Vor etwa drei Monaten haben Sie dem in Deutschland und Europa verbotenen russischen TV- Sender RT (vorm. bekannt als Russia Today) ein Live Interview gegeben. Warum?
Sehr geehrter Herr Rudolph,
dem TV- Sender RT wurde von der Medienaufsicht in Brandenburg die Sendelizenz entzogen. Auch die Europäische Kommission belegte den russischen Staatssender mit einem EU- weiten Verbot. Die Gründe lagen in der Verbreitung ausschließlich einseitiger Sichtweisen russischer Politik, ohne journalistische Standards zu beachten (Propaganda). Dennoch setzen Sie sich über diese Verbote hinweg und geben diesem Sender ein Live Interview.
Sie deuten in diesem Interview an, dass die Öffentlich- Rechtlichen Medien in Deutschland es mit der Wahrheit nicht so genau nähmen. Wie sinnvoll ist es dann, einem TV- Sender ein Interview zu geben, dem man europaweit genau das vorwirft? Verwunderlich auch, dass Sie als Landespolitiker zu Themen der Bundespolitik (hier: NATO- Osterweiterung) Stellung nehmen. Verfügen Sie hier über ausreichende Expertise?
Danke für Ihre Mühe!

Sehr geehrter Herr G.,
danke für Ihr Interesse. Zu Ihren Fragen:
Das Interviewführen ist (noch) nicht verboten und ich mache im Rahmen der freien Ausübung meines politischen Mandates davon natürlich auch Gebrauch.
Die von Ihnen vertretene Sichtweise der EU-Kommission bzw. der deutschen Politik ist mir bekannt, ich teile sie aber nicht. Im Gegenteil, ich halte Zensur für falsch. Das Grundgesetz hat Presse- und Meinungsfreiheit zu Recht als wichtige Bestandteile der demokratischen Ordnung festgelegt. Wir haben in Deutschland keine guten Erfahrungen mit Zensur gemacht und sollten hier sehr sensibel sein.
Selbst wenn es so wäre, dass bei diesem Medium überproportional Standpunkte der russischen Seite vorkommen, besteht sicherlich Konsens darüber, dass in Deutschland die Grundrichtung des Großteils der veröffentlichten Meinung der Betrachtung der westlichen Politik entspricht. Der Zuschauer bzw. mündige Bürger kann in demokratischen Systemen selbst entscheiden, welche Argumentationslinien er für angebracht hält. Dafür benötigt er keine Vordenker oder Torwächter beim Zugang zu Informationen. Ich glaube an die Kraft des besten Argumentes, egal von wem es, wo auch immer, vertreten wird.
Für uns als BSW in Sachsen ist Friedenspolitik auch im Bundesland und den Kommunen zu verorten. Wir haben dahingehend in Sachsen in den letzten Monaten schon einige Initiativen gestartet und werden dies weiter tun. Über den Landtag ist es z.B. möglich, die Landesregierung zu Initiativen hinsichtlich der Außenpolitik der Bundesregierung aufzufordern. In den Kommunen können bspw. Städtepartnerschaften und Kooperationen initiiert und reaktiviert werden.
Ich äußere mich an sich nur zu Sachverhalten, bei denen ich davon ausgehe, über gute Expertise zu verfügen. Durch meine wissenschaftliche Ausbildung (hier: M.A. Politikwissenschaft) mit Interessenschwerpunkt u.a. in den Feldern der internationalen Politik und der Medienberichterstattung sowie einer langen Zeit der Beobachtung der deutschen Medienwelt scheue ich mich nicht vor Urteilen zu entsprechenden Sachverhalten.
Mit freundlichen Grüßen,
Nico Rudolph