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Hans Harald Gabbe
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Frage von Simone H. •

Frage an Hans Harald Gabbe von Simone H. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Sehr geehrter Herr Gabbe,
kürzlich vernahm ich bei einer Wahlkampfveranstaltung, dass Sie nicht nur prinzipiell für die Einführung von Mindestlöhnen sind(was ich sehr begrüße), nein Sie gehen noch weiter und fordern für Arbeitslose das gleiche "Mindestgeld". Der Mensch an sich ist aber nicht edel, hilfreich und gut- sondern mitunter leider auch faul und bequem. Wie sollen die weniger aktiven da noch angeregt werden sich um Arbeit zu bemühen??
Ich kenne viele Menschen, die weniger verdienen als den ALG II Satz- aber sie gehen arbeiten!!! Und dann kenne ich viele, die noch nie in Ihrem Leben etwas geleistet haben, aber mit Sprüchen kommen wie: "Ich verkaufe mich nicht unter meinem Wert!". Wollen Sie ernsthaft diese beiden deutschen Menschentypen auf eine Stufe stellen?

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrte Frau Heuser,
vielen Dank für Ihr Interesse an den Positionen der Linkspartei.PDS.

Die Zahl nicht Existenz sichernd bezahlter Arbeitsplätze ist in den vergangenen Jahren erheblich angewachsen. Die Hartz I bis IV-Gesetze haben diesen Trend mit Mini-Jobs, Ich-AG und 1-Euro-Jobs dramatisch verstärkt. Ca. 2,5 Millionen Erwerbstätige in Deutschland erhalten heute ein Einkommen unterhalb der Armutsgrenze (weniger als 50 Prozent des Durchschnittslohns).. Nimmt man die Millionen Teilzeitbeschäftigten oder Mini-Jobber hinzu, dann dürfte jeder zehnte Erwerbstätige mit seinem Einkommen unter der Armutsgrenze liegen. Damit hält die Bundesrepublik die Richtwerte der Europäischen Sozialcharta nicht ein, die mindestens 68 Prozent des nationalen Durchschnittslohns verbindlich vorschreibt.

Tarifverträge und -löhne werden in der öffentlichen Debatte unter Hinweis auf die Massenarbeitslosigkeit zunehmend als Besitzstandswahrung diffamiert – mit der Folge, dass immer mehr Arbeitsverhältnisse Armutslöhne nicht ausschließen.

Diese Armut trotz Arbeit wird von keiner der Bundestagsparteien außer der Linkspartei.PDS ernst genommen. Unsere Antwort auf die zunehmende Abwärtsspirale bei der Lohnentwicklung ist die Forderung nach einem gesetzlichen Mindestlohn, wie es ihn in vielen Ländern wie z.B. Großbritannien bereits gibt.

Das hatte PDS schon 2002 in einer parlamentarischen Initiative im Bundestag gefordert, der gegen die Stimmen der PDS von allen anderen Fraktionen abgelehnt wurde. Auf dem Parteitag im Jahre 2004 hat die PDS beschlossen, für einen einheitlichen gesetzlichen Mindestlohn in Höhe von 1.400 Euro brutto, das sind 992 Euro Netto, zu kämpfen. Dieser Mindestlohn soll dynamisiert und an die Tarifentwicklung angepasst werden. Bereits bestehende Mindestlohnvorschriften, wie etwa im Baugewerbe, müssen gegebenenfalls so verändert werden, dass die günstigere Regelung greift.

Von Kritikerinnen und Kritikern auch aus den Reihen der Gewerkschaften wird häufig eingewendet, dass ein gesetzlicher Mindestlohn in die verfassungsrechtlich geschützte Tarifautonomie von Gewerkschaften und Arbeitgebern eingreifen würde.

Dazu gibt es drei Antworten:

Erstens schließt die Tarifautonomie nicht die gesetzliche Festlegung von Mindestarbeitsbedingungen aus, wie zum Beispiel im Arbeitszeitgesetz oder im Bundesurlaubsgesetz geschehen.

Zweitens wird es der Bundesregierung durch das Tarifvertragsrecht ausdrücklich gestattet, Mindestarbeitsbedingungen zu verordnen.

Drittens wird die Tarifautonomie durch die Macht des Faktischen bereits jetzt gebrochen: Die Gewerkschaften sind auf Grund der veränderten Beschäftigungsstruktur und der zahlreichen tariffreien Zonen in vielen Branchen kaum noch zur Durchsetzung von Tarifverträgen in der Lage. In vielen Bereichen mussten Tarifverträge hingenommen werden, die den Mindestlohn weit unterschreiten.

Arbeit darf nicht arm machen, von Arbeit muss man leben können!

MIt freundlichen Grüßen

Hans Harald Gabbe

PS: Die 30-seitige Broschüre unter dem Titel "Faule Arbeitslose?" - Politische Konjunkturen einer Debatte von Frank Oschmiansky, Silke Kull und Günther Schmidt kann im WZB unter der Bestellnummer FS I 01-206 angefordert werden oder im Internet als pdf-Dkomunet heruntergeladen werden (www.wz-berlin.de)