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Dieter Janecek
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Frage von Maria S. •

Frage an Dieter Janecek von Maria S. bezüglich Gesundheit

Sehr geehrter Herr Janecek,

als Vertreter meines Wahlkreises werden Sie nun bald nach der parlamentarischen Sommerpause über das Masernschutzgesetz des Hr. Spahn debattieren und vermutlich auch abstimmen. Ich möchte Sie daher bitten, sich vorher eingehend mit dem Gesetz und vor allem dem damit einhergehenden Impfzwang auseinanderzusetzen, weil es hier um tiefgreifende Einschränkungen von Grund- und Menschenrechten geht, die so schnell - sollte das Gesetz durchkommen - nicht mehr rückgängig gemacht werden können.

Ist Ihnen beispielsweise bekannt, dass trotz der ohnehin hohen Durchimpfungsrate, auch im Vergleich zum europäischen Ausland mit Impfpflicht, bei einem beachtlichen Teil der Geimpften zu Masernausbrüchen kommt? In Studien wird dieses sekundäre Impfversagen auf den fehlenden Kontakt mit dem Wildvirus zurückgeführt. (http://impf-info.de/die-impfungen/masern/249-masern-trotz-impfung-die-untersch%C3%A4tzte-gefahr.html)

Sollte man solchen und weiteren Studien bzw. kritischen Fragestellungen nicht erstmal in intensiver Forschung nachgehen, bevor man das Volk zu einem medizinischen Eingriff zwingt? Was soll als nächstes vorgeschrieben werden?

Warum beschäftigen wir uns nicht primär mit Gesundheitsproblemen, bei denen es auch wirklich Potential zur Verbesserung gibt?

Ich freue mich auf Ihre Antworten und wünsche Ihnen alles Gute.

M. S.

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Sehr geehrte Frau S.,

Impfungen sind gelebte Solidarität. Impfungen gehören zu den effektivsten und sichersten Maßnahmen, um Menschen vor Infektionskrankheiten zu schützen. Masern und andere Infektionskrankheiten müssen endlich eliminiert werden. Hohe Impfquoten bei allen Infektionskrankheiten schützen die gesamte Bevölkerung, also auch diejenigen Menschen, die aus gesundheitlichen Gründen nicht geimpft werden können. Der Nutzen von Impfungen wird leider häufig unterschätzt und ihre Risiken werden überschätzt. Das Risiko der durch Impfung zu vermeidenden Erkrankung übersteigt das Risiko der Impfungen um ein Vielfaches, schwerwiegende Nebenwirkungen empfohlener Impfungen sind eine Rarität. Wir sind grundsätzlich der Auffassung, dass die Menschen durch Aufklärung und Informationen dazu bewegt werden können, ihren Impfschutz zu vervollständigen. Drohungen mit Sanktionen und Einschüchterung halten wir ebenso wie der Ethikrat für den falschen Weg. Sie richten Schaden an und untergraben das notwendige Vertrauen der Menschen.

Die Haltung der Ethikkommission zur geplanten Masern-Impflicht für Kita-Kinder ist nachvollziehbar. Dennoch haben uns die Argumente - insbesondere von Eltern - überzeugt, dass dadurch Kinder, die aus medizinischen Gründen oder weil sie in der Krippe noch zu jung oder Geschwisterkinder sind, nicht geimpft werden dürfen, am besten vor der Ansteckung durch Masern geschützt werden können. Wir haben lange mit uns gerungen und uns diese Entscheidung nicht leicht gemacht. Letztendlich haben wir uns aber dafür entschieden, einen ausreichenden Impfschutz zur Voraussetzung für den Besuch einer Kita zu machen. Der Schutz gilt in Kitas auch für solche Kinder, die vielleicht aufgrund von Vorerkrankungen nicht geimpft werden können. Wir wollen, dass gerade solche Kinder auch in den Genuss früher Bildung kommen.

Die jüngsten Erkenntnisse aus dem Barmer Arzneimittelreport 2019 zeigen zudem, dass das vom Kabinett vorgelegte Masernschutzgesetz in dieser Form nicht ausreichen wird, um die beträchtlichen Impflücken – die offenbar nicht nur die Masernimpfungen betreffen – zu schließen. Durch die Debatte zur Masernimpfpflicht dürfen wir nicht vergessen, dass auch auf alle anderen Schutzimpfungen ein Augenmerk gelegt werden muss! Selbstverständlich müssen die Impfquoten generell erhöht werden. Dazu gehört aber auch, die beträchtliche Impflücke der Erwachsenen (50%) nicht zu ignorieren und endlich dagegen zusteuern. Hier liefert Minister Spahn keinen Lösungsansatz. Der Kabinettsentwurf zum Masernschutzgesetz greift die Gelegenheit, eine umfassende Impfstrategie festzulegen, alles andere als beim Schopfe. Das hat sich durch den Barmer Arzneimittelreport nochmals bestätigt.

Wir fordern deshalb, dass niedrigschwellige Angebote geschaffen werden, denn vor allem in ländlichen oder sozial benachteiligten Regionen sind Impfangebote nicht mehr ausreichend verfügbar. Außerdem muss der Öffentliche Gesundheitsdienst wieder ausgebaut werden, um Impfungen in gezielten Aktionen auch in Betrieben, Einkaufszentren oder kommunalen Einrichtungen anbieten zu können. Wir brauchen den Digitalen Impfpass, um den Impfstatus besser im Blick zu behalten und so auch Impflücken, die einer unzureichenden Impfdokumentation geschuldet sind, zu schließen. Zudem sollen den Versicherten auch mobile Anwendungen, Apps, zur Verfügung gestellt werden, durch die sie auf Grundlage der Daten des elektronischen Impfpasses an fällige Schutzimpfungen erinnert werden.

Darüber hinaus muss eine erfolgreiche Strategie zur Eliminierung der Masern und anderer Infektionserkrankungen vor allem auf Vernunft und den Willen zur gegenseitigen Solidarität setzen. Sie muss Falschinformationen und Verschwörungstheorien mit Aufklärung entgegentreten und darauf abzielen, das Vertrauen der Menschen zu erringen sowie Ängste abzubauen, statt sie einzuschüchtern. Sie muss darauf angelegt sein, Informationsdefizite und regionale Impfbarrieren systematisch zu identifizieren und vor Ort gezielt zu verringern. Nur so wird es gelingen, die Masern und andere gefährliche Infektionskrankheiten endlich zu eliminieren.

Deshalb hat die Bundestagsfraktion der Grünen einen Antrag zu Masern und anderen Infektionskrankheiten beschlossen („Masern und andere Infektionskrankheiten endlich eliminieren – Solidarität und Vernunft fördern, Impfquoten nachhaltig steigern“). Unser Ziel ist es, diese Erkrankungen, anders als Gesundheitsminister Spahn, nicht nur mit Worten sondern auch mit Taten zu besiegen.

Mit freundlichen Grüßen
Dieter Janecek

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