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Hans-Christian Ströbele
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Frage von Reinhard W. •

Frage an Hans-Christian Ströbele von Reinhard W. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Ströbele,

nun sickern ja mehr und mehr Informationen über die Bilderberg-Treffen zu uns Bürgern durch. Ich muss zugeben, dass es mich erstmal geschockt hat, zu erfahren, wie lange man diese Veranstaltungen geheimhalten konnte und was für (nicht immer unplausible) Spekulationen darüber im Internet zu finden waren, nicht zuletzt wegen dieser Geheimniskrämerei.

Erst danach erfahre ich, dass doch Frau Merkel und Herr Westerwelle und andere MdBs an diesen Treffen beteiligt waren, face-to-face mit den Herren Ackermann, Rockefeller, Döpfner, mit dem Geldadel und mit Nato-Generalsekretären und mit noch etwa 100 anderen aus denselben „Branchen“. Was für ein Vertrauensbruch v. a. angesichts einer nun intensiv betriebenen Sparpolitik der Regierung, in der die Wohlhabensten bislang so glimpflich davonkommen.

Es mag ja mitunter nützlich sein, einen „privaten“ Gedankenaustausch mit einflussreichen Persönlichkeiten aus der Wirtschafts-, Finanz- und Medienwelt zu haben, aber wenn ich diese Meetings vor dem Hintergrund der Duckmäuserei der regierenden Politiker gegenüber der Finanzwelt betrachte, reduziert sich mein Verständnis dafür drastisch.

1) Welchen Eindruck haben Sie von diesen Treffen?
2) Wie bekannt sind diese Meetings unter den Bundestagsabgeordneten überhaupt?
3) Werden sie im Plenum namentlich zur Sprache gebracht?
4) Wenn sich bei den Bilderberg-Treffen MdBs mit und ohne Regierungsverantwortung freiwillig dem Einfluss äußerst reicher und mächtiger Personen aussetzen, für wie plausibel halten Sie dann
a) eine beabsichtigte (Weiter)Verschuldung der Staatshaushalte und damit Machtübertragung der Politik an die Finanzwelt, eine Konsolidierung des Niedriglohnsektors und Sozialabbau in Deutschland?
b) eine mittels Regierungen verdeckte Inszenierung von Finanz- und Wirtschaftskrisen?
5) Gab es schon parlamentarische Anfragen einer Fraktion zur Aufklärung der Inhalte der Treffen und der Legitimität des Schweigens darüber?

Schöne Grüße

Reinhard Weng

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Weng.

Keine Ahnung, was auf den Bilderberg-Treffen besprochen oder gar beschlossen wird. Ich nehme aber an, daß es überwiegend um allgemeine Statements oder auch Gespräche geht, die dort in kleinem Kreis geführt werden. Der Teilnehmerkreis ist offensichtlich so weit und unübersichtlich, daß wichtige kontrete Themen dort kaum besprochen und schon gar nicht Beschlüsse gefaßt werden. Aber ich weiß es nicht, das sind nur meine Vermutungen. Mit Kollegen Bundestagsabgeordneten habe ich über diese Treffen höchstens mal beiläufig gesprochen. Ich vermute, daß die meisten davon nichts wissen, jedenfalls nicht mehr als ich.
Ich kann mich nicht erinnern, daß diese Treffen jemals im Plenum des Bundestages diskutiert oder auch nur erwähnt wurden.
Da es sich um private Treffen handelt, an denen neben Politikern überwiegend andere Personen teilnehmen, wird die Bundesregierung zu diesen Treffen und dem, was dort gesprochen wurde, jedenfalls substanziell nicht viel sagen.
Ich meine, daß eine entsprechende Antwort in der Vergangenheit auf eine parlamentarische Anfrage auch schon mal gegeben wurde.
Ich nehme an, Sie übersehen, daß Politiker in Berlin sich ständig freiwillig dem Einfluß reicher und mächtiger Personen aussetzen. Um sich mit solchen Leuten zu treffen, müssen die Minister und Abgeordneten nicht zu einer größeren Versammlung zu Bilderberg-Treffen reisen. Die Reichen und Mächtigen stehen - bildlich gesprochen - täglich vor der Tür ihrer Büros und Wohnungen in Berlin. Es sollen mehr als 4ooo Lobyisten sein, die ihre Büros im oder rund um das Regierungsviertel haben. Bekannt sind Geburtstagsfeiern im kleinsten Kreis von Bankenvertretern sogar im Kanzleramt, gemeinsame Frühstücke von Spitzen der Regierung mit solchen und zuweilen arbeiten auch Industrie- und Bankangestellte direkt in den Ministerien an Gesetzentwürfen mit oder die Anwaltskanzleien, die die Interessen der Banken vertreten, schreiben gleich die Gesetesvorschläge für die Regierung. Wie wir wissen, wurden die Finanzhilfen in dreistelliger Milliardenhöhe per SMS und nachts per Telephon zwischen der Regierung und den Mächtigen aus den Banken vorbesprochen und auf den Weg gebracht.
Nein, um sich den Einflüssen der Reichen und Mächtigen auszusetzen, sind Bilderberg-Treffen die schlechtere Varariante.

Deshalb sehe ich die Bedeutung solcher Treffen nicht sehr hoch.
Trotzdem werden wir mal nachfragen ohne viel Hoffnung auf eine weiterbringende Antwort.

Mit freundlichem Gruß
Ströbele