Katharina Seifert
DIE LINKE
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Frage von Lina K. •

Frage an Katharina Seifert von Lina K. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Sehr geehrte Frau Seifert,

wir sind Schüler der Altenpflege in Hamburg und stellen uns häufig die Frage, warum - trotz des gesetzlich vorgeschriebenen Personalschlüssels der "Heimpersonalverordnung" - die Arbeit der Pflegekräfte in vielen Heimen nach "Akkordarbeit" abläuft. Die knappe Zeit, die wir mit unseren Bewohnern zur Verfügung haben, lässt ich mit unserem Gewissen, aber auch mit unserer zur Verfügung stehenden Kraft kaum vereinbaren. Weder die Heim-Bewohner noch das Pflegepersonal sind so zufrieden gestellt.

Könnte es sein, dass die Heime den Pflegeschlüssel umgehen oder liegt es eventuell auch daran, dass Urlaubs-, Krankheits- und Eltern-Zeiten etc. nicht aus dem Personalschlüssel herausgerechnet werden?

Welche Vorschläge hat die PDS, um den Pflegenotstand in den Heimen zu verbessern?

Können mit dem neuen Hamburger Pflegegesetz verbesserte Standards entwickelt werden, z.B. Erhöhung des Pflegepersonals?

Über eine Antwort würden wir Pflegeschüler uns sehr freuen.

Mit freundlichen Grüßen

Kathi, Nicole, Nathalie und Lina

Antwort von
DIE LINKE

Liebe Lina, Kathi, Nicole und Nathalie,

vielen Dank für die Frage. Zunächst einmal, möchte ich mich für die späte Antwort entschuldigen. Die Pflegesätze sowie die Personalschlüssel in der ambulanten und stationären Pflege sind katastrophal. Urlaub, Krankheit und Elternzeiten hat es immer schon gegeben. Es stellt kein Problem dar, dies in seiner Planung einzubeziehen. Darüber hinaus gibt es Pflegedienste, die sich auf Heime etc. spezialisiert haben und dort Arbeitskräfte kurzfristig ausleihen, wenn mal unerwartet jemand ausfällt etc. Dies stellt also keine ernsthafte Problematik in der Gestaltung der Pflege dar, die liegt ganz woanders.

Aus meiner langjährigen Erfahrungen kann ich den heutigen Zustand gut mit dem früheren vergleichen. Einen Trend in der Pflege von immer schneller und zunehmend weniger persönlich bzw. menschlich muss ich leider beobachten.

Gerade für jüngere Menschen, die oftmals aus Idealismus diesen doch eigentlich schönen Beruf erlernen (bzw. möchten), muss es eine herbe Enttäuschung sein, wenn man dann mit solch knapp bemessenen Zeiten für die Pflege der Menschen konfrontiert wird. Dieser Beruf wird vielfach erlernt, damit man Menschen helfen kann. Leider ist nur noch eine Versorgung nach dem Motto: „satt und sauber“ möglich. Diese ist weder für die zu Pflegenden noch für die Pflegenden zufrieden stellend. Sicherlich kann man sich vereinzelnd noch ein wenig Zeit extra nehmen, mehr als es laut den „Leistungskomplexen“ vorgesehen ist, um hier und dort noch ein wenig Gutes zu tun. Mal mit ihnen reden, darauf zu achten, dass sie ausreichend trinken und sich wirklich Zeit nehmen, ihnen beim Essen behilflich zu sein. Ältere können nicht mehr so schnell essen und trinken, dennoch wird dafür nicht ausreichend Zeit vorgesehen. Die Vorgesetzten bringen dafür meistens Verständnis auf. Sie kennen ja oftmals noch die Situation vor den Reformen. Zumindest kann ich das für den ambulanten Bereich sagen. Ich hoffe, dass dies auch für den stationären Bereich gilt. Doch wie lange mag das noch so gehen? Was ist, wenn eine neue Generation die Pflege übernommen hat? Nehmen sie sich aus ihrem Selbstverständnis die notwendige Zeit? Woher soll dieses Selbstverständnis denn kommen, wenn es nur noch in Ausnahmefällen praktiziert werden kann?

Die für die unterschiedlichen Leistungskomplexe vorgesehenen Punkte, nach denen entgolten wird, rechtfertigen aus wirtschaftlichen Gründen kaum noch die notwendige Zeit für eine gute und umfangreiche Behandlung. Dies führt dazu, dass die Pflegesätze nicht ausreichen und die „Klienten“ nicht darum kommen, Leistungen aus eigener Tasche zu bezahlen. Hier entsteht ein Markt für private Pflege(zusatz)versicherungen.

Die jetzigen Reformen programmieren Altersarmut vor und in Zukunft wird es nicht nur Altersarmut geben, sondern zusätzlich eine massive Unterversorgung in der Pflege. Die Pflegeleistungen müssen massiv erhöht werden. Der Leistungskatalog muss sich am Bedarf der zu Pflegenden richten.

Durch den demografischen Wandel (wir werden immer älter und haben immer weniger Kinder) ist es umso wichtiger, diesen Beruf wieder attraktiv zu machen und ihm einen entsprechenden Stellenwert innerhalb der Gesellschaft zu geben. Dafür ist es auch wichtig, dass dieser Beruf gut entlohnt wird und die Arbeitsbedingungen eine Pflege zulassen, die alle zufrieden stellt und ein menschliches Altern ermöglicht. Wenn ich mit jungen Menschen spreche, höre ich oft ihre Besorgnis, wer sie wie einmal pflegen wird und ob sie es sich trotz einer 30-35 jährigen Lebensarbeitszeit überhaupt leisten können.
Ein solch sensibler Bereich darf nicht den Profitinteressen unterstellt werden. Pflege und Gesundheit sind eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Dem Argument, die Pflege wäre weder finanzierbar noch könnten die Lohnnebenkosten weiter belastet werden, kann ich nicht zustimmen. Wären die Löhne entsprechend den Produktivitätszuwächsen gestiegen, hätten wir wesentlich mehr Geld für die Pflege und dem Gesundheitswesen im Allgemeinen zur Verfügung. Im Übrigen wächst doch das Bruttoinlandsprodukt von Jahr zu Jahr. Das bedeutet, es ist immer mehr Geld vorhanden. Es muss nur anders verteilt werden. Dann hätte die Jugend auch nicht mehr so viel Angst, in die Zukunft zu blicken.

Es bedarf einer grundlegenden Änderung der Pflege sowie des Gesundheitswesens, wenn wir die Zukunft sicher gestalten wollen. Der demografische Wandel ist kein Problem, sondern eine Chance Beschäftigung im Gesundheitsbereich zu schaffen, damit viele Menschen einen sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplatz erhalten. Die unausgeglichene Verteilung der Einkommen und das ungebremste Verfolgen von Unternehmerinteressen im Gesundheitsbereich, der aus gutem Grund zuvor nicht marktwirtschaftlich organisiert war, sind für mich die größten Probleme.

Ich hoffe, Ihnen weiter geholfen zu haben und, dass Sie trotz der Widrigkeiten, Ihren Beruf weiterhin ausüben wollen. Auf Bundesebene setzen wir, DIE LINKE, uns weiterhin dafür ein, dass die Pflege sowie das Gesundheitswesen insgesamt wieder menschlicher werden und in staatlicher Verantwortung bleibt bzw. kommt.

Mit freundlichen Grüßen
Katharina Seifert