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Carsten Sieling
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Frage von Tim W. •

Frage an Carsten Sieling von Tim W. bezüglich Finanzen

Sehr geehrter Herr Dr. Carsten Sieling,

sehen sie es als gerechtfertigt an, daß sich unsere Abgeordneten eine Diätenerhöhung von ca. 10% genemigen, während unser Herr Innenminister ein Forderung der ver.di von 3,5% plus 100€ (ca.6,7%) als maßlos überzogen betitelt.

Vielleicht sollte unsere Bundesregierung einmal Maßvoll voranschreiten?

Mit freundlichem Gruß
Tim Weber

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Weber,

haben Sie vielen Dank für Ihre Frage.

Dass Änderungen bei den Abgeordnetenentschädigungen immer ganz besonders kritisch in der Öffentlichkeit diskutiert werden ist verständlich und richtig. Dennoch ist es auch hier wichtig, Pauschalurteile zu vermeiden.
Für mich ist klar: Sowohl für die aktuelle ver.di Tarifforderung für den öffentlichen Dienst bei Bund und Kommunen als auch die Neuregelungen der Abgeordnetenentschädigung gibt es gute Gründe.

Im Unterschied zu den Angestellten im öffentlichen Dienst bei Bund und Kommunen, entscheiden die Abgeordneten - so sieht es das Grundgesetz vor - selbst über die Höhe der Abgeordnetenentschädigung. Deshalb ist es wichtig, dass wir hier einen Systemwechsel vornehmen. Dabei folgen wir den Vorschlägen einer unabhängigen Expertenkommission. Konkret rät die Kommission in ihren Empfehlungen, die Höhe der Abgeordnetenentschädigung an der Besoldung von Richtern an obersten Bundesgerichten (R 6) zu orientieren. Die Tätigkeit eines Abgeordneten als Mitglied eines obersten Verfassungsorgans ist nach Auffassung der Kommission am ehesten mit einem Richter an einem obersten Gerichtshof des Bundes vergleichbar. Beide nehmen ihre Tätigkeit unabhängig wahr. Mit dieser Orientierungsgröße erhalten Abgeordnete eine Entschädigung wie Landräte und Bürgermeister mittelgroßer Städte. Dies entspricht der Größe eines Wahlkreises, der etwa 250.000 Einwohner umfasst.

„R 6“ als Orientierungsgröße entspricht zwar der bereits seit 1995 bestehenden gesetzlichen Regelung, tatsächlich haben die Abgeordnetenbezüge diesen Betrag nie erreicht, da die Parlamentarier wiederholt auf eine Erhöhung ihrer Diäten verzichtet hatten. So gab es beispielsweise in den Jahren 2003 bis 2007 und 2009 bis 2011 keine Anhebung.

Nach der von Ihnen angesprochenen zweistufigen Anpassung wird das System ab 1. Juli 2016 dann grundsätzlich geändert und die Abgeordnetenentschädigung orientiert sich an dem so genannten jährlichen Nominallohnindex des Statistischen Bundesamtes. Dieses Verfahren muss der Deutsche Bundestag jeweils zu Beginn einer Wahlperiode durch Beschluss bestätigen. Die Abgeordnetendiäten steigen also künftig genau in der Höhe des Bruttodurchschnittsverdienstes der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Das heißt also auch, dass die Abgeordnetenbezüge mit der Lohnentwicklung sinken können.
Neben der Anhebung der Abgeordnetenentschädigung greift unser Gesetzentwurf zur Änderung des Abgeordnetengesetzes drei weitere Herausforderungen auf: Die Absenkung der Alters- und Hinterbliebenenversorgung, die Kürzung der Kostenpauschale bei Fehltagen und schließlich die bessere Bestrafung der Abgeordnetenbestechung.

Auch die Alters- und die Hinterbliebenenversorgung für die Abgeordneten und ihre Familien ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Bestandteil des Anspruchs auf eine angemessene Entschädigung nach dem Grundgesetz. Entgegen der Kommission, die die Höhe des geltenden Versorgungsniveaus für angemessen und verfassungskonform hält, haben wir die geltenden Regeln kritisch überprüft und spürbare Absenkungen bei der Altersversorgung vorgeschlagen. Bisher konnten langjährige Abgeordnete beispielsweise schon mit 55 bzw. 57 Jahren ohne Abschlag Altersversorgung beziehen. Das ist nicht mehr zeitgemäß. Zukünftig gelten die Regeln der Rente mit 67 auch für Abgeordnete. Für bereits erworbene Ansprüche gilt Bestandsschutz. Darüber hinaus kann eine vorzeitige Altersentschädigung künftig – wie in der gesetzlichen Rentenversicherung - nur mit Abschlägen und frühestens mit 63 Jahren in Anspruch genommen werden (Der Abschlagsbetrag beträgt wie in der gesetzlichen Rentenversicherung 0,3% pro vorzeitig in Anspruch genommenen Monat). Ebenfalls absenken werden wir den Höchstsatz der Altersversorgung von 67,5 Prozent auf 65 Prozent.
Wenn Abgeordnete an einem Plenartag oder bei einer namentlichen Abstimmung fehlen wird bereits heute die Kostenpauschale gekürzt. Während die Kostenpauschale aber in den letzten Jahren gestiegen ist, wurden die Abzugsbeträge lange nicht angepasst. Dies werden wir nun ändern. Bei unentschuldigten Fehlen an einem Plenartag werden zukünftig 200 Euro statt 100 Euro, bei einer namentlichen Abstimmung 100 Euro statt 50 Euro abgezogen.

Schließlich werden wir gleichzeitig mit der Abgeordnetenentschädigung ein weiteres wichtiges Thema neu regeln, wofür gerade wir Sozialdemokraten uns seit langem eingesetzt haben: die bessere Bestrafung der Abgeordnetenbestechung. Abgeordnete sind Vertreterinnen und Vertreter des ganzen Volkes, sie sind an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen. So besagt es Artikel 38 unseres Grundgesetzes. Wenn die Durchsetzung von Interessen gegenüber der Legislative mit illegitimen Vorteilen oder Geldzahlungen einhergeht, werden die Regeln einer fairen Wahrnehmung von Interessen verletzt. Korruption, Klüngelwirtschaft und undurchsichtige Mauscheleien beschädigen die demokratischen Institutionen und zerstören das Vertrauen in die Politik.
Bislang ist in Deutschland nur der Kauf bzw. Verkauf der Abgeordnetenstimme bei Wahlen und Abstimmungen verboten. Alles andere bleibt straffrei. Unser Gesetz dient nun auch dazu, strafwürdige Manipulationen bei der Wahrnehmung des Mandats ahnden zu können. Zugleich schaffen wir damit die Voraussetzung dafür, dass Deutschland die bereits 2003 unterzeichnete UN-Konvention gegen Korruption endlich umsetzen kann.

Künftig wird bestraft, wer einem Mandatsträger einen ungerechtfertigten Vorteil als Gegenleistung dafür anbietet, verspricht oder gewährt, dass der Abgeordnete bei Mandatswahrnehmung eine vom „Auftraggeber“ gewünschte Handlung vornimmt beziehungsweise unterlässt. Umgekehrt trifft es den Abgeordneten, wenn er für solche Handlungen einen Vorteil fordert, sich versprechen lässt oder annimmt. Vorteile meint materielle Vorteile genauso wie immaterielle Vorteile. Die Straftat kann mit bis Haft bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe sanktioniert werden.
Ich bin mir der Verantwortung insbesondere hinsichtlich der Höhe und der Angemessenheit der Abgeordnetenentschädigung gegenüber der Öffentlichkeit bewusst. Andererseits sollte das mit diesem Paket an Vorhaben verbundene Bemühen um angemessene Regeln für Abgeordnete - gerade auch angesichts schwierig zu erzielender Kompromisse bei den wichtigen Fragen Abgeordnetenbestechung und Absenkung bei der Altersversorgung - nicht mit allzu großer Herablassung behandelt werden.

Mit freundlichen Grüßen,
Dr. Carsten Sieling MdB