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Klaus Uwe Benneter
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Frage von Rico H. •

Frage an Klaus Uwe Benneter von Rico H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Benneter,

in Ihrer Antwort an Herrn Gatelli, schrieben Sie:

"Europa wird durch den Vertrag von Lissabon demokratischer und sozialer. Die Bürgerrechte und Bürgerbeteiligung werden durch den neuen Reformvertrag erheblich gestärkt."

Das ist wörtlich das, was jeder Politiker ständig auf diese Frage antwortet. Inwiefern aber wird Europa demokratischer? Und warum muß es überhaupt demokratischer werden? Schon bei der gescheiterten EU-Verfassung hieß es doch die EU sei demokratisch!!!

Weiterhin behaupten Sie:

"Alle Bürgerkammern – sowohl die nationalen als auch das Europäische Parlament – erhalten erheblich mehr Kompetenzen."

Also frage ich Sie, welche Kompetenzen kriegen denn die nationalen Parlamente? Und was ist dabei das "erheblich mehr"?

Weiterhin, schreiben Sie:

"Mit dem europäischen Volksbegehren wird zusätzlich ein Element der direkten Demokratie auf EU-Ebene eingeführt. "

Mit Blick auf die dafür erforderlichen Voraussetzungen, für wie wahrscheinlich halten Sie es, das ein Solcher je zustande kommt?

Bezüglich der Sicherheitspolitik behaupten Sie:

" Mit einem Schutz gegen die eigene Bevölkerung hat das nichts zu tun."

Für wieviele Ihrer Kollegen, würden Sie da die Hand ins Feuer legen? Und woher wissen Sie, wer morgen an der Regierung ist? Stellen Sie sich ein mal vor, Ihr Todfeind "Die Linke" würde an die Regierung kommen, die Stasiapperatur würde sie demokratisch legitimiert schon vorfinden...
Im Falle der NPD wäre das Fundament der Gestapo schon gelegt.... Aber warten müssen wir ja nicht, Lidl, REWE und Telekom und wer weiß, wer noch, machen das ja schon selbst !

Sie behaupten ausserdem:

"Der Vertrag ist der sozialste Europavertrag, der bisher erarbeitet wurde."

Sagt das nicht alles über die ach so tolle EU aus?

mit freundlichen Grüßen

Rico Haaske

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Haaske,

Sie beklagen sich darüber, dass Politiker über den Vertrag von Lissabon immer dasselbe erzählen. Warum sollten sie denn Ihrer Meinung nach überhaupt etwas anderes erzählen, wenn es in der Sache doch richtig ist? Was haben Sie denn dagegen, dass Europa demokratischer wird? Es müsste doch eigentlich in Ihrem Sinne sein, wenn das Volk mehr zu sagen hat.

Ich hatte es bereits in meiner Antwort an Herrn Gatelli erklärt, wiederhole es aber gern: Europa wird demokratischer, weil die Bürgerkammern und das Europäische Parlament mehr Kompetenzen erhalten. Sowohl die Mitglieder der nationalen Bürgerkammern als auch die des Europäischen Parlaments werden unmittelbar vom Volk gewählt, weshalb diese Organe auch mehr als die anderen den demokratischen Grundsatz verkörpern. Nach dem Vertrag von Lissabon ist das Mitentscheidungsrecht des Europäischen Parlaments im Gesetzgebungsverfahren – abgesehen von einigen wenigen Ausnahmen – der Regelfall. Das ist eine deutliche Verbesserung zur bestehenden Rechtslage, wonach das Mitentscheidungsrecht nur in ausgewählten Politikbereichen gilt. Außerdem wird das Europäische Parlament künftig den Kommissionspräsidenten wählen. Damit wird das Ergebnis der Europawahlen zum mitbestimmenden Faktor für die Person des Kommissionspräsidenten.

Was die Stärkung der nationalen Parlamente betrifft, so ist entscheidend, dass sie in der Frage, ob eine Materie überhaupt auf EU-Ebene behandelt werden darf, künftig ein verbessertes Kontrollrecht haben. Ist ein nationales Parlament der Ansicht, dass die EU keine Sachkompetenz hatte, kann es den Urheber des jeweiligen Rechtsaktes bzw. die Kommission zur Überprüfung auffordern. Diese sogenannte Subsidiaritätskontrolle reicht bis zur Möglichkeit, Klage gegen den jeweiligen Rechtsakt zu erheben.

Wenn Ihnen all diese Kompetenzen banal erscheinen, möchte ich Sie umgekehrt fragen, wie Sie sich vorstellen, wie in einem supranationalen Gefüge schrittweise mehr Demokratie und zugleich Handlungsfähigkeit gewährleistet werden kann?

Für ein Bürgerbegehren auf EU-Ebene müssen sich eine Million EU-Bürgerinnen und EU-Bürger ausgesprochen haben. Diese Zahl erscheint auf den ersten Blick natürlich als sehr hoch. Wenn man aber bedenkt, dass die EU mittlerweile 27 Mitgliedstaaten umfasst und eine Million nur ca. 0,2 % der gesamten EU-Bevölkerung ausmacht, dann relativiert sich die Zahl meiner Meinung nach enorm.

Kurz zu Ihrer Anmerkung in Sachen Sicherheitspolitik: Ja, ich kann soweit für alle meine Kollegen meine Hand ins Feuer legen. Ich habe ehrlich gesagt auch keine Idee, warum wir uns vor den Bürgerinnen und Bürgern schützen sollten. Da ich nicht weiß, was derartig abwegige Gedanken bringen sollen, werde ich sie auch nicht weiter durchspielen.

Zu ihrem Vorwurf, Europa sei nicht sozial, möchte ich nur soviel sagen: Die europäische Grundrechte Charta enthält mehr soziale Grundrechte als unser Grundgesetz. Wenn Sie der Meinung sind, dass Grundrechte keinen Wert haben, ist das bedauerlich. Sie können aber der Politik nicht auf der einen Seite vorwerfen, die Rechte der Bürger zu missachten - so tun sie es zumindest mit ihrer Unterstellung in Sachen Sicherheitspolitik - und Ihre eigenen Grundrechte auf der anderen Seite selbst nicht mehr ernst nehmen. Das macht weder Ihre eigene Situation noch die Situation Europas besser.

Es mag sein, dass es bei den Entwicklungen auf europäischer Ebene auf Seiten der Politik und Medien noch immer ein Kommunikationsdefizit gibt. Letztlich liegt es aber immer auch am Betrachter, was er sehen möchte und was nicht. Wir können niemanden zwingen, Europa gut zu finden. Kritiker sollten sich aber auch einmal überlegen, dass kein europäischer Nationalstaat auf sich allein gestellt, seinen Bürgern heute noch Freiheit, Sicherheit und Wohlstand garantieren kann.

Mit freundlichen Grüßen
Klaus Uwe Benneter, MdB