Vom Bundestag oder Ministerium in die Wirtschaftslobby? Es ist gängige Praxis, dass Lobbyverbände ehemalige Minister:innen, Abgeordnete oder deren Mitarbeiter:innen anheuern - und so deren im Dienste der Wähler:innen erworbenen Kontakte für ihre eigenen Interessen abgreifen. Ex-Politiker:innen lassen auf diese Weise ihre Adressbücher vergolden.
Klingt nach einer Win-Win-Situation für alle Seiten? Keinesfalls, denn derartige Karrieresprünge von der Politik in die Wirtschaftslobby sind problematisch. Sie verschärfen das Ungleichgewicht zwischen Lobbygruppen mit viel Geld und fragwürdiger Personalpolitik und jenen Interessenvertretungen, die diese Möglichkeiten nicht haben bzw. nicht nutzen wollen.
Wenn Politiker:innen schon während ihres Amts an einem Wechsel in die Wirtschaft arbeiten, entsteht der Eindruck, dass sie ihre eigenen Interessen über das Gemeinwohl stellen – das schadet ihrer Glaubwürdigkeit. Denn mit der Aussicht einer Lobbykarriere steigt auch das Risiko interessengeleiteter Politik zugunsten einer bestimmten Lobbygruppe.
Fakt ist: Seitenwechsel von der Politik in die Privatwirtschaft sind erlaubt. Es gibt zwar Regeln für eine Karenzzeit - eine Art Übergangszeit zur „Abkühlung“ der politischen Kontakte - von aktuell 12 bis max. 18 Monaten. Diese sollten den sogenannten Drehtüreffekt einschränken. Doch in der Praxis sind sie viel zu schwach und verfehlen ihre Wirkung.
Für uns ist klar: Politik muss unabhängig sein und dem Gemeinwohl dienen - und darf nicht als Sprungbrett in die Wirtschaftslobby fungieren!
Daher fordern wir: Strengere Karenzzeitregeln - auch für Abgeordnete, die Einführung wirksamer Sanktionen bei Verstößen sowie eine unabhängige Prüfinstanz für den Seitenwechsel von der Politik in die Privatwirtschaft.
Was ist problematisch an Seitenwechseln in die Wirtschaft?
„Man soll nicht an Türen klopfen, hinter denen man selbst mal gesessen hat.“ - Zitat von Sigmar Gabriel im März 2019. Ein Jahr später wurde er jedoch Mitglied in den Aufsichtsräten der Deutschen Bank und von Siemens Energy - später war er zudem für die Rüstungsindustrie tätig - und nahm seine eigenen Worte offensichtlich nicht mehr ernst. Da dies bereits zwei Jahre nach seinem Ausscheiden aus dem Amt des Außenministers war, fielen seine Tätigkeiten nicht mehr in die Karenzzeit für Ex-Minister:innen von 12 bis 18 Monaten.
Politikaussteiger:innen – wie ehemalige Minister:innen, Spitzenbeamt:innen, Abgeordnete oder deren Mitarbeiter:innen – werden von großen Konzernen oder Lobbyverbänden unter Vertrag genommen, um diesen einen besonders guten Draht in ein Ministerium oder den Bundestag zu ermöglichen. Was ihnen dabei zu Gute kommt? Ihr Insiderwissen, ihr Netzwerk und die vertrauten politischen Prozesse. Sie lassen sich ihre politischen Kontakte vergolden. Denn sie müssen häufig einfach nur zum Hörer greifen und ihre Ex-Chefin im Bundestag anrufen, um Einfluss nehmen zu können. Ein unschätzbarer Vorteil gegenüber anderen Interessengruppen, die diesen besonderen Zugang zur Politik nicht haben.
Wenn Ex-Politiker:innen ohne entsprechende Karenzzeit direkt die Seiten vom Bundestag oder Ministerium in die Wirtschaftslobby wechseln und dienstlich erworbene Kenntnisse und Kontakte als persönlichen Benefit verkaufen, ist ihre Glaubwürdigkeit in Gefahr. Es kann leicht der Eindruck entstehen, dass sie sich noch während ihrer politischen Tätigkeit auf ihre Lobbykarriere danach vorbereitet hätten, etwa durch politische Entscheidungen zugunsten bestimmter Verbände oder Industriebranchen. Das wäre eine persönliche Vorteilsnahme und somit ein klarer Interessenkonflikt. Es stellt sich so die Frage, ob Politik wirklich im Interesse der Wähler:innen gemacht wurde, oder viel mehr, um die Karriere im Anschluss vorzubereiten.
Warum braucht es strengere Karenzzeitregeln?
Es ist ein Problem, dass Seitenwechsel von der Politik in die Privatwirtschaft und in Lobbytätigkeiten grundsätzlich erlaubt sind.
Für Bundestagsabgeordnete gibt es bislang gar keine Karenzzeitregeln. Doch warum sollten diese direkt vom Bundestag in Lobbyjobs wechseln dürfen, wenn Lobbytätigkeiten während ihrer Zeit im Bundestag ebenfalls untersagt sind? Auch in ihrem Fall besteht die Gefahr von Interessenkonflikten, insbesondere dann, wenn der Anschlussjob im Lobbyismus noch während ihrer Bundestagskarriere geplant wurde.
Für Minister:innen und Parlamentarische Staatssekretär:innen gibt es zwar Karenzzeitregeln, durch die Seitenwechsel zeitlich befristet verboten werden können, doch sind sie viel zu schwach und zeigen in der Praxis bislang kaum Wirkung.
Zum einen ist fraglich, ob eine Abkühlphase von zwölf bis achtzehn Monaten, die nur in Ausnahmefällen zum Einsatz kommt, überhaupt ihren Zweck erfüllt. Ausgeschiedene Minister:innen oder Staatssekretär:innen sind für die Privatwirtschaft allein deswegen interessant, weil sie über gute Kontakte in die Ministerien und den Bundestag hinein verfügen. Doch nach 12 bis 18 Monaten sind viele dieser Kontakte und das Insiderwissen aus dem Politikbetrieb womöglich noch aktuell. Wenn ernsthaft verhindert werden soll, dass ehemalige Spitzenpolitiker:innen ihr Adressbuch zu Geld machen, muss eine Karenzzeit von mindestens drei Jahren beschlossen werden. Denn je länger die Abkühlphase, desto wertloser werden die Kontakte und das Insiderwissen aus der politischen Tätigkeit für potentiell neue Arbeitgeber:innen. Auch für die Ex-Politiker:innen würde ein Lobbyjob nach drei Jahren deutlich weniger attraktiv sein. Zumindest würde mit einer Ausdehnung der Karenzzeit das Risiko reduziert, dass sie noch während ihrer Amtszeit im Sinne eines zukünftigen Arbeitgebers Entscheidungen treffen.
Zum anderen ist die “Verhängung” einer Karenzzeit immer eine Einzelfall-Abwägung: Die derzeit geltenden zwölf bis achtzehn Monate sind nur der Zeitraum, in dem die Bundesregierung den neuen Job untersagen kann – aber eben nicht muss. Somit besteht das Risiko einer gewissen Willkür bei Entscheidungen zu Seitenwechseln. Die Praxis zeigt: Wenn überhaupt, werden zu kurze Karenzzeiten verhängt.
Problematisch ist zudem, dass die aktuellen Regelungen vor allem auf die Eigenverantwortung und das Gewissen der Politiker:innen setzen. Denn diese müssen bei Fehlverhalten nicht mit Sanktionen rechnen. Da sie sich nicht mehr zur Wahl stellen, haben auch die Bürger:innen keine Möglichkeit, sie an der Wahlurne abzustrafen.
Für die Empfehlung für Karenzzeiten bei Seitenwechseln ist ein begleitendes Gremium zuständig. Die Bundesregierung schließt sich den Beschlussempfehlungen des Gremiums in den meisten Fällen an. Ein Problem ist jedoch die politische Besetzung des Gremiums. Denn es sind immer wieder auch ehemalige Politiker:innen Teil davon. So saßen in der Vergangenheit teilweise schon prominente Seitenwechsler:innen wie der Ex-Finanzminister Theo Waigel in diesem Gremium – ein Risiko für eine neutrale Entscheidungsfindung. Das Gremium hat außerdem zu viel Ermessensspielraum, was Tür und Tor für uneinheitliche, willkürliche Entscheidungen öffnet. Es kommt erschwerend hinzu, dass die Gründe für die Entscheidungen nicht transparent und die Karenzzeit-Empfehlungen des Gremiums für die Bundesregierung nicht bindend sind.
Welche internationalen Standards gibt es?
Seit Jahren sorgen die unzureichenden Karenzzeitregeln für internationale Kritik. So forderten sowohl die EU-Kommission - zuletzt in ihrem Bericht über die Rechtsstaatlichkeit 2024 - als auch die Staatengruppe des Europarats gegen Korruption („GRECO“) die Bundesregierung wiederholt auf, die obligatorischen Karenzzeiten für Bundesminister:innen und parlamentarische Staatssekretär:innen zu verlängern und anzugleichen. Denn für Beamt:innen wie Staatssekretär:innen und Abteilungsleiter:innen gelten bereits Anzeigepflichten und Karenzzeiten von drei bis fünf Jahren. GRECO begründet die Forderung damit, dass “es in der Privatwirtschaft sicherlich Posten gibt, für die eine längere Karenzzeit gelten sollte als die derzeit vorgeschriebenen 12 bis 18 Monate”, um die Risiken einer unzulässigen Einflussnahme abzumildern und diesen vorzubeugen.
Darüber hinaus kritisiert GRECO die politische und nicht unabhängige Zusammensetzung des beratenden Gremiums für Karenzzeiten und fordert die Einführung von Sanktionsmöglichkeiten im Fall von Verstößen gegen die Karenzzeit.
Doch die Bundesregierung hat diese Empfehlungen bislang nicht umgesetzt. Sie sprach sich in der Vergangenheit gegen längere Karenzzeiten für Minister:innen und Parlamentarische Staatssekretär:innen aus. Die Begründung: Politische Spitzenämter seien zeitlich begrenzt und die Politiker:innen müssten sich anschließend beruflich neu orientieren. Zudem teilte sie die Kritik an der politischen Besetzung des beratenden Gremiums nicht und sah auch “keine Notwendigkeit für eine Sanktionierung möglicher Verstöße gegen Karenzzeitregelungen“. Vielmehr berief sie sich auf die “Eigenverantwortung ehemaliger Regierungsmitglieder für rechtstreues Verhalten auch nach dem Ausscheiden aus dem Amt“.
Welche internationalen Vorbilder gibt es?
Es geht auch anders, wie fortschrittlichere Regelungen in anderen Ländern innerhalb und außerhalb der Europäischen Union zeigen:
> Frankreich: In Frankreich gilt eine dreijährige Karenzzeit für Regierungsmitglieder, Mitglieder der Verwaltung, öffentlicher Behörden und des Militärs, für Beamt:innen sowie lokale Amtsträger:innen. In dieser Zeit sind ihnen privatwirtschaftliche Tätigkeiten mit Bezug zum vorherigen Amt sowie Lobbytätigkeiten gegenüber der ehemaligen Dienststelle untersagt. Bei Pflichtverstößen droht eine Haftstrafe von drei Jahren und eine Geldstrafe von mindestens 200.000 Euro, die auf den doppelten Betrag der Einnahmen durch die verbotene Tätigkeit erhöht werden kann. Für die Kontrolle und Sanktionen ist die unabhängige “Hohe Behörde für die politische Transparenz im öffentlichen Leben“ (HATVP) zuständig.
> Spanien: In Spanien gibt es eine Karenzzeitregelung für Regierungsmitglieder, Staatssekretär:innen und hochrangige Regierungsbeamt:innen von zwei Jahren. Konkret verboten sind Tätigkeiten für Unternehmen, die von persönlichen Entscheidungen des:der Amtsträger:in betroffen waren, oder für solche, die von der vorherigen Dienststelle beaufsichtigt werden. Zuständig für die Kontrolle ist das Amt für Interessenkonflikte, das auch selbst ermitteln kann. Die Sanktionsmöglichkeiten reichen von Verboten öffentlicher Ämter (fünf bis zehn Jahre), finanziellen Sanktionen sowie Veröffentlichung des Fehlverhaltens im Amtsblatt.
> Kanada: Besonders weitreichend sind die Regelungen in Kanada: Für Parlamentarier:innen, Regierungsmitglieder, Staatssekretär:innen und hochrangige Beamt:innen gilt ein fünfjähriges Lobbyismus-Verbot nach Ausscheiden aus dem Amt. Für Minister:innen gibt es darüber hinaus eine zweijährige Karenzzeit, für andere hohe Funktionsträger:innen ein Jahr. Währenddessen sind Tätigkeiten für Unternehmen, mit denen sie zuvor amtlich befasst waren, verboten. Für die Kontrolle ist der “Lobbying Commissioner & Conflict of Interest and Ethics Commissioner” zuständig. Sanktionen bei Pflichtverstößen sind u.a. Geldstrafen oder sogar Haftstrafen.
> Europäische Union: Auf Ebene der EU-Kommission gelten zwei Jahre Anzeigepflicht und Karenzzeit für ehemalige Mitglieder - auch für unbezahlte Tätigkeiten - und drei Jahre für ehemalige Präsident:innen und (hochrangige) EU-Beamt:innen sowie ein Lobbyismus-Verbot in thematischer Nähe zur vorherigen Funktion. In diesem Zeitraum kann ein angeblich “unabhängiges Ethikkomitee” (in Teilen ähnlich politisch besetzt wie das deutsche begleitende Gremium) - bzw. im Fall der Beamt:innen die ehemalige Dienststelle - Auflagen verhängen oder bestimmte berufliche Tätigkeiten untersagen. Für Ex-EU-Ratspräsident:innen gilt ein 18-monatiges Lobbyismus-Verbot gegenüber EU-Institutionen und eine Anzeigepflicht der Ratspräsident:in gegenüber. Für Ex-EU-Abgeordnete gilt sechs Monate nach Ende ihres Mandats ein Verbot Lobbyismus gegenüber dem EU Parlament zu betreiben bzw. repräsentative Tätigkeiten beim EU Parlament auszuüben.
Strengere Karenzzeitregeln – was fordern wir konkret?
Wir fordern eine strengere gesetzliche Mindestkarenzzeit von drei Jahren für Mitglieder der Bundesregierung, Parlamentarische Staatssekretär:innen und Bundestagsabgeordnete bei Seitenwechseln in die Privatwirtschaft mit Interessenkonflikten:
- Für Regierungsmitglieder und parlamentarische Staatssekretär:innen sollten die bestehenden Regelungen auf mindestens drei Jahre verpflichtender Karenzzeit im Fall von Interessenkonflikten – ähnlich wie bei der Regelung für Beamt:innen – ausgeweitet werden sowie Lobbytätigkeiten währenddessen grundsätzlich verboten werden.
- Für Bundestagsabgeordnete sollte eine gesetzliche Mindestkarenzzeit von drei Jahren im Fall von Interessenkonflikten neu eingeführt werden und insbesondere Lobbytätigkeiten währenddessen verboten werden. Die genaue Ausgestaltung sollte in einem parlamentarischen Verfahren – im Einklang mit dem Grundgesetz – ermittelt werden.
- Die Überprüfung von Seitenwechseln von der Politik in die Privatwirtschaft und die Empfehlung von Karenzzeiten sollte von einer unabhängigen Instanz durchgeführt werden. Sie sollte dabei nach klaren Richtlinien erfolgen, damit der Ermessensspielraum begrenzt ist und die Regelung möglichst einheitlich umgesetzt wird. Im Fall von Pflichtverstößen – etwa Missachtung der Anzeigepflicht oder der Karenzzeit – sollten wirksame Sanktionen verhängt werden.
Warum ist diese Petition jetzt wichtig?
In Zeiten eines Regierungswechsels sind strengere Karenzzeitregeln besonders relevant. Das zeigen die zahlreichen Seitenwechsel von ehemaligen Politiker:innen und Regierungsbeamt:innen in die Privatwirtschaft seit dem Koalitionsbruch der Ampel-Regierung Ende 2024 bis heute. In den nächsten Monaten werden mit großer Wahrscheinlichkeit noch einige Lobbysprünge hinzukommen.
Besonders brisant sind diese aktuellen Fälle von Seitenwechsler:innen aus dem Bundestag in den Lobbyismus:
- Bengt Bergt (Ex-SPD-MdB) - vom Energieausschuss in die Gaslobby:
Der ehemalige SPD-Abgeordnete Bengt Bergt war bis März 2025 Mitglied im Ausschuss für Klimaschutz und Energie und zugleich als stellvertretender energiepolitischer Sprecher für Erdgas-Infrastruktur und Erdgas-Förderung zuständig. Seit dem 1. Juni 2025 ist er als Leiter Public Affairs Lobbychef des Verbands "Die Gas- und Wasserstoffwirtschaft" und dabei "für den Dialog mit Politik, Behörden und gesellschaftlichen Akteuren verantwortlich".
- Robert Hochbaum (Ex-CDU-MdB) - vom Verteidigungsausschuss in die Rüstungslobby:
Der ehemalige CDU-Abgeordnete Robert Hochbaum war bis März 2025 Mitglied im Verteidigungsausschuss und Vorsitzender des Unterausschusses "Abrüstung, Rüstungskontrolle und Nichtverbreitung". Nun hat er beim Rüstungskonzern Dynamit Nobel Defence den Auftrag der "Vermittlung von entsprechenden Kontakten und Gesprächen." Die Klinke zum Verteidigungsausschuss hat er nun einem Ex-Verantwortlichen des gleichen Rüstungskonzerns in die Hand gegeben: Der neue CDU-Abgeordnete Bastian Ernst war bis vor Kurzem noch als Head of Business Digital bei Dynamit Nobel Defence für die Weiterentwicklung des Drohnengeschäfts verantwortlich, davor war er 13 Jahre für Rheinmetall tätig.
- Johannes Arlt (Ex-SPD-MdB) - vom Verteidigungs- und Wirtschaftsausschuss zum Drohnenhersteller
Der Ex-SPD-Abgeordnete Johannes Arlt, der bis März 2025 sowohl im Verteidigungs- als auch im Wirtschaftsausschuss saß, ist nun in eine Spitzenposition beim Rüstungskonzern STARK gewechselt. Das Unternehmen plant, eine Kampfdrohne zu bauen. Als Senior Vice President ist Arlts Aufgabe, Partnerschaften und Netzwerke auszubauen.
Das Problem hinter all diesen Lobbysprüngen: Sie sind nach den geltenden gesetzlichen Regelungen erlaubt. Denn für Bundestagsabgeordnete gibt es bislang gar keine Karenzzeit-Regelungen und somit auch keine Abkühlphase ihrer politischen Kontakte und ihres Insider-Wissens.
Was bei einem Blick ins Lobbyregister noch auffällt, sind viele ehemalige Spitzenpolitiker:innen aus dem Bundestag oder aus Ministerien, die nun für die Agentur EUTOP lobbyieren. Schon in der Vergangenheit heuerte das Unternehmen gern Ex-Politiker:innen als Türöffner an und machte mit umstrittenen Methoden in der Lobbyarbeit Schlagzeilen. Seit ihrem Ausscheiden aus dem Bundestag im März 2025 wechselten bereits fünf Abgeordnete aus SPD (3x) und CDU (2x) zur Lobbyagentur, außerdem noch ein Abteilungsleiter aus dem Gesundheitsministerium, eine Referatsleiterin aus dem NRW-Verbraucherschutzministerium sowie der ehemalige Bundesbeauftragte für den Datenschutz und Informationsfreiheit (Stand Juli 2025).
Auch die ehemaligen Regierungsmitglieder melden nach und nach neue berufliche Tätigkeiten an, meist als freiberufliche Redner:innen (Christian Lindner, Jörg Kuckies, Marco Buschmann, Robert Habeck), oder im universitären Kontext (Robert Habeck). Im Fall des Justizministers Marco Buschmann hat die Bundesregierung eine sofortige Aufnahme der privatwirtschaftlichen Tätigkeit als selbstständiger Rechtsanwalt untersagt. Gemäß den Empfehlungen des begleitenden Gremiums wurde eine Karenzzeit von 12 Monaten verhängt. Warum es in diesem Fall 12 Monate sind und die gesetzlich mögliche maximale Dauer von 18 Monaten nicht ausgeschöpft wurde, ist für die Öffentlichkeit nicht nachvollziehbar. Wegen des großen Ermessensspielraums und der intransparenten Beratungen ist eine unabhängige Entscheidungsfindung nicht gewährleistet.
Wie nötig schärfere Karenzzeitregeln sind, hat auch unser Lobbyismus-Experiment in Kooperation mit dem ZDF 2024 offengelegt: Undercover im Bundestag haben wir selbst miterlebt, dass sich mit ausreichend finanziellen Mitteln Kontakte zu Minister:innen kaufen lassen. Häufig unterstützen hierbei Ex-Politiker:innen, die in Lobbyjobs gewechselt sind, wie unsere Recherche aufgezeigt hat. Unseren vermeintlichen Lobbyist:innen wurden gegen hohe Summen Treffen mit Minister:innen und Staatssekretär:innen in Aussicht gestellt.
Trotz der aktuellen Brisanz findet das Thema Seitenwechsel von der Politik in die Wirtschaft im Koalitionsvertrag keine Erwähnung. Das deutet darauf hin, dass die schwarz-rote Koalition keine strengeren Karenzzeitregeln für ausscheidende Regierungsmitglieder, Parlamentarische Staatssekretär:innen oder Abgeordnete plant.
Unterzeichnen Sie jetzt unsere Petition und fordern Sie mit uns schärfere Karenzzeitregeln für Lobbysprünge mit echten Sanktionen bei Verstößen ein.
Das schützt die Unabhängigkeit der Politik – und stärkt das Vertrauen der Menschen in ihre politischen Vertreter:innen.
Zeichnen Sie die Petition
An: Alle Mitglieder des Deutschen Bundestags
Sehr geehrte Damen und Herren,
es ist gängige Praxis, dass Lobbyverbände ehemalige Minister:innen, Abgeordnete oder ihre Mitarbeiter:innen rekrutieren und Konzerne so deren dienstlich erworbene Kontakte und Insiderwissen für sich nutzen. Auch die Politiker:innen selbst profitieren häufig von diesen Seitenwechseln, die teilweise noch während ihrer Amts- bzw. Mandatszeit ausgehandelt werden.
So darf Demokratie nicht funktionieren! Politik sollte ein Wettbewerb um die besten Ideen sein: Unabhängig und dem Gemeinwohl verpflichtet. Politisches Gehör darf nicht vom Geld oder den Personalentscheidungen der Lobby abhängen.
Ich fordere Sie dazu auf, sich im Namen Ihrer Fraktion für strengere Karenzzeitregeln für Spitzenpolitiker:innen von mindestens drei Jahren, für eine unabhängige Prüfinstanz sowie die Einführung wirksamer Sanktionsmöglichkeiten bei Verstößen einzusetzen.
Konkret bedeutet das:
- Für Regierungsmitglieder und Parlamentarische Staatssekretär:innen sollen die bestehenden Regelungen von derzeit maximal 18 Monaten auf mindestens drei Jahre Karenzzeit ausgeweitet werden sowie Lobbytätigkeiten währenddessen grundsätzlich verboten werden;
- für Bundestagsabgeordnete, bei denen es aktuell noch gar keine Regelungen gibt, soll eine gesetzlich verpflichtende Karenzzeitregelung von mindestens drei Jahre im Fall von Interessenkonflikten neu eingeführt werden und insbesondere Lobbytätigkeiten währenddessen verboten werden. Die genaue Ausgestaltung soll in einem parlamentarischen Verfahren – im Einklang mit dem Grundgesetz – ermittelt werden;
- die Überprüfung von Seitenwechseln von der Politik in die Privatwirtschaft und die Empfehlung von Karenzzeiten soll von einer unabhängigen Instanz durchgeführt werden und nach klaren Richtlinien erfolgen. Im Fall von Pflichtverstößen sollen wirksame Sanktionen verhängt werden.
Auf diese Weise können die politische Integrität und das Vertrauen der Bürger:innen in eine unabhängige Politik gestärkt werden.
Mit freundlichen Grüßen
[Ihr Name]