Seit Monaten läuft die deutsche Autolobby Sturm gegen das für 2035 geplante EU-Verbrenner-Aus. Und auch wenn die Bundesregierung noch nicht mit einer Stimme spricht, haben die Autohersteller den Bundeskanzler und die Unionsparteien auf ihrer Seite: Nach eigenen Worten wolle Friedrich Merz Brüssel „das Stöckchen in die Räder halten“.
Beim Verband der Automobilindustrie (VDA) dürfte man sich derweil auf die Schulter klopfen – den Verantwortlichen dort ist gerade ein Lobby-Meisterstück gelungen.
„LILA – Änderung vom VDA“
Ein jetzt geleaktes CDU-Positionspapier zur Lage der Autoindustrie enthält komplette Passagen mit Wünschen und Forderungen – markiert in Lila, diktiert vom mächtigen Lobbyverband der Autoindustrie. Das belegen Recherchen, die der SPIEGEL letzte Woche veröffentlicht hat.
Die Unionsfraktion wollte sich zum Positionspapier nicht direkt äußern, eines Problems sei man sich aber nicht bewusst. Der VDA sprach gar von einem normalen, demokratischen Vorgang.
Die Autolobby diktiert, die Politik schreibt mit – sicherlich kein normaler Vorgang. Ohne die Veröffentlichungen des SPIEGEL wäre der Lobbyeinfluss außerdem im Verborgenen geblieben – wenig demokratisch.
Bekanntes Muster
Vor einiger Zeit brachten abgeordnetenwatch-Recherchen einen ähnlichen Fall ans Licht.
Vor einer EU-Abstimmung zu strengeren Abgasregeln intervenierte der damalige CSU-Ministerpräsident Horst Seehofer für die deutschen Autobauer – mit den Argumenten der Autolobby.
Das geheime Positionspapier, welches Seehofers Staatskanzlei ans Kanzleramt schickte, enthielt unter anderem die „wichtigsten Forderungen der BMW Group im Einzelnen“.
Deutschland stellte sich anschließend gegen die EU-Pläne und setzte weit weniger strenge Abgaswerte durch. Der abgeschwächte EU-Beschluss, schrieb die Süddeutsche Zeitung später, „entspricht bis ins Detail dem, was BMW durchsetzen wollte“.
Übrigens: Als abgeordnetenwatch das Positionspapier anforderte, versuchte uns das Kanzleramt noch zu täuschen. Angeblich wäre man im Kanzleramt nicht fündig geworden – als wir nicht lockerließen, ging das Kanzleramt sogar auf Tauchstation.
Als der Druck auf das Kanzleramt zunahm, tauchte das Lobbypapier dann plötzlich doch auf. abgeordnetenwatch konnte es anschließend der Öffentlichkeit zugänglich machen.
Gegengewicht, gemeinsam!
Wenn Großkonzerne den direkten Draht ins Kanzleramt nutzen, Abgeordnete die Seiten wechseln und Lobbyarbeit leisten, und Treffen zwischen Politik und Wirtschaft im Geheimen bleiben – dann wird abgeordnetenwatch aktiv!
Mit investigativen Recherchen, kritischer Kampagnenarbeit und mutigen Transparenzklagen schaffen wir als unabhängige, gemeinnützige Initiative ein Gegengewicht zu einseitiger Einflussnahme und informieren die Öffentlichkeit.