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Dorothee Martin
SPD
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Frage von Norbert R. •

Während FRA d. Strompreis f. d. dort. Verbr. gedeckelt hat, muß d. dt. Bürger das v. ihm eingesparte und nach FRA gelieferte, verstromte Gas mit d. Gasumlage teuer bezahlen. Ist das SPD-Gerechtigkeit?

Sehr verehrte Frau Martin,

jüngst wurde die Gasumlage beschlossen, um einzelne Energieversorger, die von Russland wg. der westlichen Sanktionen nicht mehr ausreichend mit Gas beliefert werden, aus der finanziellen Klemme zu helfen.

Außerdem produziert D derzeit dringend benötigten Strom für Frankreich, indem das von dt. Bürgern und Unternehmen eingesparte (ca. 15% im ersten Halbjahr 2022) und bald mit der Gasumlage teuer bezahlte Gas verstromt und exportiert wird.

Interessant dabei: Während die Deutschen von ihren Politikern Waschtipps hören und Wohlstandsverluste hinnehmen sollen, gibt es in Frankreich einen Strompreisdeckel, der wiederum die Strompreise in D unbezahlbar macht.

Wie erklären Sie es, daß Politiker, die einerseits die Interessen ihrer Bürger vertreten sollten und andererseits Schaden vom dt. Volk abwehren sollten, eine völlig konträre Politik betreiben, die den Großteil der Menschen hier in größte Nöte bringt?

Mit freundlichen Grüßen / N. R.. ++

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SPD

Sehr geehrter Herr R. 

vielen Dank für Ihre Nachricht. 

Der völkerrechtswidrige Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine hat die ohnehin angespannte Lage auf den Energiemärkten drastisch verschärft. Russland hat seit Mitte Juni seine Gasimportmengen nach Deutschland in unberechenbarer Weise reduziert, damit eine künstliche Energieknappheit geschaffen und die Preise in die Höhe getrieben werden. Das trifft Deutschland hart, da es bislang stark von günstigem Gas aus Russland abhängig war. Viele Gaslieferungen aus Russland, die bisher vertraglich zugesichert waren, fallen weg.

Die Gasimporteure müssen diese Mengen nun ersetzen bzw. neu einkaufen, um ihren Lieferpflichten gegenüber Energieversorgungsunternehmen (etwa Stadtwerken) nachzukommen – allerdings zu wesentlich höheren Kosten. Zunehmend fehlen diesen Gasimporten daher die Mittel, weil sie aufgrund von vertraglichen Regeln die höheren Preise zum jetzigen Zeitpunkt nicht an ihre Kunden weitergeben können. Hierdurch entstehen einigen Gasimporteuren erhebliche Verluste, die sie nur zeitlich begrenzt decken können.

Wenn die Verluste zu groß sind, droht die Insolvenz dieser Unternehmen und damit der Zusammenbruch der Gasversorgung von privaten und gewerblichen Verbrauchern insgesamt. Gehen mehrere Importeure pleite, können viele Energieversorger kein Gas mehr beziehen und ihre eigenen Verträge nicht oder nicht mehr vollständig erfüllen. Die Lieferausfälle könnten also sowohl weitere Insolvenzen nach sich ziehen als auch die Gasversorgung erheblich stören oder unterbrechen. Genau das gilt es staatlicherseits zu vermeiden.

Die zusätzlichen Belastungen für Verbraucher:innen durch die Gasumlage gilt es jetzt zielgerichtet entgegen zu wirken. Besonders Haushalte ohne staatliche Transferleistungen mit niedrigen und mittleren Einkommen sowie Rentnerinnen und Rentner benötigen Unterstützung. Die Bundesregierung hat angesichts der hohen Preise bereits zwei Entlastungspakete auf den Weg gebracht. Jetzt folgt ein weiteres Entlastungspaket, mit dem zielgerichtete Unterstützungsmaßnamen kommen. 

Mit dem dritten Entlastungspaket greift die Bundesregierung direkt in den Strom- und Wärmemarkt ein, um ungerechtfertigt hohe Übergewinne und Preise zu deckeln. Dazu gehört die Strompreisbremse, mit der wir den Preis für den Grundbedarf an Strom deckeln. Das wollen wir finanzieren, indem wir Übergewinne von Energiekonzernen abschöpfen. Dieses Ziel wollen wir nach Möglichkeit auf europäischer Ebene umsetzen. 

Weitere Details sowie das gesamte Papier zum Entlastungspaket finden Sie hier: https://www.spd.de/aktuelles/entlastungspaket/

In den vergangenen Monaten und vor allem über den Sommer haben sich die Unsicherheitsfaktoren für die Energieversorgung im Winter 2022/23 weiter verschärft – dazu zählen: die dramatische Dürre im Sommer, das Niedrigwasser in den Flüssen, der aktuelle Ausfall rund der Hälfte der französischen Atomkraftwerke und die seit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine insgesamt angespannte Lage auf den Energiemärkten. 

Deshalb hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) veranlasst, einen zweiten Stresstest unter Einbeziehung dieser Unsicherheitsfaktoren in Auftrag zu geben. Die vier deutschen Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) 50Hertz, Amprion, Tennet und TransnetBW haben im Zeitraum von Mitte Juli 2022 bis Anfang September 2022 diesen zweiten Stresstest (zweite Sonderanalyse) für den Winter 2022 / 2023 durchgeführt.

Der Stresstest hat ergeben, dass unsere Stromversorgung sicher ist. Nur im Extremfall haben wir im Süden Engpässe im Netz; diese Engpässe sind darauf zurückzuführen, dass unser Strom den französischen Atomstrom aus den maroden brachliegenden Meilern ersetzen muss und dass Bayern und Baden-Württemberg kaum Netze oder Windenergie ausgebaut haben. Deshalb werden wir im parlamentarischen Verfahren eine Verschiebung der zwei AKWs in die Einsatzreserve prüfen. Die beiden AKWs in Einsatzreserve können aber auch dann nur einen kleinen Beitrag zur Netzstabilität leisten, andere Maßnahmen sind deutlich wichtiger. 

Im Ergebnis des Stresstests wird eine Kombination verschiedener Lösungsansätze zur Entschärfung von kritischen Situationen empfohlen – eine Maßnahme allein reicht nicht. Wichtige Beiträge zur Netzsicherheit sind eine höhere Auslastung der bestehenden Netze durch eine Beschleunigung des geplanten witterungsabhängigen Freileitungsbetriebs, eine bessere Nutzung verschiedener Kraftwerke und Kraftwerksreserven sowie vertragliches Lastmanagement.

Die im Stresstest empfohlen Maßnahmen sind zum Teil bereits umgesetzt oder in Umsetzung, z.B. die Nutzung von Kraftwerksreserven und die Marktrückkehr von Kohlekraftwerken. Weitere Maßnahmen sind in der unmittelbaren Vorbereitung und werden mit einer dritten Novelle des Energiesicherungsgesetzes (EnSiG 3.0) umgesetzt, u.a. die zusätzliche Stromproduktion in Biogasanlagen, Maßnahmen zur Höherauslastung der Stromnetze und Verbesserung der Transportkapazitäten.

Darauf werden wir weiter aufbauen. Denn die Lösung haben wir bereits: wir müssen die erneuerbaren Energien und die Netze ausbauen und auch bestehende Erneuerbare-Energien-Anlagen besser auslasten. 

Mit freundlichen Grüßen 
Dorothee Martin 

 

 

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