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Antje Tillmann
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Frage von Michael T. •

Frage an Antje Tillmann von Michael T. bezüglich Finanzen

Sehr geehrte Frau Tillmann,
wieso ist es eigentlich in Deutschland nicht möglich, die Steuerpflicht an die Staatsbürgerschaft zu koppeln, d.h. jeder Inhaber eines Passes der Bundesrepublik ist auch in der Bundesrepublik steuerpflichtig, ansonsten wird der Pass eingezogen. Hat man sich überhaupt schon ernsthaft mit diesem Thema befasst, bzw. warum soll diese Verfahrensweise nicht möglich sein?
Mit freundlichen Grüßen
M. Trux

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Sehr geehrter Herr Trux,

vielen Dank für Ihre Nachricht.

Über die Forderung nach einer Besteuerung nach der deutschen Staatsangehörigkeit bzw. nach einem inländischen Aufenthaltstitel haben wir schon häufig diskutiert. Allerdings hätte die angesprochene Einführung einer generellen Staatsangehörigkeitsbesteuerung keine Vorteile zur Folge, die die damit entstehenden Nachteile aufwiegen könnten.

Besteuerung nach Staatsangehörigkeit nur in USA und Liberia

Staaten, die ihre unbeschränkte Einkommensteuerpflicht (Welteinkommen) nicht nur auf ansässige Personen erstrecken, sondern auch - unabhängig von ihrem Wohnsitz - auf Staatsangehörige, sind weltweit die Ausnahme. Neben den USA ist derzeit nur Liberia als Staat bekannt, der eine Besteuerung nach dem Welteinkommen auf Grundlage der Staatsangehörigkeit vornimmt.

Unterscheidung nach unbeschränkter und beschränkter Steuerpflicht

Das deutsche Einkommensteuerrecht gewährleistet im Übrigen bereits heute eine umfassende Besteuerung auch von Sachverhalten mit grenzüberschreitendem Bezug. Es unterscheidet - wie das Steuerrecht nahezu aller Staaten der Welt - zwischen ansässigen und nichtansässigen Personen:

Personen, die in Deutschland ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben, sind in Deutschland - und zwar unabhängig von ihrer Nationalität - unbeschränkt einkommensteuerpflichtig. Grundsätzlich unterliegt damit ihr gesamtes Welteinkommen der Einkommensbesteuerung in Deutschland. Erzielt ein unbeschränkt Steuerpflichtiger allerdings auch ausländische Einkünfte, beansprucht der ausländische Staat in der Regel ebenfalls ein Recht zur Besteuerung. Um in diesen Fällen eine doppelte Besteuerung derselben Einkünfte in Deutschland und im anderen Staat zu vermeiden, hat Deutschland mit mehr als 90 Staaten Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) abgeschlossen. Danach wird beim unbeschränkt Steuerpflichtigen die im Ausland angefallene Steuer entweder auf die deutsche Steuer angerechnet, oder es werden die im Ausland besteuerten Einkünfte in Deutschland von der Besteuerung freigestellt.

Personen, die in Deutschland weder ihren Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben - das können auch Deutsche mit ausländischem Wohnsitz sein - unterliegen als nichtansässige Personen dagegen der beschränkten Einkommensteuerpflicht. Zusätzlich unterliegen sie in der Regel im Wohnsitzstaat der unbeschränkten Steuerpflicht, also einer Besteuerung mit ihrem gesamten Einkommen. Im Rahmen der deutschen beschränkten Einkommensteuerpflicht wird der Steuerpflichtige mit seinen inländischen Einkünften der deutschen Einkommensbesteuerung unterworfen. Der andere Staat hat dann entweder die deutsche Steuer anzurechnen oder die Einkünfte, die in Deutschland besteuert werden, von der Besteuerung auszunehmen.

Deutsche Staatsangehörige, die in ein Gebiet mit niedriger Besteuerung verziehen, unterliegen darüber hinaus unter bestimmten Voraussetzungen für einen Zeitraum von 10 Jahren einer erweitert beschränkten Steuerpflicht. Diese Steuerpflicht umfasst auch Einkünfte, die nicht aus inländischen Quellen stammen.

Anknüpfung an Staatsangehörigkeit zöge Probleme nach sich

Bei Anknüpfung der Besteuerung an die Staatsangehörigkeit funktioniert dieses überwiegend angemessene und aufeinander abgestimmte System für im Ausland ansässige Bundesbürger nicht mehr. Das hat u. a. folgende Gründe:

- Lebt ein deutscher Staatsbürger nach Einführung einer an die Staatsangehörigkeit anknüpfenden Besteuerung beispielsweise in Frankreich, ist er sowohl in Deutschland als auch in Frankreich mit seinem Welteinkommen steuerpflichtig. Frankreich als Ansässigkeitsstaat nimmt dabei auf die deutsche Steuerpflicht grundsätzlich keine Rücksicht. Um eine Mehrfachbesteuerung des deutschen Staatsbürgers zu vermeiden, müssten komplexe Regeln zur Anrechnung der im Ausland gezahlten Steuern in das deutsche Einkommensteuergesetz aufgenommen werden.
- Die Regelung würde einen erheblichen administrativen Mehraufwand auslösen. Bei den meisten im Ausland ansässigen Steuerpflichtigen würde schon aufgrund des dortigen Besteuerungsniveaus kaum zusätzliche deutsche Einkommensteuer anfallen. In der überwiegenden Zahl der Fälle stünde daher der für Steuerpflichtige und Verwaltung entstehende Aufwand in keinem angemessenen Verhältnis zu den entstehenden Steuermehreinnahmen.
- Hinzu kommt, dass in den erwähnten DBA grundsätzlich keine Vorbehalte vorgesehen sind, die Deutschland das Recht einräumen würden, deutsche Staatsangehörige mit Einkünften zu besteuern, für die die Abkommen das Besteuerungsrecht dem anderen Staat (Ansässigkeitsstaat) zuweisen. So würde in dem Beispielsfall das deutsch-französische DBA es Deutschland verbieten, Einkünfte zu besteuern, die nicht aus deutschen Quellen stammen. Das gilt entsprechend im Verhältnis zu den anderen Staaten, mit denen DBA bestehen.
- Bei der Anknüpfung der Steuerpflicht an die Staatsangehörigkeit besteht zusätzlich das praktische Problem, dass bei einem im Ausland lebenden Staatsangehörigen - dessen Aufenthaltsort oft ohnehin nicht bekannt ist - die Abgabe einer Steuererklärung regelmäßig nicht durchgesetzt werden kann. Darüber hinaus ist es häufig nicht möglich, steuerlich bedeutsame Sachverhalte im Ausland umfassend und in angemessener Zeit aufzuklären und geschuldete Steuern im Ausland zwangsweise einzuziehen. So hat das Rechnungsprüfungsamt des US-Kongresses vor einigen Jahren festgestellt, dass maximal 40 % der im Ausland lebenden US-Bürger ihrer Steuererklärungspflicht nachkommen. Selbst die USA stoßen also trotz ihres weltweiten Einflusses auf Schwierigkeiten, die Besteuerung gegenüber im Ausland lebenden eigenen Staatsbürgern durchzusetzen.

Die große Koalition setzt sich allerdings sowohl durch nationale Gesetzgebung als auch im Rahmen der EU- und OECD-Initiativen gegen steuerschädlichen Wettbewerb ein. Ich halte dies für den erfolgversprechenderen Weg, dem Problem der Steuerflucht zu begegnen.

Mit freundlichen Grüßen

Antje Tillmann MdB

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