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Kerstin Müller
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Frage von Ulrike B. •

Frage an Kerstin Müller von Ulrike B. bezüglich Finanzen

Guten Tag Frau Müller,

eine der zentralen, aber zu wenig thematisierten Frage des Wahlkampfes ist, wie die Lasten der aktuellen Finanz- und Wirtschaftskrise verteilt werden. Unterm Strich und auf längere Sicht drohen massive Einschnitte vor allem für einkommensschwache BürgerInnen und die öffentlichen Haushalte.

Eine Initiative von Vermögenden hat deshalb im Mai in einem öffentlichen Appell, der in den Medien viel Beachtung fand, eine zeitlich befristete Vermögensabgabe gefordert. Sie sieht vor, dass Personen mit einem Vermögen von mehr als 500.000 Euro 2009 und 2010 fünf Prozent ihres Vermögens abgeben. Außerdem fordert die Initiative, der sich mittlerweile 37 Vermögende angeschlossen haben, nach 2010 die Vermögensteuer wieder einzuführen. Mehr dazu finden Sie unter www.appell-vermoegensabgabe.de.

Nach Berechnungen der Initiative würde eine solche Vermögensabgabe in den zwei Jahren ca. 100 Milliarden Euro einbringen.

Diese Einnahmen sollen - anders als die bisherigen Konjunkturpakete - in den ökologischen Umbau der Wirtschaft, in Personal für Bildungs-, Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen sowie in die Erhöhung der Transferleistungen wie Harz IV und BaFöG investiert werden.

Einer repräsentativen Umfrage zufolge unterstützt die Mehrheit der Deutschen diese Forderungen (75 Prozent waren für ein sozial-ökologisches Konjunkturpaket und 57 Prozent für eine Vermögensabgabe).

Als Sympathisantin des Appells und Bürgerin Ihres Wahlkreises frage ich Sie: Wie stehen Sie zu diesen Forderungen? Wenn Sie eine Vermögensabgabe ablehnen, welche alternativen Lösungsvorschläge haben Sie für die sozialen und ökologischen Probleme infolge der Krise?

Mit freundlichen Grüßen,

Ulrike Bock

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrte Frau Bock,

Die Lasten der aktuellen Finanz- und Wirtschaftskrise gerecht zu verteilen - das ist eines unserer Hauptanliegen. Wir sind der Meinung, dass sich Finanzmärkte an den Interessen der Menschen orientieren müssen. Grüne Finanzmarktpolitik steht deshalb für nachhaltiges Wirtschaften, Stabilität und Verbraucherorientierung. Wir wollen einen verantwortungsvollen Umgang mit Steuergeldern bei der Bankenrettung, faire Regeln auf den Finanzmärkten, eine solidarische Besteuerung und eine wirksame Verbraucherpolitik bei Finanzprodukten.

Nicht nur die von Ihnen genannte Initiative, sondern auch wir halten es für richtig, zur Bewältigung dieser historischen Krise starke Schultern stärker in die Verantwortung zu nehmen. Unser Vorschlag sieht konkret vor, eine einmalige und zeitlich befristete Vermögensabgabe nach Artikel 106 des Grundgesetzes einzuführen, mit der zweckgebunden die Kosten zur Bewältigung der Krise getilgt werden sollen. Diese steht allein dem Bund zu und wurde eigens zur Finanzierung außergewöhnlicher Belastungen ins Grundgesetz aufgenommen.

Außerdem wollen wir bei der Einkommensteuer den Grundfreibetrag auf 8.500 Euro anheben und dadurch vor allem kleine Einkommen entlasten. Gleichzeitig wollen wir den Spitzensteuersatz durch lineare Verlängerung auf 45 Prozent ansteigen lassen, so dass Spitzenverdiener bei der Bekämpfung der Krise eingebunden werden.

In der Krise müssen jene, die mehr schultern können, auch mehr tragen - vor allem dann, wenn sie in der Vergangenheit von fehlender Regulierung profitiert haben. Deshalb wollen wir die steuerliche Absetzbarkeit von Managergehältern auf 500.000 Euro pro Jahr beschränken, bei Abfindungen auf 1 Mio. Euro. Das wird zu geringeren Zahlungen führen, weil diese für die Unternehmen teurer werden. Das Gesamtgehalt soll zu höchstens zwei Dritteln aus Bonus-Zahlungen bestehen. Das erhöht den Anreiz, langfristiger zu handeln. Wer viel riskiert, muss auch viel verlieren können.

Ganz besonders wichtig ist uns: Die Finanz- und Wirtschaftskrise zeigt die Gefahren einer Politik, die strukturelle Krisen auszusitzen versucht statt sie anzupacken. Diesen Fehler dürfen wir nicht wiederholen. Ein grüner Neuer Gesellschaftsvertrag bedeutet deshalb für uns, dass Ökonomie, Ökologie und soziale Gerechtigkeit nicht mehr gegeneinander ausgespielt werden dürfen. Wir wollen eine soziale und ökologische Wirtschaftsordnung. So müssen Bürgschaften oder Übernahmen beispielsweise daran gekoppelt sein, dass die Unternehmen sich zu einer nachhaltigen Neuorientierung verpflichten.

Wir müssen jetzt auf Innovation und Fortschritt setzen statt auf den vergeblichen Versuch, überholte Strukturen künstlich zu konservieren. Mit unserem Green New Deal wollen wir in Klima, Gerechtigkeit und Bildung investieren. Der Ausbau der Erneuerbaren Energien, neue Schienen- und Energiegesetze, ein besserer ÖPNV, die Steigerung der Energieeffizienz und vieles mehr - damit schaffen wir eine Million Jobs.

Wenn neue Schulden aufgenommen werden, ist jeweils entscheidend, ob für die künftigen Generationen damit eine eindeutige Zukunftsrendite verbunden ist. Bei Investitionen in den Klimaschutz ist dies zum Beispiel der Fall - nur dann finden wir Schulden gerechtfertigt. Gute Wirtschaftspolitik ist nicht Interessenpolitik für Wirtschaftsverbände, Lobbygruppen und Wohlhabende, sondern Interessenpolitik für die Zukunft. Dafür steht unser grüner Neuer Gesellschaftsvertrag.

Mit freundlichen Grüßen,

Kerstin Müller