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Hans-Christian Ströbele
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Frage von Ralf O. •

Frage an Hans-Christian Ströbele von Ralf O. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Hallo Herr Ströbele,

1)in der chinesischen Volkszeitung befürchtet Milligan-Whyte, daß die Finanzkrise noch lange nicht vorbei ist und die USA sich quasi"entschulden" und damit den Dollar als internationaler Reservewährung in den Abgrund stürzen könnten. Seine "New School of American-Chinese Partnership" schlägt daher vor, daß die USA und China einen Neubeginn machen sollen.
Die USA solltenihre Außenpolitik sinisieren und sich entsprechend Deng Xiaoping und den 5 Prinzipen der Friedlichen Koexistenz ausrichten.Ökonomisch indem die USA ihre Billionen von Auslandsschulden an China in reale Werte transformieren (equity swap), d.h.daß die US-Regierung sich aktiv chinesischen Investitionen öffnet und gemeinsame sinoamerikanische global ventures gründet, die die materielle Basis für eine neue Art G-2 bilden sollen.Als Vorbild sollte eine chinesische Automobilfirma in Europa 45% an General Motors erhalten und Global Motors gründen. Ähnliches wird für andere US-Unternehmen, Banken und Ölunternehmen vorgeschlagen.Desweiteren sollten die USA und China ein Militärbündnis eingehen.Inwieweit sehen sie diesen Vorschlag als realistisch und wäre für Europa nicht ähnliches denkbar?Wie schätzen sie die Gefahr ein, daß die USA und China gemeinsam gegen den Rest der Welt vorgehen könnten (vgl.SZ: Joschka Fischer)?

2) China hat erstmals mit der Türkei Luftmanöver "Anatolian Eagle" abgehalten. In dem Forum der Volkszeitung wird dies als "desaster for NATO" goutiert.Rücken China, Türkei und Iran näher zusammen? Bleibt die Shanghai Cooperation Organization eine regionale, zentralasiatische Organisation oder ist sie auf dem Weg, eine Anti-NATO zu werden? Chinas Seidenstraßenstratgei hat nun über Zentralasien auch die Türkei, Iran und Griechenland (Kauf des Hafens von Pireäus)erreicht. Wie kann man die Türkei überhaupt noch an die EU und die NATO binden, wo doch schon chiensiche Kampfflugzeuge über dem Bosporus kreisen und Rußland der Türkei Atomtechnologie liefert (Atomwaffen)?

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Ostner.

Die chinesische Volkszeitung lese ich nicht. Trotzdem weiß ich, daß für Amerika die wirtschaftlichen Beziehungen zu China immer wichtiger geworden sind und in der Gesamtbedeutung denen zu den europäischen Staaten mindestens gleich stehen. Das gilt für Länder in Südamerika, aber auch für die USA. Derzeit scheinen diese Beziehungen der USA mit China eher konfrontativ als kooperaiv ausgerichtet. Ob die riesigen wirtschaftlichen und finanziellen Probleme, die beide Länder miteinander haben, durch gemeinsame sinoamerikanische global ventures gelöst werden könnten, kann ich nicht beurteilen. Ich gehe aber davon aus, daß zu einer so engen Kooperation und gar noch zu einem Militärbündnis, die ja auch zu noch mehr gegenseitiger Abhängigkeit führen würden, auf beiden Seiten keine Bereitschaft besteht.
Ähnlich wenig realistisch sehe ich solche Überlegungen für Europa, zumal Europa weit entfernt von einer einheitlichen Außen- und Außenwirtschaftspolitik ist und die europäischen Staaten in dieser Frage kaum zu einer einheitlich Meinung zu bringen sein werden.
Vereinbarungen und gemeinsames Vorgehen von China und den USA berücksichtigen schon heute europäische Interessen oder solche der restlichen Welt wenig oder gar nicht. Die Gefahr eines gemeinsamen Vorgehens der beiden Staaten sehe ich darüber hinaus derzeit nicht sondern eher Gefahren für die restliche Welt aus stärker werdenden Koonfrontation.

Daß die Türkei sich in den letzten Jahren immer mehr politisch und ökonomisch auch Richtung Iran, China und Rußland orientiert ist unübersehbar. Schuld daran ist die deutsche und europäische Politik der Konservativen, die der Türkei den Weg in die EU entgegen allen früheren Versprechungen und Vereinbarungen versperren will. Für China bietet sich damit die willkommene Gelegenheit, seinen wirtschaftlichen und politischen Einfluß, der in Ländern Afrikas zuweilen schon den Europas in den Schatten stellt, auf die Türkei und über die Türkei auf die Länder rund um das Mittelmeeer auszudehnen. Die Chance wird vertan, die Türkei in der EU fest politisch und wirtschaftlich einzubinden. Auch deshalb ist die Ablehnung des Beitritts der Türkei in die EU und der Beitrittsperspektive durch die CDU politisch falsch und verhängnisvoll.

Mit freundlichem Gruß
Ströbele