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Gabriele Vonnekold
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Benjamin K. •

Frage an Gabriele Vonnekold von Benjamin K. bezüglich Finanzen

Sehr geehrte Frau Vonnekold,
Ihre Partei hat im Bund "erfolgreich" Hartz IV mit umgesetzt. Welche Maßnahmen wollen die Grünen in Berlin ergreifen um die folgen dieser Bundesentscheidung weiter abzumildern. Meines erachtens hat Rot-Rot bis jetzt schon vieles getan um diese Folgen zu mildern (Sozialticket, 3 € Theaterticket, Verhinderung von Zwangsumzügen).
Mit freundlichen Grüßen
Benjamin Krüger

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Krüger,

zunächst möchte ich zum Sozialticket etwas klarstellen: Rot-rot hatte die Zuschüsse zum Sozialticket (ehemals 20,30 € )- gestrichen! Erst auf massiven Druck und auf einen Antrag der grünen Fraktion hin wurde es wieder eingeführt mit zunächst 32 Euro und demnächst 33,50 Euro, was immer noch viel zu teuer ist.

Leider kann ich Ihre Einschätzung bezüglich der Umsetzung der Hartz IV Gesetzgebung durch die PDS – an ihrer Spitze Arbeitssenator Wolf – nicht teilen. Die PDS hat eine Umsetzung der Hartz IV Gesetzgebung im Sinne der Betroffenen systematisch verschleppt. statt die Möglichkeiten der Arbeitsmarktreform zu nutzen.

Konkret sieht die Umsetzung des rot-roten Senats so aus:
Das mit Abstand am häufigsten eingesetzte arbeitsmarktpolitische Instrument in Berlin ist die Beschäftigungsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung, (MAE) selten kommen sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse zum Einsatz, obwohl dazu auch entsprechende Förderinstrumente im SGB II vorgesehen sind (sog. Entgeltvariante). Dass in Berlin fast ausschließlich MAE zum Einsatz kommen, ist ein Beschluss der Senatsverwaltung für Arbeit und der Regionaldirektion Berlin-Brandenburg.
Begründet wurde die Konzentration auf MAE (1€ -Jobs) damit, dass nur so möglichst viele Menschen gefördert werden könnten, da andere Maßnahmen zu teuer seein. Im letzten Jahr wurden dann aber Millionen nicht verbrauchter Arbeitsförderungsmittel zurückgegeben. Mit diesen Mitteln hätten viele sinnvolle Maßnahmen stattfinden können. Damit wurden den Arbeitslosen Berlins völlig sinnlos Chancen auf längerfristige Beschäftigung und Weiterbildung verbaut.
SPD und PDS schieben notwendige Nachbesserungen auf die lange Bank. Die PDS tönt laut, sie wolle Hartz IV ganz abschaffen, statt das zu tun, was das Land Berlin tun kann, um die Situation für die Erwerbslosen zu verbessern. (Beispiel: Ablehnung einer Ombudsstelle). Letztes Beispiel: Trotz einstimmigem Beschluss des Abgeordnetenhauses (Antrag Bündnis 90/Die Grünen) blockiert der rot-rote Senat die Möglichkeit der Kommunen (in Berlin: Bezirke), die Mehrheit in den Trägerversammlungen der ARGEN zu übernehmen. Er verzichtet bisher darauf eine entsprechende Rahmenvereinbarung mit der Regionaldirektion Berlin-Brandenburg der Bundesagentur für Arbeit abzuschließen.
Der Senat hat sich aus der eigenen öffentlich geförderten Arbeitsmarkpolitik und beruflicher Weiterbildung fast völlig zurückgezogen. Die Ausgaben für aktive Arbeitsmarktpolitik wurden drastisch gekürzt (mittelfristige Finanzplanung von 203 Mio. Euro im Jahr 2003 Absenkung auf 55,8 Mio. Euro im Jahr 2007). Aktuell stehen für die Kofinanzierung ABM etc. 33 Mio. Euro zur Verfügung und 15 Mio. Euro ESF-Mittel für Qualifizierung im Rahmen von Ein-Euro-Jobs zur Verfügung.
Die Umsetzung von Hartz IV in den bezirklichen Jobcentern verläuft immer noch schleppend. Qualifizierte Beratung findet nur in Einzelfällen statt, im Juni 2006 hatten 57 Prozent junger Menschen unter 25 Jahren eine Eingliederungsvereinbarung abgeschlossen. Ingesamt haben 42 Prozent aller ALG II-EmpfängerInnen eine Eingliederungsvereinbarung
Der Senat streitet Mitverantwortung dafür (s. Übernahme der Mehrheit in Trägerversammlung der Argen durch die Bezirke) konsequent ab, dies obwohl es hierzu einen einstimmigen Beschluss des Abgeordnetenhauses gibt (Antrag „Hartz IV: Rahmenvereinbarung zur Weiterentwicklung der Arbeitsgemeinschaften in Berlin unverzüglich umsetzen“ - 12.08.2005 - " http://www.parlament-berlin.de:8080/starweb/adis/citat/VT/15/DruckSachen/d15-4180.pdf "(pdf) Drs 15/4180 von Bündnis 90/Die Grünen wurde einstimmig (!) angenommen)

Wir haben mit Sibyll Klotz die Hartz-Gesetzgebung von Beginn an kritisch begleitet.
Zahlreiche Anträge der bündnisgrünen Fraktion vor Inkrafttreten bzw. im Zuge der Umsetzung von Hartz IV wurden von rot-rot abgelehnt – unter anderen unser Antrag für die Einrichtung einer Ombudsstelle für ALG II EmpfängerInnen in Berlin sowie der Antrag für mehr Transparenz bei der Umsetzung der Hartz IV-Gesetzgebung in Berlin.
Viele Langzeitarbeitslose haben keine ausreichende Qualifikation, um wieder eine Stelle auf dem 1. Arbeitsmarkt finden zu können, deshalb ist es dringend nötig Weiterbildungsangebote auszubauen und besonders jungen Menschen die Chance auf eine Ausbildung zu eröffnen. Kürzungen auf diesem Sektor schaden der Zukunft Berlins.
Bündnis 90/Die Grünen sind der Auffassung, dass befristete Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung (MAE) nur dort zum Einsatz kommen dürfen, wo es wirklich sinnvoll ist. Sie sind kein taugliches Massen-Standard-Instrument und waren auch nie als solche gedacht. Wir wollen erreichen, dass mehr sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse eingerichtet werden. Und zwar auch länger als die derzeit üblich 6 Monate, wenn dies für die oder den Betroffene/n sinnvoll ist. Gemeinwirtschaftliche Arbeit, insbesondere, wo sie sich um Menschen kümmert, ob jung oder alt, braucht ein gewisses Maß an Kontinuität und Beständigkeit.
Selbst wenn Berlin es in den nächsten Jahren schafft, wirtschaftliches Wachstum zu erzeugen und die Arbeitslosigkeit zu reduzieren: Vollbeschäftigung für alle wird es nicht geben. Und wer einmal für einen längeren Zeitraum draußen ist, hat es ungemein schwer, wieder einen Fuß auf den Arbeitsmarkt zu bekommen. Dies können wir nicht einfach hinnehmen, sondern haben die soziale Verpflichtung, langfristig oder dauerhaft aus der Erwerbsarbeit ausgegrenzten Menschen Alternativen anzubieten. Auch ihnen soll die Möglichkeit würdevoller und sinnvoller Beschäftigung eröffnet werden. Wir wollen solche Beschäftigung, die wirtschaftliche und soziale Prinzipien miteinander verbindet, im Rahmen „gemeinwirtschaftlicher Arbeit“ schaffen. Gemeinwirtschaftliche Arbeit kann grundsätzlich in allen Branchen und Tätigkeitsfeldern stattfinden. Vor allem aber soll dadurch gesellschaftlich notwendige Arbeit organisiert werden, die sonst nicht verrichtet wird und brach liegt – ob im Jugendbereich, in der Seniorenbetreuung, im Umweltschutz oder auf sozialem und kulturellem Gebiet. Ungeachtet dessen, dass wir Korrekturbedarf bei den Arbeitsmarktgesetzen auf Bundesebene sehen, wollen wir die Weichen hier auf der Berliner Landesebene neu stellen. Voraussetzung für das Projekt „Gemeinwirtschaftliche Arbeit“ ist eine gesamtstädtische gemeinsame Strategie des Arbeitssenats mit den Jobcentern.

Mit freundlichen Grüßen
Gabriele Vonnelkold