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Lutz Heilmann
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Frage von Stefan F. •

Frage an Lutz Heilmann von Stefan F. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Heilmann,

ich musste mit Bestürzung zur Kenntnis nehemen, dass Sie mit einer fragwürdigen Begründung einem demokratischem Medium die Meinungsäusserung verweigert haben.

Für mich ergibt sich folgende Frage: Sind die unter de.wikipedia.org dargestellten Sachverhalte nicht der Wahrheit entsprechend? Wenn Ja, warum stellen Sie diese Sachverhalte, entsprechend dem Wiki-Gedanken, nicht einfach klar? Wenn Nein, warum stellen Sie sich nicht ihrer Vergangenheit?

Ich möchte Sie dringend bitten, für Klarheit in dieser Angelegenheit zu sorgen! Für mich als gebürtigen Lübecker ist es unerträglich zu wissen, dass es einen Abgeordneten des Deutschen Bundestages aus meiner Geburtsstadt gibt, der die im Grundgesetz verbrieften Grundrechte nicht achtet.

Vielleicht hilft Ihnen bei Ihren weiteren Überlegungen ein Zitat einens großen Lübeckers: "Mehr Demokratie wagen!".

Mit freundlichen Grüßen
Stefan Frauenknecht

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Frauenknecht,

ich bedanke mich für Ihre Nachricht und möchte Ihre Fragen wie folgt beantworten:

Die von mir erwirkte Einstweilige Verfügung richtete sich gegen folgende falsche Tatsachenbehauptungen in meinem Wikipedia Eintrag:
1. "(...) Heilmann warf den Lübeckern Stalinismus vor und lancierte Fotos von einer obskuren "Stalin Party" der Lübecker Linken an die Presse. Diese revanchierten sich mit Enthüllungen über einen von Heilmann mitbetriebenen Online Sexartikel-Versand und eine Anzeige wegen Nötigung gegen ihn (...) Die Berichterstattung führte am 17. Oktober 2008 zur Aufhebung von Heilmanns Immunität als Bundestagsabgeordneter durch den Immunitätsausschuss des Bundestages.

2. "Ab 1992 absolvierte er ein Studium der Rechtswissenschaften an der Freien Universität Berlin und der Christian-Albrechts-Universität Kiel, welches er 2005 nach dem ersten juristischen Staatsexamen unterbrach, weil er in den Bundestag einzog."

3. "Der Lübecker Kreisverband der Linken entzog Heilmann noch während der ersten hundert Tage seiner Amtszeit das Vertrauen und forderte ihn zum Rücktritt auf, Heilmann verließ daraufhin den Kreisverband."

4. "Es wurde jedoch mehrfach berichtet, dass Heilmann nur Teile seiner Akte zur Einsicht freigibt."

Diese Tatsachenbehauptungen entsprachen nicht der Wahrheit. Bereits im Oktober diesen Jahres wandte ich mich an den Wikimedia Verein, um eine Korrektur der falschen Punkte zu erreichen. Dies wurde mit Verweis auf die USA abgelehnt. Ich habe bewusst darauf verzichtet Eintragungen selbst vorzunehmen oder in Auftrag zu geben. Ich gehe davon aus, dass auch Sie die Berichte gehört haben, dass es Politiker gibt, die ihre Biografien frisieren. Das ist nicht mein Stil. In den letzten Jahren ignorierte ich eher das hin und her bei Wikipedia. Anfragen und Hinweise von Freunden und Bekannten beantwortete ich stets mit dem Hinweis auf eine notwendige Gelassenheit. Ich ging tatsächlich von einer Selbstregulierung aus. Dem war leider nicht so. Wie Sie sehen, haben die von mir kritisierten Tatsachenbehauptungen in der überwiegenden Zahl nichts mit meiner früheren Tätigkeit beim MfS zu tun. Lediglich einer der Punkte, der behauptet, dass ich meine Akte nicht vollständig zur Einsicht freigeben, hat mittelbar damit zu tun. Sie können meinen Antworten auf frühere Anfragen auch hier bei abgeordnetenwatch entnehmen, dass ich mich sehr wohl mit der DDR und damit auch mit meinem Leben in der DDR bis 1990 kritisch auseinandersetze. Da es Anfang November zum Eintrag weiterer falscher Tatsachen kam, sah ich keine andere Möglichkeit als die Einstweilige Verfügung. Klar stellen möchte ich noch einmal mit aller Deutlichkeit, dass es mir nicht um die Einschränkung der Meinungsfreiheit ging. Die Meinungsfreiheit ist wie alle Grundrechte konstituierend für unser demokratisches Gemeinwesen. Das sage ich auch im Bewusstsein meiner historischen Verantwortung. Angemerkt sei, dass falsche Tatsachenbehauptungen nicht von der Meinungsfreiheit erfasst sind. Mein Anliegen war der Schutz meiner Persönlichkeitsrechte.

Wie Sie sehen können, sind die von mir kritisierten Tatsachenbehauptungen auch keine Kleinigkeiten. Insofern hielt ich meine rechtlichen Schritte auch für angemessen. Unterschätzt habe ich die Wirkung, dafür habe ich den Betroffenen gegenüber mein Bedauern erklärt. Die klassischen juristischen Mittel wie Gegendarstellung und Einstweilige Verfügung sind im Bereich des Internets nicht unproblematisch. Ist das Vertrauen auf Selbstregulierung die richtige Antwort? Ist es tatsächlich so, dass jeder oder jede über jeden oder jede alles Schreiben kann und darf? Besteht nicht die Gefahr, dass Medien wie Wikipedia missbraucht werden? Dies ist der Fall, wenn man Einträge zu seinen Gunsten ändert, aber auch wenn bewusst falsche Tatsachen verbreitet werden, um anderen Menschen zu schaden. Mir fällt da immer wieder George Orwell ein, der in 1984 sinngemäß schrieb: "Eine Lüge wird zur Wahrheit, wenn sie nur oft genug wiederholt wird."

Wie Sie meiner Antwort entnehmen können, habe ich auch eine Reihe von Fragen und auf nicht alle eine Antwort.

Ich hoffe, trotzdem Ihre Fragen ausreichend beantwortet zu haben und verbleibe mit freundlichen Grüßen

Lutz Heilmann