Kurz nach seiner Wahl zum Bundeskanzler ging bei Friedrich Merz ein Glückwunschschreiben ein. Absender: eine Lobbyagentur, deren Direktor früher Büroleiter von Merz war.
Der Lobbyist kennt die CDU und ihre Entscheider:innen bestens. Jahrelang arbeitete er eng mit Politikern wie Philipp Amthor, Paul Ziemiak und Merz zusammen – heute verschafft er Unternehmen Gehör „im politischen Raum“, wie es auf der Website seiner Agentur heißt. Ob er dafür seine Kontakte im Kanzleramt oder in der CDU nutzt, will er nicht sagen.
Solche Seitenwechsel sind kein Zufall. Unternehmen und Lobbyverbände holen gezielt politische Insider:innen, die selbst lange in der Politik waren – und Verbindungen in die Ministerien, Fraktionen und ins Kanzleramt mitbringen.
Zwei weitere Fälle:
- Ein langjähriger Büroleiter von Jens Spahn lobbyiert heute für Biontech und andere Großkonzerne. Nutzt er dafür den persönlichen Kontakt zu seinem Ex-Chef, den heutigen Unionsfraktionschef? Auf Anfrage reagierte er nicht.
- Ein Duzfreund von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) arbeitet seit kurzem als Lobbyist für einen Hersteller von Kampfdrohnen. Es ist der Ex-SPD-Abgeordnete Johannes Arlt. Brisant: Die Bundeswehr prüft derzeit einen Großauftrag an sein Unternehmen.
Union und SPD - kein Interesse an Transparenz
Das sind keine Einzelfälle, sondern Teil eines Systems, wie wir jetzt aufgedeckt haben. Mindestens 670 Lobbyist:innen in Berlin haben früher selbst in Ministerien, Bundestagsbüros oder Regierungsämtern gearbeitet – oder tun es noch immer. Nun dienen sie nicht mehr der Allgemeinheit, sondern den Interessen von Unternehmen, Verbänden und Vereinen. Und dafür nutzen sie ihre Kontakte aus der Politik.
Die Kontakt-Netzwerke bleiben für die Öffentlichkeit meist unsichtbar. Das liegt auch daran, dass Lobbytreffen mit Politiker:innen nicht dokumentiert werden müssen. Wer mit wem spricht, bleibt geheim. CDU, CSU und SPD haben kein Interesse an einer gesetzlichen Offenlegungspflicht, die in anderen Ländern existiert.
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