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Frage von Christian E. •

Frage an Günter Gloser von Christian E. bezüglich Recht

Sehr geehrter Herr Gloser,
zunächst möchte ich einen Hinweis in eigener Sache formulieren:
Ich distanziere mich ausdrücklich davon, Kindesmißbrauch und Kinderpornografie zu befürworten! Ich kämpfe seit Jahren gegen die Produktion und Verbreitung dieser abscheulichen Dokumente und war zunächst Feuer und Flamme für die Novelle des Telemediengesetzes, bis ich den Inhalt einmal genauer betrachtet habe.

Wie stehen Sie zur Novelle des Telemediengestzes in der aktuell vorliegenden Form?
Sind auch sie der Meinung, dass ein (auch für Laien leicht zu umgehendes, vorgehangenes "Stoppschild") ein wirkungsvoller Schutz gegen die Produktion und Verbreitung von Kinderpornografie ist?
Das Haus eines Kinderporno-Händlers würde die Polizei ja auch nicht nur mit einem Vorhang verhüllen. Ein Stoppschild mit der Aufschrift “Tatort! Eintritt verboten!” vor dem Haus aufzustellen, während hinter dem Vorhang alles weitergeht wie zuvor, ist keine Verbrechensbekämpfung, oder..?
Auf die Risiken und den nicht vorhandenen Nutzen eines solchen Gesetzes hat nicht zuletzt der wissenschaftliche Dienst im Bundestag ausdrücklich ingewiesen!

Sind auch sie der Meinung, dass das BKA dazu ermächtigt werden soll, gleichzeitig Kläger und Richter, vorbei an der Gewaltenteilung, zu sein und ohne jegliches Kontrollorgan Sperrlisten erstellen darf?

Wie stehen sie zu der ePetition "Internet - Keine Indizierung und Sperrung von Internetseiten", die innerhalb der ersten Woche der Zeichnung bereits über 75.000 besorgte Petenten gewinnen konnte? Halten auch Sie die Petenten für Kinderschänder?

Ich persönlich habe ANGST davor, was in Zukunft so alles auf der unkontrollierbaren Sperrliste landen kann.

1961 wurde der Satz geprägt "Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten" - ich bete dafür, dass sich die deutsche Geschichte nicht wiederholt!

Ich bitte Sie darum, sich ausführlich mit diesem Thema auseinanderzusetzen und erst dann Ihre Stimme für oder gegen die Novelle abzugeben.

Hochachtungsvoll,

Christian Eberle

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Eberle,

danke für Ihre Frage vom 13. Mai. Ihre Argumente sind mir bekannt und sie decken sich ja zum großen Teil auch mit der Petition „Internet - Keine Indizierung und Sperrung von Internetseiten“ von Frau Franziska Heine vom 22.04.2009. Wie ich sehe, unterstützen nach heutigem Stand schon über 75.000 Personen diese Petition, so dass Sie sicher seien können, dass Ihre Argumente im Petitionsausschuss, aber auch in den anderen mit der Bekämpfung von kinderporno­graphischen Inhalten befassten Gremien genau zur Kenntnis genommen werden.

In dieser Frage bin ich bereits Anfang März angeschrieben worden, damals aber mit genau umgekehrter Zielrichtung – mit Empörung darüber, dass die SPD angeblich das Recht von Kinderschändern schützen wolle, sich solche Bilder im Netz anzuschauen. Damals wie heute muss ich auf dieses Thema differenziert eingehen und kann mich daher leider auch Ihrer Argumentation oder der oben genannten Petition nicht einfach anschließen.

Ihre Bedenken sind aus meiner Sicht aber nicht unberechtigt. Natürlich bedeutet eine Einschränkung des Internetverkehrs einen Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Die Frage besteht darin, ob dieser Eingriff berechtigt ist und ob das Verfahren geeignet ist, die Ziele der Maßnahme zu erreichen. Beides ist wichtig für die Abwägung der betroffenen Rechtsgüter: Schutz der Kinder und Durchsetzung des Verbots von kinderpornographischen Darstellungen einerseits und Freiheitsrechte andererseits

Wie Sie wissen, ist das Gesetzgebungsverfahren gerade erst eröffnet. Der federführende Rechtsausschuss wird sich in dieser Woche erstmals mit dem Vorschlag der Bundesregierung befassen, die Beratungen in den mitberatenden Ausschüssen, in den Fraktionen und im Plenum stehen noch aus. Bislang besteht ja nur eine vertragliche Vereinbarung zwischen Bundesregierung und einigen Providern. Es ist also auch noch viel zu früh, endgültig Stellung zu nehmen. Gerne stelle ich Ihnen aber kurz dar, auf welcher Grundlage ich die Diskussion verfolgen und meine Entscheidung am Ende treffen werde.

Zuallererst möchte ich sagen, dass ich es unerträglich fände, wenn wir nicht alles, wirklich alles unternehmen würden, um Kinder vor Missbrauch zu schützen. Und Missbrauch ist dabei nicht nur der Missbrauch selber, sondern auch dessen Zurschaustellung und Weiterverbreitung über welches Medium auch immer. Das Sperren von Internetseiten, die solche Darstellungen enthalten, ist _eine_ mögliche Maßnahme in diesem Zusammenhang. Ich möchte an dieser Stelle nicht auf die vielen anderen Maßnahmen eingehen, die mit demselben Ziel in den letzten Jahren bereits umgesetzt wurden oder derzeit diskutiert werden. Ich will nur darauf hinweisen, dass das Sperren von Internetseiten eben nur einer von vielen möglichen Wegen ist. Wenn dieser Weg aber geeignet ist, den Zugang zu solchen verbotenen Materialien deutlich zu erschweren und wenn die offenen rechtlichen und verfahrenstechnischen Fragen geklärt sind, dann werde ich dem am Ende auch zustimmen.

Nun also zu den angesprochenen Fragen, die aus meiner Sicht noch offen sind. Zunächst hat schon die Bundesministerin der Justiz zu Recht darauf hingewiesen, dass die Frage der Zuständigkeit des Bundeskriminalamtes genau geprüft werden muss. Für die Rolle des BKA muss es also einen klaren rechtlichen Rahmen geben. Außerdem muss eine gesetzliche Regelung sicherstellen, dass die Praxis der Sperrung wirklich nur für Seiten mit kinderporno­graphischen Inhalten ermöglicht wird. Und schließlich dürfen wir uns natürlich mit dem Sperren der Seiten nicht begnügen. Wenn wir von Servern mit verbotenen Inhalten Kenntnis haben, müssen wir auch international mit rechtlichen Mitteln gegen sie vorgehen, zum Beispiel, wenn sich die Server in der EU oder in den USA befinden.

In den Beratungen werde ich darauf achten, dass diese Fragen geklärt sind, bevor wir einem Gesetz in dieser Sache zustimmen. Auch wenn ich Ihren Argumenten vielleicht am Ende der Debatte im Bundestag nicht folgen sollte, beziehe ich sie also in die Entscheidung auf jeden Fall mit ein.

Für Ihr Interesse an dem Thema und ihren Einsatz für die Freiheit der Kommunikation im Internet und gegen die Verbreitung von kinderpornographischen Inhalten bedanke ich mich ausdrücklich.

Mit freundlichen Grüßen

Günter Gloser