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Dieter Janecek
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Frage von Wolfgang E. •

Frage an Dieter Janecek von Wolfgang E. bezüglich Verkehr

Hallo Herr Janecek,
ich habe eine Frage zu Ihrer Einstellung zur Mobilität in Zukunft. In meinen Augen ist die Elektromobilität keine alternative zur den Verbrennungsmotoren. Meine Gedanken dazu sind selbst unter Annahme daß der Strom aus Solar Wind und Wasser gewonnen wird. Die Verluste von der Erzeugung bis zur Nutzung betragen ca 60%
Gewinnung von Gleichspannung - Umwandlung in Wechselspannung - Hochtransformation zur Transportmöglichkeit
Runtertransformation ins Niederspannungsnetz - Umwandlung in Gleichspannung - Speicherungverluste usw
beim Verbrennungsmotor habe ich eine 95%ige Energienutzung direkt am Bedarfsort. Da die Stromerzeugung bei dem dann entsehenden Bedarf jedoch dann weiteren Strom benötigt werden damit die Schadstoffbelastung lediglich aus den Städten nach ausserhalb verlagert.Kostenloser Nahverkehr würden dem Verkehrskollaps und der Klimabelastung besser entgegenwirken. Wollen Sie Fahrverbote für Feuerwehr und Nahverkehr und Müllabfuhr in den Innenstädten? Da ich noch unentschlossener Wähler bin wie können Sie mich überzeugen?

Mit freundlichen Grüßen
E.

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr E.,

vielen Dank für Ihre Nachricht.

Ein zukunftsfähiges Mobilitätssystem muss neben der Befriedigung unserer Mobilitätsbedürfnisse gesundheitspolitisch (Schutz der Atemwege vor Abgasbelastungen), umweltpolitisch (Klimaschutz) und wirtschaftspolitisch (Industrie/Arbeitsplätze) Sinn machen. Nicht nur aus den beiden erst genannten Gründen macht eine Abkehr vom Verbrennungsmotor Sinn. Die deutsche Autoindustrie ist ein Exportweltmeister und bedient die Nachfrage in vielen Ländern. Aber immer mehr Länder wie Indien, Norwegen, Niederlande, Frankreich, Großbritannien, dieser Tage Schottland mit ihren Absatzmärkten für die deutsche Industrie erklären ihren Ausstieg aus der Verbrennungstechnologie für die Jahre zwischen 2025 und 2040. Und der größte Absatzmarkt China wird zu Beginn des Jahres 2018 eine Elektroquote einführen und damit die E-Mobilität in diesem Land weiter konsequent ausbauen. Wenn die deutschen Autobauer diese Märkte nicht verlieren wollen und die entsprechenden Arbeitsplätze dazu, dann müssen auch sie umsteuern und Anschluss an die globalen Entwicklungen finden.

Aber nun zu Ihren konkreten Fragen und Anmerkungen. Sie beginnen mit einer Bilanzierung der Energienutzung zwischen E-Mobilität und dem Verbrennungsmotor. Erlauben Sie mir den Hinweis, dass dieser Vergleich hinkt, da Sie den enormen Energieverbrauch der Rohölförderung, der Verschiffung des Rohstoffes aus fernen Ländern, die Verarbeitung zu brauchbarem Diesel bzw. Benzin und den Weitertransport zu den Verbrauchsstellen vollkommen außeracht lassen. Für uns primär entscheidend ist eine ganzheitliche Ökobilanzierung beider Antriebstechniken. Und da liegt u. E. bei entsprechender politischer Gestaltung die E-Mobilität vorn. Eine umfassende Ökobilanzierung dazu liefert das Umweltbundesamt: http://www.umweltbundesamt.de/publikationen/weiterentwicklung-vertiefte-analyse-der
Die über hundert Jahre alte Technologie des Verbrennungsmotors ist nach Ansicht vieler Mobilitätsforscher und Ingenieure in ihrer Innovationsfähigkeit ausgereizt, während sie beim elektrifizierten Antriebsstrang erst beginnt.

Sie sprechen von der Verschiebung der Schadstoffbelastungen im Zusammenhang mit wachsendem Strombedarf. Wir Grüne wollen bis 2030 den gesamten Strombedarf in Deutschland mit erneuerbaren Energien decken. Auch den Strombedarf für Elektroautos können wir mit dem weiteren Ausbau erneuerbarer Energien sicherstellen. Das Ziel der Bundesregierung, bis 2020 eine Million Elektrofahrzeuge auf die Straße zu bringen, würde den Stromverbrauch gerade einmal um 0,6 Prozent steigern, wie das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ausgerechnet hat. Wenn in Zukunft, also zum Beispiel im Jahr 2050, alle Pkw elektrisch fahren, brauchen wir rund 100 Terrawattstunden mehr Strom. Doch auch das sind lediglich 15 Prozent der heute produzierten Menge. Die Hälfte dieses Bedarfs steht uns bereits heute zur Verfügung: Circa 47 Terrawattstunden Strom wurden im vergangenen Jahr produziert, aber nicht verbraucht, sondern ins Ausland exportiert. Die andere Hälfte erreichen wir mit dem Ausbau erneuerbarer Energien. Dafür wollen wir die Ausbauziele für Ökostrom deutlich anheben und kleinere Wind- und Solarprojekte von der neuen, bürokratischen Ausschreibungspflicht befreien.

Noch besser ist es allerdings, wenn wir am Ende weniger zusätzlichen Strom benötigen als gedacht. Das gilt vor allem, wenn wir Autos effizienter einsetzen, also weniger leistungsstarke Fahrzeuge nutzen und mehr Menschen pro Fahrzeug transportieren. Auch wenn wir mehr Verkehr auf die Schiene verlagern, wo der Strombedarf pro Kopf viel niedriger ist als im Auto, sparen wir Energie und mindern den Ausbaubedarf für erneuerbare Energien. Elektroautos, die als Speicher eingesetzt werden, senken den Ausbaubedarf weiter. Denn wenn nicht genutzter Ökostrom in E-Autos gespeichert und bei höherem Strombedarf wieder ins das Netz eingespeist wird, brauchen wir viel weniger Reservekapazitäten, also weniger Windräder und Solaranlagen.

Beim kostenlosen Nahverkehr haben Sie natürlich einen Punkt. Wir Grüne wollen den Ausbau des ÖPNV vorantreiben und auch umlagefinanzierte Modelle ermöglichen. Das zukünftige Verkehrssystem besteht nicht wie gegenwärtig aus mehr oder minder lose gekoppelten Verkehrsträgern, sondern zukünftig werden diese miteinander intelligent vernetzt sein, so dass ich hürdenfrei je nach Wunsch meine Wege mit Rad, ÖPNV, einem geteilten oder dem eigenen Auto zurücklegen kann. Unserer Vorstellung nach wird es weniger Fahrzeuge geben aber mehr Mobilität.

Letzter Punkt Fahrverbote. Wir Grüne wollen keine Fahrverbote. Derzeit sind es die deutschen Gerichte, die in Ausführung deutscher Gesetze zeitnah Fahrverbote in deutschen Innenstädten flächendeckend aussprechen müssen. Sie sind an Gesetz und Recht gebunden. Jährlich sterben bis zu 10.000 Menschen vorzeitig an Atemwegserkrankungen durch Abgase wie Stickoxide und Feinstaubpartikel. Deutsche Autobauer haben getäuscht, die entsprechenden Grenzwerte einhalten zu können und ihnen wohlgesonnene Verkehrsminister haben bei der Kontrolle versagt. Was es kurzfristig braucht sind technische Nachrüstungen der Fahrzeuge auf Kosten der Hersteller, damit die Grenzwerte im Realbetrieb eingehalten werden. Reine Softwarelösungen werden entsprechende Minderungen nicht leisten wie bereits die DUH und das Umweltbundesamt durch Studien belegen. Unser Vorschlag ist, eine durch die Bundesebene eingeführte Blaue Plakette, die es den Kommunen erlauben würde in Ergänzung zum bestehenden System der Umweltzonenplaketten lokal zu entscheiden, wer in die entsprechenden Bereiche einfahren darf und wer nicht. Dies schafft ganz andere Voraussetzungen als es die drohenden gerichtlichen flächendeckenden Fahrverbote tun werden. Fahrverbote für Feuerwehr, Nahverkehr und Müllabfuhr würden nach unserem Vorschlag wie bisher gehandhabt. Entweder sie sind mit abgasfreien Techniken ausgestattet, was mit der AdBlue-Technik ja möglich ist oder entsprechend elektrifiziert. Um die Elektrifizierung in diesem Bereich auszubauen ist der Fonds für nachhaltige Mobilität mit 1 Mrd. Euro ausgestattet worden. Weiterhin könnten auch entsprechende Ausnahmeregelungen innerhalb des Plakettensystems geschaffen werden. Aber die jetzige Bunderegierung, vor allem Herr Dobrindt, liefert nicht. Sie haben sich entschieden, die Bürgerinnen und Bürger sowie die kommunalen Entscheider im Regen stehen zu lassen. Ihnen drohen jetzt flächendeckende Fahrverbote durch die Gerichte.

Wir Grüne wollen stattdessen, dass die Verursacher verpflichtet werden nachzurüsten, die Kommunen die notwendigen Instrumente an die Hand bekommen und für den Industriestandort Deutschland und die 800.000 Arbeitsplätze in der Autoindustrie ein konsequenter Strategiewandel beginnt. Der Wandel hin zu emissionsfreier Mobilität hat global begonnen. Deutschland muss sich entscheiden, ob es diesen Wandel mit dem Festhalten am fossilen Verbrennungsmotor begegnet und sich marginalisiert oder aber den Wandel aktiv aufgreift und sich mit emissionsfreier Mobilität zum Leitanbieter und Leitmarkt entwickelt.

Mit freundlichen Grüßen
i.A. Team Dieter Janecek

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