten dieses Jahres um über 100.000 Personen zu reduzieren. Wir liegen mittlerweile bei der Quote der Jugendarbeitslosigkeit mit etwas über 11% (Juli) um 7 % unter dem EU-Durchschnitt. Das ist ein beträchtlicher Fortschritt, der leider in der aktuellen Diskussion leicht übersehen wird.
Absolut kontraproduktiv ist leider die Politik in Berlin. Die rot-rote Regierung baut hier eifrig die Förderung für Ausbildung für Jugendliche ab. Im Haushaltsentwurf für 2006/07 wird jetzt zum Beispiel das Programm "Ausbildung für Mädchen in atypischen Berufen", in dem bisher 170 Ausbildungsplätze für junge Frauen jährlich bereitgestellt wurden ersatzlos gestrichen. Dies alles geschieht in der politischen Verantwortung des Senators Wolf, dessen Linkspartei auf Bundesebene viele große Worte schwingt.

Steuern
Die von der CDU geplante Mehrwertsteuererhöhung ist absolut veranwortungslos. Sie wird die Binnennachfrage weiter schwächen und insb. diejenigen belasten, die gering verdienen. Stattdessen wäre es unabdingbar die vorhandenen Steuerschlupflöcher endlich zu schließen, damit sich Gutverdienende nicht durch diverse Abschreibungsmöglichkeiten arm rechnen können.
Gegen die Benzinpreiserhöhungen hilft kurzfristig wohl nur öffentlihcre Druck auf die Ölkonzerne die die schwierige Lage nach dem Unwetter im Golf von Mexiko nun ausnutzen, um in ungerechtfertigten Dimensionen die Preise zu erhöhen. Das es keine reale Notsituation auf dem Weltmärkten gibt, zeigt die Reaktion der Konzerne auf das Angebot der Bundesregierung Reserven des Bundes frei zum Verkauf zu geben. Die Konzerne haben nur 50% davon in Anspruch genommen. Die Verknappung des Öls auf den Märkten kann also nicht so schlimm sein.
Lanmgfrsitig zeigt die Situation wie notwendig die grüne Strategie "Weg vom Öl" ist. Eine Gesellschaft, deren Industrie, aber auch deren Lebensstandards zu 80% an einem Rohstoff hägen ist absolut politisch und finanziell erpressbar. Des wegen ist es unabdingbar die regenerativen Energien massiv auszubauen. Je weniger Öl wir brauchen, je hlher unser Selbstversorgungsanteil wird (Nordseeöl) desto geringer unsere Erpressbarkeit.Der Ausbau der regenerativen Energien ist auch wirtschaftpolitisch das Erfolgsmodell von rot-grün. In diesem Bereich sind in den letzten Jahren 180.000 neue Arbeitsplätze entstanden und wir sind führend auf dem Weltmarkt. Hier bieten sich neue Absatzmärkte wenn wir auch technologisch bei der weiteren Neuentwicklung zum Beispiel der Brennstoffzellen führend bleiben.

Ich hoffe, dass Se mit diesen Antworten etwas anfangen können. Schriftlich ist es natürlich immer schwer die Komplexität der Themen deutlich werden zu lassen, aber einfache JA/Nein Antworten können sie von mir nicht bekommen, denn leider ist unsere Gesellschaft nicht so einfach, auch wenn es die stark verkürzten wahlkampfparolen manchmal so erscheinen lassen.

MfG
Oliver Schruoffeneger