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Dorothee Schlegel
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Frage von René S. •

Frage an Dorothee Schlegel von René S. bezüglich Familie

Sehr geehrte Frau Dr. Schlegel,

"am 18.06.2015 hat der Bundestag namentlich über einen Änderungsantrag der Grünen abgestimmt. Der Änderungsantrag bezog sich auf das geplante Gesetz der Bundesregierung zur Erhöhung des Grundfreibetrags, des Kinderfreibetrags, des Kindergeldes und des Kinderzuschlags. Die Erhöhungen sind für 2015 und 2016 vorgesehen und sollen so das Existenzminimum für Kinder und Eltern sichern."

Sie haben hier mit Nein gestimmt. Abgesehen davon, dass sie also weiterhin gegen das Grundgesetz wissentlich verstoßen wollen scheint es in meinen Augen eher unsozial, gerade die schwächsten Mitglieder der Gesellschaft weiterhin gesetzwidrig zu behandeln.
Es mag sein, dass bei dem Einkommen einer Abgeordneten die "paar" € keine Rolle mehr spielen, aber für viele Alleinerziehende wären das einige sehr wichtige wenige €.
Warum haben sie also mit Nein gestimmt?

Warum im Übrigen die SPD sich nicht mehr von der CDU löst und zum Beispiel das Ehegattensplitting, also die Belohnung des Beziehungsstandes ohne Verantwortung für bedürftige Menschen (Kinder, Pflegebedürftige), nicht endlich abschaffen will oder zumindest das System an sich ändern (Splitting für Menschen mit Verantwortung. Also Menschen, die Kinder großziehen oder ihre Angehörigen pflegen) verstehe ich eh nicht. Das wäre doch ein grundsoziales Thema. Wer Verantwortung für andere Menschen übernimmt (Und hier ist nicht der erwachsene berufstätige Ehepartner gemeint!) sollte bei den Steuern entsprechend besser gestellt werden.
Was halten Sie davon?

Ich freue mich auf Ihre Antwort,

René Schmalian

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Schmalian,

vielen Dank für Ihre Frage. Wie Sie richtig schreiben, wurde am 18. Juni 2015 ein Änderungsantrag der Opposition im Bundestag durch die Koalitionsfraktionen abgelehnt. Dem Änderungsantrag der Grünen habe ich nicht zugestimmt, sehr wohl zugestimmt habe ich aber dem Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksache 18/4649 mit dem Titel „Entwurf eines Gesetzes zur Anhebung des Grundfreibetrags, des Kinderfreibetrags, des Kindergeldes und des Kinderzuschlags“.

Als SPD haben wir uns von Anfang an dafür eingesetzt, ein Entlastungspaket zu schnüren, von dem möglichst viele Bürgerinnen und Bürger und vor allem die Familien profitieren. Die größten Verbesserungen konnten wir gerade für die von Ihnen angesprochenen Alleinerziehenden durchsetzen.

Mit dem Gesetz setzen wir die Vorgaben aus dem zehnten Existenzminimumbericht der Bundesregierung zur Anhebung der Existenzminima für Kinder und Erwachsene um. Der Kinderfreibetrag wird ab dem Jahr 2015 um 144 Euro auf 7.152 Euro und ab dem Jahr 2016 um weitere 96 Euro auf 7.248 Euro angehoben. Der steuerliche Grundfreibetrag für Erwachsene steigt ab dem Jahr 2015 um 118 Euro auf 8.472 Euro und ab 2016 um weitere 180 Euro auf dann 8.652 Euro.

Um die große Mehrheit der Familien zu entlasten, die von einer alleinigen Kinderfreibetragserhöhung nichts hätten, erhöhen wir gleichzeitig das Kindergeld. Denn wir akzeptieren keine Kinderfreibetragserhöhungen ohne gleichzeitige Kindergelderhöhungen. Das jährliche Kindergeld wird ab dem Jahr 2015 um 48 Euro und ab 2016 um weitere 24 Euro erhöht. Das monatliche Kindergeld wird damit ab 1.1.2016 für erste und zweite Kinder 190 Euro monatlich betragen. Es trägt in vielen Familien maßgeblich dazu bei, den Lebensstandard zu sichern.

Nach langen und intensiven Verhandlungen mit unserem Koalitionspartner haben wir erreicht, dass der steuerliche Entlastungsbetrag für Alleinerziehende bereits ab dem Jahr 2015 um 600 Euro auf 1.908 Euro pro Jahr erhöht wird. Für jedes weitere Kind steigt der Entlastungsbetrag um 240 Euro. Dieser Entlastungsbetrag wurde seit seiner Einführung im Jahr 2004 nicht angepasst. Die zusätzliche steuerliche Entlastung von Alleinerziehenden, die die Aufgaben von zwei Elternteilen allein bewältigen müssen, war somit absolut überfällig. Die Ergebnisse der Gesamtevaluation der ehe- und familienbezogenen Leistungen zeigen, dass der Entlastungsbetrag eine besonders effiziente Leistung für Alleinerziehende ist. Damit werden über eine Million Haushalte erreicht.

Der Kinderzuschlag wird ab 1.7.2016 um 20 Euro auf 160 Euro monatlich angehoben. Er verhindert zusammen mit Kindergeld und Wohngeld eine Abhängigkeit von SGB II-Leistungen. Der Kinderzuschlag hat im Jahr 2014 rund 260.000 Kinder und ihre Eltern erreicht. Vor allem Familien mit mehreren Kindern profitieren von dieser Leistung.

Die aktuell beschlossenen Steigerungen der Geldleistungen für Familien ergänzen die bereits in dieser Legislaturperiode beschlossenen familienpolitischen Maßnahmen zur Förderung von Kitas, zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf durch das Elterngeld Plus und zur Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf durch das Familienpflegezeitgesetz. Der Dreiklang aus Geld, Infrastruktur und Zeit ist und bleibt Markenzeichen sozialdemokratischer Familienpolitik!

Durch eine Verschiebung der Eckwerte des Einkommensteuertarifs um 1,48 Prozent ab 2016 werden die Effekte der Kalten Progression aus den Jahren 2014/2015 kompensiert. Damit ziehen wir die Konsequenzen aus dem ersten Steuerprogressionsbericht der Bundesregierung. Der Ausgleich ist ein Gebot der Fairness in der Einkommensbesteuerung und entlastet alle Steuerzahlerinnen und Steuerzahler.

Das Gesamtpaket der Steuerentlastungen und der Erhöhung des Kinderzuschlags führt zu einer Entlastung von über 5,3 Milliarden Euro. Familien werden somit spürbar entlastet. Dies ist vor allem ab 2016 der Fall, wenn jeweils die zweite Anhebung des Grundfreibetrags für Erwachsene, des Kinderfreibetrags bzw. des Kindergeldes und die Tarifkorrektur zur Kompensation der Effekte der Kalten Progression in Kraft treten.

Am stärksten werden aber die Alleinerziehenden entlastet. Bei ihnen wirkt sich zusätzlich die deutliche Anhebung des Entlastungsbetrags und seine Staffelung nach der Kinderzahl aus.

Sehr geehrter Herr Schmalian, was für die einzelne Person oder Familie vielleicht wenig erscheint, hat ein Gesamtvolumen von über 5,3 Milliarden Euro im Bundeshaushalt. Das Haushaltsrecht ist das „Königsrecht“ des Parlamentes. Als Abgeordnete müssen wir daher den Gesamthaushalt genauso im Blick behalten, wie die Auswirkungen für die einzelnen Bürgerinnen und Bürger. Im Gegensatz zu Ihnen halte ich 5,3 Milliarden Euro aber nicht für „ein paar Euro“. Unabhängig davon, ob Sie das nun mit dem Bundeshaushalt oder einer Abgeordnetendiät in Relation setzen, ist das eine ganze Menge Geld. Zur Abgeordnetenvergütung, diese entspricht in etwa dem Gehalt eines Baden-Württembergischen Landrates oder eines Oberbürgermeisters einer Gemeinde ab 30.000 Einwohnern, habe ich im Übrigen bereits ausführlich Stellung genommen:

http://www.abgeordnetenwatch.de/dr_dorothee_schlegel-778-78453.html#questions

Bei Ihrem letzten Punkt sprechen Sie mir aus der Seele. Sie haben vollkommen Recht: Ohne die CDU könnte die SPD deutlich mehr sozialdemokratische Politik umsetzen. Für mich wäre eine absolute SPD-Mehrheit und zeitgleich übervolle Staatskassen ein schönes Szenario. Leider sind wir von beidem weit entfernt.

Vor der letzten Bundestagswahl haben wir uns als SPD in unserem Wahlprogramm (vgl. Seite 50 und 51) klar gegen das Ehegattensplitting ausgesprochen. Mit unseren Positionen konnten wir bundesweit leider nur 25,7 Prozent der Wählerinnen und Wähler überzeugen, die CDU/CSU mit ihren Positionen 41,5 Prozent. In meinem Wahlkreis, in dem ja auch Sie wohnen, war das Zweitstimmenergebnis zu meinem großen Bedauern sogar noch deutlicher: 19,8 zu 51,9 Prozent. Die Kräfteverhältnisse im – demokratisch gewählten – Bundestag und auch in der Koalition bringen uns da nicht gerade in eine komfortable Verhandlungsposition. Leider ist aber das mit der CDU/CSU maximal Mögliche nicht das Optimale für unsere Gesellschaft. Aber es wäre ja merkwürdig, wenn sich Wahlergebnisse nicht in der konkreten Politik, also der Gesetzgebung, wiederfinden würden.

Verstehen Sie mich bitte nicht falsch: Ein schlechtes Wahlergebnis führt nicht dazu, dass ich meine Überzeugungen "über Bord" werfe. Aber, dass eine konservative Familienpolitik gegen den Willen der Mehrheit der Wählerinnen und Wähler in meinem Wahlkreis wäre, kann ich aus diesem Wahlergebnis nicht ableiten.

Dass wir als SPD dennoch ein Familienpaket mit diesem Volumen durchgesetzt haben, halte ich für einen wichtigen Schritt. Das ist ein echter Erfolg, insbesondere vor dem Hintergrund einer Koalition, in der unser größerer Koalitionspartner eine sehr große Priorität auf die "schwarze Null" gesetzt und gleichzeitig Steuererhöhungen ausgeschlossen hat.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Dorothee Schlegel, MdB