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Frage von Felix E. •

Frage an Lothar Bisky von Felix E. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie

Wir, eine Gruppe von Mainzer Studenten, sehen uns mit dem Problem konfrontiert, dass die Veranstaltungsform ‚Übung’ bald gestrichen werden soll – sie stellt als einzige eine echte Möglichkeit zur freien Diskussion, Vertiefung nach Bedarf statt nach Plan und zu spezielleren Themen ohne Leistungsdruck dar. Zudem ist unklar, ob wir unser Studium so rechtzeitig beenden können.
Für uns ergeben sich daher die Fragen:

1. Gerade der Bachelor ist von dem Einschnitt betroffen, da es dort solche Veranstaltungen nicht mehr geben wird.
a) Finden Sie, dass freies Denken, Spezialwissen etc. einem einheitlichen Studium weichen sollten?
b) Halten Sie freies Denken für ein universitäres Lernziel, oder eher Faktenwissen?

2. Die neue Regelung zur Uni-Finanzierung scheint so zu funktionieren, dass sich aus der Zahl angebotener Veranstaltungen die der im folgenden Semester aufzunehmenden Studenten ergibt – auf mehr Angebot folgt also organisatorische und logistische Mehrbelastung.
a) Stimmt das?
b) Wenn ja, ergibt das Ihrer Meinung nach Sinn?

3. Viele Studenten haben noch unter anderen Bedingungen begonnen zu studieren.
a) Sehen Sie ein Anrecht, das Studium auch so zu beenden?
b) Könnte ein solches Anrecht die Grundlage für eine Ausnahmeregelung in der Finanzierung bilden?

4. Viele sehen das Problem darin, dass unsere Hochschulen immer mehr nach Unternehmensmaßstäben gemessen werden; dazu gehöre ein erzwungener Wettbewerb, der (z.B. og.) Sparmaßnahmen nach sich ziehe, und die Koppelung von Staats- an Drittmittel.
a) Wie stehen Sie dazu?
b) Sollte Bildung Ihrer Meinung nach marktwirtschaftlichen Regeln unterliegen?

5. Es scheint, als werde zu wenig Geld für Bildung aufgewandt. Wie sehen die Entwürfe Ihrer Partei dazu aus?

Ich möchte Sie sehr bitten, auf die Fragen einzeln und präzise zu antworten. Die Antworten müssen nicht lang sein (wenn Sie der Nummerierung folgen, reichen wenige Worte) aber sollten sich bitte nicht in Verweisen auf Parteiprogramme o.ä. ergehen.

MfG,
F. Ehlert

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Wir, eine Gruppe von Mainzer Studenten, sehen uns mit dem Problem konfrontiert, dass die Veranstaltungsform ‚Übung’ bald gestrichen werden soll – sie stellt als einzige eine echte Möglichkeit zur freien Diskussion, Vertiefung nach Bedarf statt nach Plan und zu spezielleren Themen ohne Leistungsdruck dar. Zudem ist unklar, ob wir unser Studium so rechtzeitig beenden können.
Für uns ergeben sich daher die Fragen:

1. Gerade der Bachelor ist von dem Einschnitt betroffen, da es dort solche Veranstaltungen nicht mehr geben wird.
a) Finden Sie, dass freies Denken, Spezialwissen etc. einem einheitlichen Studium weichen sollten?
b) Halten Sie freies Denken für ein universitäres Lernziel, oder eher Faktenwissen?

In unserer Vorstellung einer emanzipatorischen Bildungspolitik im Hochschulstudium ergänzen und bedingen sich Faktoren der allgemeinen Bildung und der beruflichen Ausbildung. Ein Hochschulstudium vermittelt im besten Fall anhand der Beschäftigung mit wissenschaftlichen Gegenständen berufsbefähigende Qualifikationen und trägt zur Persönlichkeitsbildung junger Menschen bei. Nicht zuletzt sollen Hochschulen auch Orte des Lernens und Anwendens demokratischer und partizipativer Prozesse und Spielregeln sein. Dazu gehört auch, dass sich Studierende nicht als Kundinnen und Kunden ihrer Hochschule verstehen, sondern als aktiv gestaltende Mitglieder.

2. Die neue Regelung zur Uni-Finanzierung scheint so zu funktionieren, dass sich aus der Zahl angebotener Veranstaltungen die der im folgenden Semester aufzunehmenden Studenten ergibt – auf mehr Angebot folgt also organisatorische und logistische Mehrbelastung.
a) Stimmt das?
b) Wenn ja, ergibt das Ihrer Meinung nach Sinn?

Damit Universitäten nicht zu elitären Einrichtungen werden, gelten in den meisten Ländern Vorschriften zur Auslastung der angebotenen Kapazitäten. Diese werden zumeist aus dem beschäftigten wissenschaftlichen Personal und der zur Verfügung stehenden Fläche errechnet. Auch in Rheinland-Pfalz dürfte diese Kapazitätsverordnung (KapVO) weiter Anwendung finden. DIE LINKE. hält diese Regelungen zwar für reformbedürftig, besonders wegen der Umstellung auf die neuen modularisierten Studiengänge, im Kern ist sie aus unserer Sicht jedoch sinnvoll. Gerade in den Zeiten der Exzellenzrhetorik und Elitewettbewerber würden viele Universitäten gern ihre Studierendenzahlen deutlich absenken. Dies wäre allerdings unverantwortlich und würde viele Menschen vom Studium ausschließen. Die Kapazitätsregelungen sind dagegen die entscheidenden rechtlichen Hürden.

3. Viele Studenten haben noch unter anderen Bedingungen begonnen zu studieren.
a) Sehen Sie ein Anrecht, das Studium auch so zu beenden?
b) Könnte ein solches Anrecht die Grundlage für eine Ausnahmeregelung in der Finanzierung bilden?

Im Prinzip sehen viele Hochschulgesetze einen Bestandsschutz für Studierende vor. Das rheinland-pfälzische wäre daraufhin zu prüfen. Bestandsschutz heißt, dass Studierende prinzipiell das Recht haben, ihr einmal begonnenes Studium auch zu beenden. Dieses Recht sollte die Universität gewähren. Allerdings unterliegt dieses Recht von Natur aus gewissen Grenzen, etwa wenn zehn Jahre nach dem Auslaufen eines Studiengangs noch Studierende in ihm eingeschrieben sind. Ausnahmeregelungen in der Finanzierung sind in Sondersituationen sicher denkbar, dürften sich allerdings zuerst bei den innerhochschulischen Verteilungsmodalitäten niederschlagen.

4. Viele sehen das Problem darin, dass unsere Hochschulen immer mehr nach Unternehmensmaßstäben gemessen werden; dazu gehöre ein erzwungener Wettbewerb, der (z.B. og.) Sparmaßnahmen nach sich ziehe, und die Koppelung von Staats- an Drittmittel.
a) Wie stehen Sie dazu?
b) Sollte Bildung Ihrer Meinung nach marktwirtschaftlichen Regeln unterliegen?

Wir halten die zunehmende Vermarktlichung in der Hochschulsteuerung für ein großes Problem. Hochschulen unterliegen eigenen Regeln und Abläufen, die von denen privater Unternehmen weit entfernt sind. Wissenschaft und Bildung haben auch keine marktförmigen Strukturen, weder in der Forschung noch in der Lehre. Wissenschaftlicher Wettbewerb um die besten Ideen, die besten Studiengänge oder eine gute Förderung von Frauen in der Wissenschaft ist notwendig und legitim. Wenn dieser richtige Wettbewerb, den wissenschaftliche Prozesse ohnehin immer in sich tragen, durch einen falschen Wettbewerb um niedrigere Kosten, mehr private Auftragsforschung oder Spitzengehälter für eine kleine Elite der ProfessorInnen behindert wird, muss dringend umgesteuert werden.

Drittmittel aus öffentlicher oder privater Hand sehen wir als zusätzliche Finanzierungsmöglichkeit für Forschungsprojekte an, die nur bei ausfinanzierten Hochschulen eine positive Wirkung entfalten können. Insoferrn halten wir auch die Koppelung von Bestandteilen der Grundfinanzierung an die Höhe der Drittmitteleinwerbung für falsch. Ohne auskömmliche Grundfinanzierung kann es keine Qualität in Studium und Lehre geben.

5. Es scheint, als werde zu wenig Geld für Bildung aufgewandt. Wie sehen die Entwürfe Ihrer Partei dazu aus?

DIE LINKE steht für eine öffentliche Ausfinanzierung der Hochschulen über die grundständigen Budgets. Diese ist im Rahmen mehrjähriger Vereinbarungen bzw. Hochschulverträge zwischen den Hochschulen und dem jeweiligen Bundesland zu gewährleisten. Dazu kommt, dass der Bund seine Verantwortung im Rahmen des Hochschulpaktes 2020 wahrnehmen muss.

DIE LINKE hat die vorläufige Vereinbarung über eine Verlängerung des Hochschulpakts begrüßt. Wir setzen uns für eine verbindliche Vereinbarung bis zum Jahr 2020 und damit für sichere Perspektiven aller Beteiligten ein. Noch stehen die Vereinbarungen unter ausdrücklichem Finanzierungsvorbehalt des Bundesfinanzministers. Wir haben eine Umsetzung in der Finanzplanung noch vor der Bundestagswahl angemahnt.

Mehrere Geburtsfehler des Hochschulpaktes sind nicht beseitigt worden:

a. es sind keinerlei qualitative Ziele verankert, wie etwa Lehrqualität (Stichwort Bologna), Geschlechtergleichstellung oder Verbesserung der Situation des Mittelbaus

b. der Länderanteil wird nicht gegengeprüft, d.h. eine Steigerung der Studienanfängerzahlen durch Steigerung der Lehrdeputate, Erhöhung der Teilnehmerzahlen in den Veranstaltungen, vermehrte Einstellung von Lehrbeauftragten, also auf Kosten der Qualität, wird durch den Hochschulpakt honoriert

c. der Pakt macht keinen Unterschied zwischen Ländern mit Studiengebühren und solchen ohne

d. der Bund zahlt weiterhin die gleiche Summe über alle Studienfächer hinweg. Damit wird die Schaffung kostengünstiger Studienplätze etwa an Fachhochschulen oder in den Massenfächern begünstigt

Der nun vereinbarte Aufwuchs der Mittel je Studienplatz auf 13.000 Euro Bundesanteil geht in die richtige Richtung, allerdings wäre eine Differenzierung nach Fächergruppen und eine Berücksichtigung der Bologna-Umstellung angemessen gewesen. Indem nicht die AnfängerInnen, sondern auch die AbsolventInnen in Bachelor und Master abgerechnet werden, könnte zumindest ein Mindestmaß an Qualitätsorientierung eingeführt werden. Der Länderbeitrag in der Finanzierung muss gegen geprüft werden, um Billigstudienplätze zu verhindern.

Mit freundlichen Grüßen

Ihr Lothar Bisky