Wir werten unseren Kandidierenden-Check aus

So ticken die Kandidierenden zur Bürgerschaftswahl in Bremen 2023

Der Bau von Sozialwohnungen, freie Konsumräume am Bremer Hauptbahnhof, die Weservertiefung - das sind nur einigen Themen, die Bremen rund um die Bürgerschaftswahl am 14. Mai 2023 beschäftigen und kontrovers diskutiert werden. Mit unserem Kandidierenden-Check zur Bürgerschaftswahl haben wir viele dieser Themen aufgegriffen und die Kandidierenden in Bremen direkt befragt. Spannende Infos zu den Positionen der Kandidierenden zu den zehn Thesen rund um das Bundesland Bremen finden Sie hier.

von Redaktion abgeordnetenwatch.de, 03.05.2023

Bis zum 3. Mai 2023 haben sich 187 Kandidierende aus den Wahlkreisen Bremen und Bremerhaven am Kandidierenden-Check zur Bürgerschaftswahl in Bremen beteiligt. Bei insgesamt 320 Kandidierenden entspricht das einer Beteiligungsquote von 58 Prozent.

Wir von abgeordnetenwatch.de wollen Ihnen mit dem Kandidierenden-Check eine Wahlhilfe für Ihre fünf Stimmen bei der Bürgerschaftswahl zu Verfügung stellen. Im folgenden Artikel haben wir daher die Antworten der Kandidierenden auf unsere zehn Thesen ausgewertet. Für jede These ist ein Überblick in Grafik und Text zusammengestellt, der die Abstimmungsergebnisse einordnet und vergleicht.

Besonders bei kontroversen Themen lohnt sich ein Blick auf die Profilseite der Kandidierenden bei abgeordnetenwatch.de. Hier finden Sie alle Begründungen zu ihren Positionen.

These 1: Der Bau von Sozialwohnungen soll möglichst gleichmäßig über die verschiedenen Stadtteile in Bremen und Bremerhaven verteilt werden.

Der Bau von Sozialwohnungen konzentriert sich in Bremen bislang nur auf einige Stadtteile. Wenig Sozialwohnungen gibt es zum Beispiel in den eher hochpreisigen Gebieten, wie Überseestadt. Da dieser Umstand die Abgrenzung verschiedener sozialer Gruppen innerhalb der Stadt zur Folge hat, gibt es Forderungen nach einer gleichmäßigeren Verteilung der Sozialwohnungen auf den gesamten Wohnraum.

Wir haben die Kandidierenden zur Bürgerschaftswahl in Bremen zu diesem Thema befragt:

Insgesamt positionieren sich die Kandidierenden mit einer deutlichen Mehrheit von 83,4% für eine gleichmäßigere Verteilung von Sozialwohnungen in Bremen. 7% lehnen dies ab, während sich 9,6% der Kandidierenden neutral positionieren.

Auch innerhalb der Parteien sind sich die KC-Teilnehmenden relativ einig: Die Kandidierenden der Grünen stimmen mit einer Mehrheit von 94,1%, die Kandidierenden der CDU mit 93,8% und die Kandidierenden von DIE LINKE mit 92,9% für die These. Die am KC teilnehmenden Kandidierenden der SPD sowie viele kleine Parteien stimmten geschlossen für eine ausgeglichenere Verteilung neuer Sozialwohnungen. Weniger einig sind sich die Kandidierenden der FDP: Die gleichmäßigere Verteilung von Sozialwohnungen lehnen 64,7% der Kandidierenden ab, während 23,5% dies befürworten und 11,8% eine neutrale Haltung angeben.

These 2: Die Gewerbesteuer soll gesenkt werden, damit mehr Unternehmen in den Standort Bremen investieren.

Die Frage nach der Höhe der Gewerbesteuer ist in vielen Kommunen ein viel diskutiertes Thema. Auch das Bundesland Bremen beschäftigt sich seit einigen Jahren damit, wobei sich die beiden Stadtgemeinden Bremen und Bremerhaven bezüglich der Höhe der Steuer nicht immer ganz einig sind. Für beide Gemeinden gilt es im Standortwettbewerb steuerlich attraktive Bedingungen im Vergleich zum Umland zu schaffen.

Wie stehen nun die Kandidierenden zu einer niedrigeren Gewerbesteuer in Bremen?

Diese lehnen 58,8% der teilnehmenden Kandidierenden ab, während 30% einer Senkung zustimmen. 11,2% positionieren sich in dieser Debatte "neutral".

Mehrheitlich gegen diese These positionieren sich die am KC teilnehmenden Kandidierenden von Bündnis 90/Die Grünen (88,2%), von der Partei DIE LINKE (100%) und von der SPD (90,2%). Die Kandidierenden der Parteien Bürger in Wut und der FDP stimmen der These dagegen mehrheitlich zu (jeweils 88,9% und 100%). Uneinig sind sich die Kandidierenden der CDU, sie stimmen mit 34,4% für und 59,4% gegen die These.

These 3: Der geplante Bau eines Konsumraums zum sichereren und straffreien Konsumieren von Betäubungsmitteln am Hauptbahnhof soll umgesetzt werden.

Rund um das Thema Drogenpolitik gibt es in Bremen immer wieder kontroverse Diskussionen, konkret auch zum Umgang mit suchtkranken Menschen. Aktuell steht die Umsetzung eines Konsumraums in der Nähe des Bremer Hauptbahnhofs im Fokus der Debatte. Damit soll nun in naher Zukunft ein Raum für Drogengebrauchende geschaffen werden, in dem unter das Betäubungsmittelgesetz fallende Drogen unter kontrollierten Bedingungen konsumiert werden können. Wichtig ist dabei auch der Standort rund um den Hauptbahnhof, um den sich die Drogenszene seit Jahren ansteigend konzentriert.

Die Einführung eines freien Konsumraums nahe des Bremer Hauptbahnhofs wird von den Kandidierenden mit einem Anteil von 75,4% überwiegend positiv aufgefasst. Nur 16% sind der Meinung, dass dies nicht richtig sei. 8,6% stehen der These neutral gegenüber.

Die Umsetzung eines solchen Konsumraums befürworten die teilnehmenden Kandidierenden der Parteien Bündnis90/Die Grünen, DIE LINKE, Die PARTEI, ÖDP, PIRATEN, Tierschutzpartei und Volt mit ausdrücklich 100%. Die Kandidierenden der CDU stimmten mit 68,8%, die der FDP mit 82,4% und die der SPD mit 92,7% dafür. Gegen die Umsetzung eines straffreien Konsumraums am Hauptbahnhof positionieren sich mit 94,4% deutlich die Kandidierenden der Partei Bürger in Wut.

These 4: Es soll ein verpflichtendes Vorschuljahr eingeführt werden.

Das Thema Bildung beschäftigt Bremen schon lange, da Schulstudien den Bremer Schüler:innen immer wieder Lerndefizite nachweisen. Derartige Ergebnisse und die damit verbundenen Probleme bringen auch das Thema frühkindlicher Bildung in die aktuelle Debatte, weshalb ein verpflichtendes Vorschuljahr als Maßnahme im Raum steht. Dabei wird besonders das Problem der fehlenden Sprachkompetenz vieler Kinder hervorgehoben und in einigen Vorschlägen als Bedingung für ein verpflichtendes Vorschuljahr genannt. Doch es gibt es auch Kritik an solchen Vorschlägen.

Empfinden die Kandidierenden dies als richtig oder fordern sie andere Maßnahmen?

52,1% sind der Meinung, nein, Bremen sollte kein verpflichtendes Vorschuljahr einführen. 33,9% sprechen sich für eine Einführung eines verpflichtendes Vorschuljahr aus, während 14% diesem Thema neutral gegenüberstehen.

Die am KC teilnehmenden Kandidierenden der SPD lehnen die These mit 87,8% ab. Auch die Kandidierenden der Grünen und von Die LINKE lehnen die These mit jeweils 85,3% und 92,9% ab. Konträre Positionen vertreten mit 96,9% Zustimmung die Kandidierenden der CDU, die Kandidierenden von Bürger in Wut mit 70,6% und jene von Volt mit 100%.

These 5: Das Bremer Migrationsamt soll dauerhaft alle Migrant:innen, die sich für eine Einbürgerung qualifizieren, aktiv darüber informieren.

Das Thema Einbürgerung wird nicht nur auf Bundesebene diskutiert, sondern spielt auch in der Bremer Politik eine wichtige Rolle. In diesem Zusammenhang wurde in Bremen 2018 eine Einbürgerungskampagne gestartet, im Rahmen derer alle Personen, die sich für eine Einbürgerung qualifizieren, aktiv von staatlicher Seite darüber informiert wurden. Die Kampagne konnte unter anderem aufgrund der Corona-Pandemie nicht in gleicher Form weitergeführt werden, zusätzlich gab es Kritik wegen einer Überlastung der Migrationsämter in Bremen.

Wir haben die Kandidierenden in Bremen gefragt, wie sie zu einer aktiven Benachrichtigung der sich für eine Einbürgerung qualifizierenden Personen stehen.

50,3% der Teilnehmenden halten es für richtig, Migrant:innen aktiv darüber zu informieren, dass sie für eine Einbürgerung qualifiziert sind. 35,3% lehnen dies ab.

Mehrheitlich abgelehnt wird diese These zum Beispiel von den teilnehmenden Kandidierenden der CDU mit 62,5%, den Kandidierenden der SPD mit 61% und jenen der FDP mit 64,7%. Die am KC teilnehmenden Kandidierenden der Grünen hingegen zeigen sich geschlossen für ein solches Vorgehen (100%). Ebenfalls mehrheitlich stimmen die Kandidierenden von DIE LINKE,  von Die PARTEI, der MLPD, der PIRATEN und der Tierschutzpartei dafür.

These 6: Die Weservertiefung soll fortgeführt werden.

Die Weservertiefung ist ein anhaltend polarisierendes Thema in Bremen. Seit einer Klage des BUND im Jahr 2011 ist der Streit um ökonomische und ökologische Aspekte im Zusammenhang mit einem Ausbau der Weser verstärkt Thema in der Bremer Politik. Auf der einen Seite werden die Vorteile für die Wirtschaft betont, die durch einen größeren Schiff- und Hafenbetrieb erreicht werden könnten. Die Weservertiefung soll helfen, den Standort Bremen für den Import- und Exporthandel attraktiver zu machen. Auf der anderen Seite stehen die Argumente zum Umwelt- und Naturschutz. Umweltverbände warnen dabei vor starken ökologischen Folgeschäden einer Weservertiefung.

Ein Thema das spaltet. Doch wie stehen die Kandidierenden in Bremen zu einem Ausbau der Weser?

Mit 48,7% stimmen knapp die Hälfte der teilnehmenden Kandidierenden der These zu. 33,1% lehnen eine Fortführung der Weservertiefung ab und 18,2% positionieren sich neutral zu der These.

Während sich die Kandidierenden der Grünen mit 97,1%, jene von DIE LINKE mit 64,3% sowie die Kandidierenden der kleinen Parteien GFA, die PARTEI, MLPD, ÖDP und Tierschutzpartei einheitlich mit 100% gegen eine Fortführung der Weservertiefung aussprechen, zeigen sich Kandidierende anderer Parteien deutlich für eine Fortführung. Die teilnehmenden Kandierenden von Bürger in Wut stimmen mit 83,3% dafür, die Kandidierenden der CDU mit 81,3%, die der FDP mit 94,1% und die der SPD mit 75,6%. Die Kandidierenden der Partei Volt positionieren sich überwiegend neutral mit 83,3%.

These 7: Es soll eine Vier-Tage Woche bei vollem Lohnausgleich eingeführt werden.

Die Vier-Tage-Woche ist ein bundes- und europaweit viel diskutiertes Arbeitsmodell, dass sich im Aufwärtstrend befindet. Erste Arbeitgeber setzen Vier-Tage-Modelle bereits um, während andere eine solche Reform der Arbeitszeiten stark ablehnen. Sollten sich Veränderungen hin zu einer Vier-Tage-Woche auch in Deutschland stärker durchsetzen, werden auch die Positionen der Politiker:innen auf Länderebene eine Rolle spielen.

Die Kandidierenden der antretenden Parteien haben sich bei uns wie folgt positioniert:

44,4% stimmen für eine Einführung der Vier-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich. 21,9% wollen die Fünf-Tage-Woche erhalten und 33,7% stehen dem Sachverhalt neutral gegenüber.

Die teilnehmenden Kandidierenden von DIE LINKE, von Die PARTEI,  der GFA und der MLPD positionieren sich einheitlich mit 100% klar pro viertägige Arbeitswoche. Auch die Kandidierenden der SPD stehen mit 87,8% hinter dem Konzept. Eher gegen eine Vier-Tage-Woche positionieren sich die Kandidierenden der Parteien Bürger in Wut, FDP und Volt mit jeweils 72,2%, 70,6% und 66,7%. Auffällig sind die vielen neutralen Stimmen zu dieser These. Auch Kandidierenden großer Parteien wie z.B. die der Grünen mit 58,8% und der CDU mit 65,6% positionieren sich mehrheitlich neutral in der Debatte um die Vier-Tage-Woche.

These 8: Das Anwohner:innenparken soll im selben Maß gefördert werden wie Vorhaben für andere Verkehrsmittel, z.B. den ÖPNV.

Die allermeisten sind sich einig, dass der öffentliche Personennahverkehr unverzichtbar ist und unterstützt werden sollte. Besonders im Zusammenhang mit Debatten um klimafreundliche Maßnahmen spielt die Förderung des ÖPNV eine immer größere Rolle. Doch wie stehen die Bremer Kandidierenden zu einer Förderung des Anwohner:innenparkens? Welche Rolle spielt die Förderung des Verkehrsmittels Auto? Soll dieses in gleichem Maß wie der ÖPNV gefördert werden oder setzen die möglichen zukünftigen Abgeordneten der Bremer Bürgerschaft andere Prioritäten?

Die Positionen zu der These zeigen ein gemischtes Stimmungsbild: 25,1% der Kandidierenden stimmen der These zu, 39,6% lehnen sie ab und 35,3% bewerten sie als neutral.

Auch innerhalb der Parteien sind die Positionen nicht einheitlich. So stimmen die Kandidierenden der CDU mit 65,6% gegen eine gleichgestellte Förderung des ÖPNVs und des Anwohner:innenparkens. Auch in der Partei DIE LINKE gibt es unterschiedliche Stimmen, 42,9% der Kandidierenden sprechen sich gegen die These aus, ebensoviele positionieren sich neutral (42,9%) und 14,3% befürworten sie. Die teilnehmenden Kandidierenden der FDP zeigen sich mit 88,2% Zustimmung und 11,8% neutralen Positionierungen eher pro These acht. Die Kandidierenden der SPD fallen durch eine hohe Anzahl neutraler Stimmen (78%) auf.

These 9: Es soll ein verpflichtendes Lobbyregister in Bremen eingeführt werden.

Auf Bundesebene ist das Lobbyregister inzwischen nicht mehr Gegenstand kontroverser Diskussion, sondern eingeführter Bestandteil politischer Transparenzmaßnahmen. Das gilt nicht für zwingend für die Landesebene. So führt Bremen aktuell kein Lobbyregister. Doch es werden immer wieder Stimmen in der öffentlichen Debatte laut, die ein verpflichtendes Lobbyregister auch für Bremen fordern, um mehr Transparenz in der politischen Interessenvertretung herzustellen.

Auch wenn nicht alle Kandidierenden es für angemessen oder richtig halten ein verpflichtendes Lobbyregister in Bremen zu führen, so sind sich die Kandidierenden der Parteien insgesamt relativ einig: 84,5% sprechen sich für ein verpflichtendes Lobbyregister aus, 11,2% positionieren sich neutral und nur 4,3% der Kandidierenden lehnen dies ab.

Besonders die Kandidierenden der aktuellen Regierungsparteien SPD, Grüne und DIE LINKE beweisen bei dieser These ihre Einigkeit (je 100% stimmen für die These). Auch viele Kandidierende kleiner Parteien stehen geschlossen hinter der Aussage. Die teilnehmenden Kandidierenden von CDU und FDP zeigen sich ebenfalls mehrheitlich für ein verpflichtendes Lobbyregister, weisen aber gleichzeitig neutrale Positionen von jeweils 21,9% und 29,4% auf.

These 10: Die Bundeswehr soll weiterhin politische Bildungsveranstaltungen an Schulen durchführen dürfen.

Die Bundeswehr erhält aufgrund verschiedener politischer Entwicklungen aktuell einen besonderen Fokus in der öffentlichen Debatte. Das betrifft auch das Thema politischer Bildungsveranstaltungen an Schulen - auch in der Bremer Bürgerschaft umstritten. Die Meinungen zwischen den Parteien gehen dabei weit auseinander. So sieht eine Seite in Bundeswehrveranstaltungen an Schulen eine gezielte Werbemaßnahme, während andere dies als wichtige Informationsveranstaltung für Schüler:innen empfinden.

Diese kontrovers diskutierte Thematik spiegelt sich auch in den Positionen der Kandidierenden in Bremen wider: 50,5% der Kandidierenden stimmen der These zu, 28% lehnen sie ab und 21,5% stehen politischen Bildungsveranstaltungen der Bundeswehr and Schulen neutral gegenüber.

Einig sind sich in dieser These vor allem die am KC teilnehmenden Kandidierenden kleinerer Parteien. Die Kandidierenden von DIE LINKE, der PARTEI, der MLPD und Volt lehnen politische Bildungsveranstaltungen der Bundeswehr geschlossen ab. Mehrheitlich für die Möglichkeit solcher Veranstaltungen positionieren sich die Kandidierenden von Bürger in Wut mit 83,3%, die der CDU mit 93,8%, die der FDP mit 88,2% die der SPD mit 65,9% sowie geschlossen mit jeweils 100% die Kandidierenden der ÖDP und der Tierschutzpartei. Die teilnehmenden Kandidierenden der Grünen fallen mit knapp 60% neutralen Stimmen auf.

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