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Frage von Sophia O. •

Frage an Alfred Sauter von Sophia O. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Am 10.09.2013 behaupten Sie in

http://www.abgeordnetenwatch.de/alfred_sauter-512-11295--f401137.html#q401137

folgendes bezüglich des neuen Rundfunkbeitrags:

"Das neue Modell, das an den Haushalt oder die Betriebsstätte anknüpft, ist einfacher und durch die Verteilung des Finanzvolumens auf alle Nutzer auch gerechter."

Andererseits verstößt dieses Modell gegen mehrere im Grundgesetz garantierte Freiheiten, siehe zum Beispiel:

http://www.abgeordnetenwatch.de/prof_monika_gruetters-575-37614--f368558.html#q368558

Sie rechtfertigen den Beitrag mit dem Gutachten, das Paul Kirchhof im Auftrag der Rundfunkanstalten schrieb. Er selbst behauptet in der Faz vom 20-01-2013:

"Ich [Paul Kirchhof] habe gemeinsam mit den Rundfunkanstalten [sic] ein verfassungsrechtlich zulässiges und praktisch gebotenes Finanzierungssystem entwickelt"

Der renommierte Staats- und Verwaltungsrechtler Christoph Degenhart, Richter am Sächsischen Verfassungsgerichtshof und Professor an der Uni Leipzig, hält die Regelung für Verfassungswidrig, siehe:

http://www.humboldt-forum-recht.de/deutsch/7-2013/index.html

(1) Wie können Sie diese Regelung als gerechter betrachten, die Nicht-Rundfunkverbraucher mit Rundfunkabgabe so wie jene belastet, die täglich stundenlang vor dem Fernsehgerät sitzen? Da sollten Sie ihren Begriff von Gerechtigkeit präzisieren.

(2) Warum ignorieren Sie zahlreiche seriöse Gutachten und versuchen den Beitrag mit Kirchhofs Gutachten zu rechtfertigen, das offenkundig und offensichtlich nicht neutral ist?

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Antwort von
CSU

Sehr geehrte Frau Orthoi,

der Vorwurf, das neue Modell sei verfassungswidrig, weil es gegen die allgemeine Handlungsfreiheit und Informationsfreiheit verstoße, betrifft den Kern der Finanzierungsreform. Der neue Beitrag wird für die Möglichkeit der Inanspruchnahme des öffentlich-rechtlichen Rundfunks erhoben, unabhängig von einer tatsächlichen konkreten Nutzung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkangebote. Mit der Abkehr von der geräteabhängigen Rundfunkfinanzierung sollte in erster Linie die so genannte Konvergenzproblematik gelöst werden. Damit ist gemeint, dass immer mehr Geräte neben anderen Medien auch Rundfunk empfangen können und auf diese Weise unterschiedliche Medien verschmelzen. Diese Entwicklung machte ein weiteres Anknüpfen an Rundfunkempfangsgeräte abwegig. Im Interesse einer zukunftssichernden Finanzierung stellt das neue Finanzierungsmodell nun auf die allgemeine Empfangsmöglichkeit an den typischen Empfangsorten ab. Typischer Empfangsort im privaten Bereich ist die Wohnung, im nicht privaten Bereich die Betriebsstätte.

Selbstverständlich war es bei den Reformarbeiten eine zentrale Frage, ob bei der Typisierung auch Personen ohne Geräte als mögliche Rundfunknutzer belastet werden dürfen. Die Länder haben sich die Beantwortung nicht leicht gemacht und darauf Wert gelegt, dass diese Thematik verfassungsrechtlich fundiert aufgearbeitet wird. Dafür haben sie Prof. Kirchhof als ehemaligen Richter am Bundesverfassungsgericht und Experten für Finanzverfassungsrecht mit einem wissenschaftlichen Gutachten beauftragt. Der Auftrag war selbstverständlich ergebnisoffen und Herr Prof. Kirchhof in seiner verfassungsrechtlichen Prüfung - wissenschaftlichen Grundsätzen entsprechend - unabhängig und neutral. Im Hinblick auf den Ausnahmecharakter und entsprechend eindeutiger Statistiken hat Prof. Kirchhof die mit der Typisierung einhergehende Belastung von Personen ohne Geräte für zulässig erachtet (nach Angaben des Bundesamtes für Statistik haben nahezu 100 % aller Haushalte zumindest ein Rundfunkempfangsgerät - TV, Radio, PC, evtl. Handy mit Internet).

Es ist die originäre Aufgabe des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, die unabhängige Grundversorgung der Öffentlichkeit in den Bereichen Bildung, Kultur, Information und Unterhaltung zu gewährleisten. Auch im Zeitalter der Massenkommunikation und fortschreitender Internetnutzung bleibt der Rundfunk Leitmedium. Inhaltliche Defizite privater Medienanbieter müssen wirksam ausgeglichen werden können. Das übernimmt der öffentlich-rechtliche Rundfunk mit seinen Sendungen, er sorgt für Meinungsvielfalt und trägt zum Erhalt der Demokratie bei. Dass davon auch diejenigen profitieren, die seine Angebote nicht selbst nutzen, wird oftmals vergessen und ist dementsprechend zu betonen.

Das von Ihnen thematisierte Gutachten von Herrn Prof. Degenhart ist den Ländern selbstverständlich bekannt. Es wurde im Auftrag des Deutschen Einzelhandelsverbands erstellt. Prof. Degenhart geht davon aus, dass die Rundfunkabgabe faktisch eine Steuer darstelle, für welche die Länder keine Zuständigkeit hätten. Es steht in Widerspruch zu den Ausführungen Herrn Prof. Kirchhofs. Notwendig überzeugend sind die Ausarbeitungen Prof. Degenharts nicht. Es bleibt nunmehr den Gerichten überlassen, über die Verfassungsmäßigkeit des neuen Beitragsmodells zu entscheiden. Beim Bayerischen Verfassungsgerichtshof sind derzeit zwei Popularklagen anhängig, die auch auf die durch Prof. Degenhart aufgeworfenen Fragen eingehen werden.

Inwiefern der öffentlich-rechtliche Rundfunk den Bürger in seiner negativen Meinungsfreiheit verletzen sollte, ist nicht nachvollziehbar. Die zuständigen Gremien der Rundfunkanstalten (Rundfunkräte, Fernsehrat, Hörfunkrat) achten durch ihre gesetzlich vorgeschriebene pluralistische Besetzung auf ausgewogene Programminhalte. Durch die Finanzierung über öffentliche Gelder ist er nicht von Werbeeinnahmen abhängig und damit frei, auch unpopuläre Themen aufzugreifen. Darüber hinaus bleibt es jedem Bürger selbst überlassen, die Rundfunkangebote tatsächlich zu nutzen.

Auf die Kritik, dass starke Rundfunknutzer gleich belastet würden wie jene, die die Angebote nicht in Anspruch nehmen, wäre zu entgegnen, dass bereits die bisherige Rundfunkabgabe nicht nutzungsbezogen war. Denn es kam nicht darauf an, wie lange und wie viel Radio gehört bzw. fern gesehen wurde. Dass das neue Finanzierungsmodell gleichwohl gerechter ist, liegt daran, dass sich nunmehr weniger Bürgerinnen und Bürger der Abgabepflicht durch Nichtanmeldung der Geräte entziehen können. Das alte Gebührensystem litt aufgrund des Einzelgerätebezugs an einem zunehmenden strukturellen Erhebungs- und Vollzugsdefizit. „Schwarzsehern“ wurde es besonders leicht gemacht. Indem die Finanzierungslast nun gleichmäßig verteilt werden kann, sind nach derzeitigem Kenntnisstand und auf der Grundlage des vorhandenen Datenmaterials Beitragsstabilität und Aufkommensneutralität gesichert. Das macht die Finanzierung für die Bürgerinnen und Bürger „gerecht“.

Abschließend ist darauf zu verweisen, dass die Länder entsprechend ihrer Protokollerklärung zum 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrag bereits mit den zugesagten Evaluierungsarbeiten begonnen haben. Sie bedienen sich dabei erneut externen wissenschaftlichen Sachverstandes, um die sich aus den ersten beiden Vollzugsjahren ergebenden Daten fundiert auszuwerten. Auch die von Prof. Degenhart aufgeworfenen Fragen werden dabei diskutiert. Vor Ende 2014 können die Arbeiten jedoch nicht abgeschlossen werden. Erst dann ist die Datenbasis ausreichend für eine seriöse und gerechte Überprüfung.

Mit freundlichen Grüßen

Alfred Sauter, MdL