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Hans-Christian Ströbele
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Frage von Eberhard Z. •

Frage an Hans-Christian Ströbele von Eberhard Z. bezüglich Verbraucherschutz

Schön dass so viele Grüne und auch Sie auf der "Freiheit-statt-Angst"-Demo waren. Zu den Errungenschaften der rot-grünen Bundesregierung gehören indes immerhin drei Gesetzes-Initiativen, die dem Anliegen der Demonstration krass zuwiderlaufen:

1. das als über den Tod hinausreichende Steuer-Nummer eingeführte Personenkennzeichen (vgl. dazu die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts) - Freiberufler und Selbständige müssen schließlich die Steuer-Nummer auf allen Briefen, Rechnungen und Quittungen angeben.

2. die personenbezogene Zentral- und Totalerfassung aller Gesundheitsdaten (gläserner Patient).

3. die Vorarbeiten zum ELENA-Verfahrensgesetz ("elektronischer Einkommensnachweis"), das jetzt personenbezogen alle Einkommen eines jeden Bürgers in einer Zentraldatei erfassen soll (auch hier: Vorratsdatenspeicherung!), und mittels einer Zertifizierungskarte insbesondere den Jobcentern zugänglich gemacht werden soll. vgl.: https://www.datenschutzzentrum.de/elena , http://www.bfdi.bund.de/cln_118/DE/Oeffentlichkeitsarbeit/Pressemitteilungen/2009/PM_02_09_DatenschutzrechtlicheVerbesserungenELENA.html?nn=409950

Zumindest für die dritte Bundesregister-Datei läuft derzeit noch die Frist für die Einreichung eines Normenkontrollverfahrens in Karlsruhe.

Werden Sie klagen? Warum haben Sie gegen die ersten beiden datenschutzrechtlich höchst bedenklichen Gesetze nicht geklagt?

Mit bestem Gruß

Eberhard Zastrau

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Zastrau,

In der Tat bestehen bei der derzeitigen Steueridentifikationsnummer Mängel. Das Gesetz muss deshalb überarbeitet werden. Die Lage ist jedoch nicht vergleichbar mit der der Vorratsdatenspeicherung. Es muss eine klare Zweckgebundenheit verankert werden und der Missbrauchsgefahr gesetzlich vorgebeugt werden. Außerdem soll der Bürger erst steuerlich erfasst werden, wenn er das erste Mal Kontakt mit dem Finanzamt hat, so dass das Prinzip der Datensparsamkeit eingehalten wird.

Die Gesundheitskarte sehe ich auch kritisch. Aber es gibt einen entscheidenen Unterschied zu den Dateien, wie der Vorratsdatenspeicherung, in die Millionen Unverdächtige aufgenommen werden, ohne daß sie sich dagegen wehren können. Die Nutzung der Gesundheitskarte ist nämlich freiwillig und bedarf des ausdrücklichen Einverständnisses der betroffenen Bürgerinnen und Bürger. Mit einer umfassenden Aufklärung über die Risiken kann also verhindert werden, daß diese sich weiterer umfassender Beobachtung und Speicherung ihrer sensibelen Gesundheitsdaten aussetzen. Aber auch hier muß noch mehr getan werden, um effektiver der Gefahr des Mißbrauchs der Daten vorzubeugen. Der Datenschutz muß durch technische Vorkehrungen und Kontrolle, gewährleistet werden. Unter dieser Voraussetzung sieht auch Peter Schaar, der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, sieht bei der elektronischen Gesundheitskarte keine grundsätzlichen datenschutzrechtliche Probleme. Er hat darauf verwiesen, dass grundsätzlich alle medizinischen Daten nur mit ausdrücklicher Einwilligung des Patienten gespeichert werden dürfen.

Das ELENA-Verfahrensgesetz kann helfen, Bürokratie abzubauen. Aber wir haben Änderungsvorschläge gemacht, die wirksame datenschutzrechtliche Regelungen bei der zentralen Speicherung der Entgeltdaten forderten. Unsere Forderungen wurden leider abgelehnt. Wir setzen uns weiterhin dafür ein, dass nachgebessert wird.

Klagen beim Bundesverfassungsgericht sind nur dann sinnvoll, wenn die formalen und inhaltlichen Voraussetzungen gegeben sind. Dies ist stets genau zu prüfen und nicht immer der Fall, selbst wenn das jeweilige Gesetz problematisch ist. Nicht jedes falsche Gesetz ist auch verfassungswidrig. Der große Aufwand setzt auch den Abgeordneten Grenzen bei der Erhebung von Verfassungsklagen oder Beschwerden. Ich habe in den letzten Jahren gemeinsam mit der grünen Fraktion zahlreiche Eingaben beim Verfassungsgericht eingereicht nicht nur wegen Verletzung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung (Datenschutz) wie gegen die Vorratsdatenspeicherung, sondern auch gegen die Bundeswehreinsätze beim G-8-Gipfel in Heiligendamm und Nichtbeantwortung von parlamentarischen Anfragen oder die Weigerung, Geheimdienstakten herauszugeben. Viel mehr ist nicht drin.

Mit freundlichem Gruß
Ströbele