Cathrin Henke
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Alexander B. •

Frage an Cathrin Henke von Alexander B. bezüglich Familie

Sehr geehrte Frau Henke,

Ihr Gegenkandidat von der ÖDP im Wahlkreis nimmt zum Thema Abtreibung Bezug auf Herrn Hahn von Ihrer Partei ( s. kandidatenwatch.de/jakob-120-16532.html ) Wie stehen Sie persönlich zu dieser Problematik?

Mit freundlichen Grüßen

Alexander Blosch

Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Blosch,

vielen Dank für Ihre Frage, die mir die Möglichkeit gibt, zu einigen Vorurteilen und Falschinformationen bezüglich der Haltung der Grünen zur Abtreibung Stellung zu nehmen.

Ausdrücklich möchte ich darauf hinweisen, dass die GRÜNEN keine Befürworter der Abtreibung sind, wie es immer wieder fälschlich behauptet wird. Mir persönlich ist der Schutz des ungeborenen Lebens sehr, sehr wichtig und ich wäre nicht seit über 20 Jahren Mitglied bei den GRÜNEN, wenn ich in dieser äußerst wichtigen Frage nicht mit den Grundzügen meiner Partei übereinstimmen könnte.

Das in Deutschland geltende Abtreibungsrecht lässt unter bestimmten Voraussetzungen (Beratung mit Beratungsschein, Einhaltung der 12 Wochen Frist oder medizinische Indikation) Abtreibungen straffrei zu. Diese Regelung wurde auch mit Unterstützung der GRÜNEN vor Jahren hart erkämpft und die Regelung ist gut. Hintergrund war, dass zur Zeiten der Strafbartkeit von Abtreibung in Deutschland tausende von Frauen in die Niederlande zur Abtreibung gereist und dort gesundheitlichen Gefahren durch so genannten "Engelmacherinnen" ausgesetzt waren. Damals und heute lässt keine Frau leichtfertig eine Abtreibung vornehmen. Die Frauen sind immer in großer persönlicher Not, in einer riesigen Konfliktlage. Oftmals fehlt ihnen die Unterstützung des Partners oder ihrer Familien oder sie fühlen sich komplett mit einem Kind in unserer Gesellschaft überfordert.
Abtreibungen verhindern wir deshalb nicht durch eine Verschärfung des Strafrechts, sondern nur, indem wir die gesellschaftlichen Bedingungen für Familien und Kinder nachhaltig verbessern. Hier müssen wir dringend ansetzen.
Ein großes Problem beinhaltet aber das geltende Abtreibungsrecht in Bezug auf Spätabtreibungen bei medizinischer Indikation. Und damit komme ich zur Aussage meines Parteikollegen Jakob Hahn. Nach der geltenden Rechtslage ist bei einer medizinischen Indikation, d.h. wenn eine schwerwiegende Beeinträchtigung des körperlichen oder seelischen Gesundheitszustandes der Schwangeren zu erwarten ist, eine Abtreibung ohne Einhaltung einer Frist, also auch zu einem sehr späten Zeitpunkt der Schwangerschaft möglich. Hier stehen die Werte Schutz des ungeborenen Lebens und Schutz der Schwangeren vor gesundheitlichen Schäden gegenüber. Auch in diesem Bereich wird keine Frau leichtfertig einen Abbruch wollen, sondern steht in einem hohen Maß vor einem Gewissenskonflikt. Egal, wie sie sich entscheidet, wird sie sich mit den Folgen ihr Leben lang auseinandersetzen müssen. Die Aussage von meinem Parteikollegen gibt daher nur die geltende Rechtslage wieder und ist von den Anhängern der ÖDP aus dem Zusammenhang gerissen worden. Das Problem ist, dass aufgrund der zunehmenden vorgeburtlichen Untersuchungen der Embryos und somit der häufigeren Feststellung einer drohenden Behinderung die Zahl der Spätabtreibungen in den letzten Jahren zugenommen hat. Es ärgert mich persönlich sehr, dass die Problematik um Abtreibung und Abteibungsrecht von der ÖDP parteipolitisch benutzt wird. Statt hier Polemik gegen unsere Partei zu betreiben, sollte man sich ernsthaft mit der Problematik der zunehmenden Anzahl von Spätabtreibungen auseinandersetzen, wie es auch im Bundestag über Partei- und Fraktionsgrenzen hinweg geschieht. Hier stimmen die GRÜNEN mit vielen Vertreterinnen und Vertretern der anderen größeren Parteien überein, dass die Beratung der Eltern bereits vor Durchführung von Pränataldiagnostik verbessert werden muss. Selbstbestimmte Entscheidungen von Eltern müssen umso mehr gefördert und unterstützt werden, wie diese sich auf für sie unüberschaubare diagnostische Verfahren und fortpflanzungsmedizinische Behandlungen einlassen. Viele Schwangere mussten und müssen die Erfahrung machen, dass, wenn sie sich weigern, die ausgefeilten Methoden der Pränataldiagnostik in Anspruch zu nehmen, in der Gesellschaft auf Unverständnis und Rechtfertigungszwang stoßen.

In diesem Bereich, genauso wie im Bereich des Embryonenschutz in der Stammzellenforschung, werden wir uns auch in den nächsten Jahren noch vielen Diskussionen über ethischen Grenzen und gesellschaftliche Anforderungen stellen müssen. Ich kann nur hoffen, dass bei diesen ethisch schwierigen Themen Parteipolitik und -polemik aus dem Spiel gelassen wird.

Mit freundlichen Grüßen

Cathrin Henke