Den Parteien brechen die Großspenden weg

Jahrelang bescherten Großspenden aus der Wirtschaft den Parteien Millioneneinnahmen, doch die einst sprudelnde Geldquelle versiegt immer mehr. Zahlreiche Großkonzerne, Lobbyverbände und vermögende Privatpersonen haben zuletzt ihre Überweisungen eingestellt. Warum?

von Martin Reyher, 10.01.2012

Die fetten Jahre sind vorbei - zumindest für die Parteien. Konzerne und Interessenverbände sind mit ihren Großspenden in den vergangenen Jahren immer knausriger geworden. Auch wenn es für die deutsche Wirtschaft derzeit blendend läuft: Sechsstellige Beträge an eine Partei leisten sich nur noch wenige. Entweder fahren sie ihr Spendenbudget nach unten oder geben inzwischen gar nichts mehr. Die Zuwendungen oberhalb von 50.000 Euro, die zeitnah im Internet veröffentlicht werden müssen, sind im zurückliegenden Jahr massiv zurückgegangen.

Für die Parteien wird das zum Problem. Insbesondere bei CDU und FDP, die neben der CSU traditionell am meisten von den Zuwendungen aus der Privatwirtschaft profitieren, sind die vormals verlässlichen Einnahmen weggebrochen. Wie ist es dazu gekommen?

 

1. BMW, Daimler, Allianz: Die letzten Großspender
2. Immer weniger Großspender: Angst vor Öffentlichkeit?
3. Landschaftspflege statt Einzelspende: Geldsegen für alle
4. CDU: Die Treuesten der Treuen wenden sich ab

 

1. BMW, Daimler, Allianz: Die letzten Großspender

Großzügigkeit war jahrelang eine Tugend in den Chefetagen der deutschen Wirtschaft. Konzerne wie Bosch, Tchibo, Dresdner Bank, RAG, Commerzbank oder Eon verteilten in den ersten Jahren nach der Jahrtausendwende regelmäßig Parteispenden in sechsstelliger Höhe.

Inzwischen können sich die Parteien, insbesondere CDU, CSU und FDP, nur noch auf wenige Großunternehmen verlassen. Die Autobauer BMW und Daimler, der Versicherer Allianz und die Verbände der Metall- und Elektroindustrie in Bayern, Baden-Württemberg und NRW gehören zu den letzten "Großen", die die Parteien nach wie vor mit hohen Zuwendungen unterstützen. Großspenden kamen im vergangenen Jahr nur noch aus zwei Branchen: der Finanz- und Versicherungswirtschaft sowie der metallverarbeitenden Industrie. Aus den insgesamt 34 Großspendern im Jahr 2000 sind elf Jahre später acht geworden:

Seit 2000 haben die Schatzmeister der Parteien erst einmal - 2003 - so wenig Großspenden zählen müssen wie im vergangenen Jahr, nämlich 20. Und noch nie war das Spendenaufkommen geringer. Gerade einmal 1.814.000 Euro gingen 2011 auf den Konten von CDU, CSU, FDP, SPD und Grünen ein. 2010, beileibe kein Spitzenjahr, hatten die Parteien aus der Privatwirtschaft noch gut 800.000 Euro mehr erhalten. Die durchschnittliche Spendenhöhe ist von rund 120.000 Euro für die Jahre 2000 bis 2010 auf zuletzt knapp über 90.000 Euro abgefallen.

Der größte Anteil am Spendenkuchen entfällt zwar nach wie vor auf die CDU, doch in absoluten Zahlen waren deren Einnahmen aus Großspenden vergangenes Jahr mit 516.130 Euro auf einem historischen Tiefstand (zum Vergleich: 2006, dem zweit schlechtesten Spendenjahr, kassierte die Partei 1.036.640 Euro). Wie dramatisch diese Entwicklung ist, zeigt ein Blick in die Vergangenheit: Nach abgeordnetenwatch.de-Berechnungen haben die Christdemokraten seit 2000 in keinem Jahr weniger als 1 Mio. Euro aus Großspenden eingenommen.

Nicht nur der Spendenerlös der CDU ist dramatisch zurückgegangen, auch der Abstand gegenüber den anderen Parteien schmilzt immer mehr. Noch nie waren die Einnahmen aus Großzuwendungen so ausgeglichen verteilt wie im abgelaufenen Jahr:

2. Immer weniger Großspender: Angst vor Öffentlichkeit?

Jahrelang schien es nicht so, als sei es Unternehmen, Lobbyverbänden und vermögenden Privatpersonen besonders unangenehm, im Zusammenhang mit Parteispenden genannt zu werden. Jedenfalls gaben sie oft und viel. Wer sich für die Spendenflüsse aus der Wirtschaft interessierte, brauchte nur auf die Homepage des Deutschen Bundestags zu gehen, um die neuesten Großspenden angezeigt zu bekommen. Seit 2002 werden sie dort zeitnah veröffentlicht.

Doch die Liste der Geldgeber ist zuletzt immer kürzer geworden. 2011 unterstützten die Parteien gerade einmal acht Großspender (2010: elf) mit Zuwendungen oberhalb von 50.000 Euro; zwischen 2000 und 2009 waren es im Schnitt 20. Selbst wenn man aus dieser Rechnung die Wahljahre 2002, 2005 und 2009 heraus rechnet, in denen sich besonders viele Unternehmer und Verbände mit einer üppigen Spende in Erinnerung rufen, kommt man auf durchschnittlich 18 Großspender pro Jahr.

Woher rührt diese plötzliche Zurückhaltung? An leeren Konzernkassen kann es eigentlich nicht liegen, der Wirtschaftsteil in den Zeitungen ist voll mit positiven Unternehmensnachrichten, viele Auftragsbücher sind trotz Euro-Schuldenkrise gut gefüllt.

Allerdings hat es in den letzten ein, zwei Jahren eine Entwicklung gegeben, die die Spendierfreudigkeit der deutschen Wirtschaft möglicherweise sehr viel stärker beeinflusst als jede Konjunkturschwankung: Zivilgesellschaftliche Organisationen wie abgeordnetenwatch.de oder Lobbycontrol haben Parteispenden, für die sich - obwohl öffentlich einsehbar - bislang kaum jemand zu interessieren schien, ins Licht der Öffentlichkeit gerückt. Nicht selten greifen Medien die Vorarbeit der NGOs dankend auf und werden so zum Multiplikator. Inzwischen haben taz und SPIEGEL ONLINE sogar eigene Tools online gestellt, mit denen sich die Spendenflüsse zwischen Privatwirtschaft und Parteien durchsuchen lassen.

Durch das zunehmende öffentliche Interesse stehen mit einem Mal jene Firmen und Verbände im Fokus, die besonders großzügig spenden - Schlagzeilen aus den vergangenen Monaten:

  • Spenden: Halbe Million Euro für CSU und Kommunisten meldete erst vergangene Woche wieder die Nachrichtenagentur dpa und bezog sich damit auf Zuwendungen des Verbandes der Bayerischen Metall- und Elektroindustrie an CSU und FDP sowie auf die Großspende einer Ärztin an die Splitterpartei MLPD.

Gut möglich also, dass es einigen Großspendern inzwischen unangenehm geworden ist, im Zusammenhang mit Parteispenden genannt zu werden. Auch wenn Politiker und die Geldgeber aus der Wirtschaft gebetsmühlenartig wiederholen, dass Großspenden selbstverständlich an keine Gegenleistungen gekoppelt sind, stehen Parteispenden in keinem besonders guten Ruf. Das ist auch allzu verständlich. Der Gedanke, das ausgerechnet die auf Gewinnmaximierung fixierten Konzernlenker fünf- oder sechsstellige Eurobeträge ohne die Erwartung einer Gegenleistung an Parteien überweisen, ist geradezu absurd. Anders als Privatpersonen können Unternehmen eine Parteispende nicht einmal steuerlich absetzen.

3. Landschaftspflege statt Einzelspende: Geldsegen für alle

Betrachtet man die Spendenflüsse in den letzten zwei Jahren, macht man eine auffällige Beobachtung: Immer weniger Unternehmen und Verbände spenden an immer mehr Parteien. Während ein Großspender zwischen 2000 und 2009 im Schnitt 1,5 Spenden pro Jahr tätigte, waren es 2010 schon 2,3 und 2011 sogar 2,5 Spenden. Im vergangenen Jahr kamen die insgesamt 20 Zuwendungen, die oberhalb der 50.000 Euro-Grenze lagen, von gerade einmal acht Konzernen und Unternehmensverbänden.

Nicht nur die Zahl der Spender und der Spenden ist in den letzten beiden Jahren dramatisch zurückgegangen, sondern auch der Anteil der guten alten Einzel-Großspende, mit der eine Partei als Ausdruck von inhaltlicher Verbundenheit unterstützt wird. In manchen Jahren - wie 2000 - konnten CDU, CSU & Co. 30 Großspenden exklusiv für sich verbuchen. 2010 waren es bei allen Parteien zusammen gerade einmal vier, 2011 nur noch drei.

Die wenigen noch verbliebenen Großspender setzen zumeist auf das Prinzip der politischen Landschaftspflege, bei der gleich mehrere Parteien großzügig bedacht werden. So verteilt die Allianz-Versicherung ihre Spenden seit Jahren an CDU, CSU, FDP, SPD und Grüne, der Autobauer BMW stattet den Fuhrpark von CDU, CSU, FDP und SPD mit Gratislimousinen aus, die Konkurrenz von Daimler unterstützt CDU und SPD, der Verband der Metall- und Elektroindustrie Baden-Württemberg (Südwestmetall) beschenkt traditionell CDU, FDP, SPD und Grüne.

Aus Sicht der Konzerne entspricht es einer gewissen Logik, auf alle Pferde gleichzeitig zu setzen. Aus Sicht von Union und FDP, den Hauptprofiteuren von Exklusivspenden, ist dies dagegen eine bedenkliche Entwicklung: Indem sie ihre treuesten Geldgeber verlieren, büßen sie einen wichtigen Wettbewerbsvorteil gegenüber den übrigen Parteien ein.

4. CDU/CSU: Die Treuesten der Treuen wenden sich ab

Jahr für Jahr konnte sich die CDU darauf verlassen, dass die Treuesten der Treuen unter den Sympathisanten die Parteikasse füllten. In Spitzenzeiten gab es bis zu 26 Großspenden, die von Unternehmen, Interessenverbänden und vermögenden Privatpersonen exklusiv an die CDU flossen - Geld, das den politischen Mitbewerbern nicht zur Verfügung stand. Egal ob zu Regierungs- oder zu Oppositionszeiten: Die Partei war war für die Privatwirtschaft die erste Adresse wenn es darum ging, sich finanziell in der Politik zu engagieren. Keine andere politische Kraft vermochte auch nur annähernd so viele ihrer Großspender exklusiv an sich zu binden wie die Christdemokraten.

Doch die innige (Finanz-)Beziehung zwischen CDU und Privatwirtschaft ist merklich abgekühlt. Nur noch wenige Geldgeber können sich für die Regierungspartei erwärmen, wie eine Auswertung von abgeordnetenwatch.de zeigt: 2010 wurden die Christdemokraten lediglich von drei Exklusiv-Spendern unterstützt, 2011 sogar nur noch von zweien.

Die beiden letzten treuen CDU-Anhänger unter den Großspendern, die Berenberg Bank und der Verband der nordrhein-westfälischen Metall- und Elektroindustrie, überwiesen den Christdemokraten im vergangenen Jahr zusammen gerade einmal 160.000 Euro. 2008 lag der Gesamterlös aus exklusiven Einzelspenden etwa achtmal so hoch, im darauf folgenden Wahljahr sogar noch um einiges höher. Der Verlust der einst sicheren Großspenden ist umso schmerzlicher, als dass die CDU auch an anderer Stelle mit Einnahmeausfällen zu kämpfen hat. Rückläufige Mitglieder- und Wählerzahlen reißen aufgrund sinkender Erlöse aus Beiträgen und der staatlichen Parteienfinanzierung ein weiteres Loch in die Parteikasse.

Doch wer sind die einst so großzügigen Geldgeber, deren Spendenfluss inzwischen versiegt ist? Nach einer Auswertung von abgeordnetenwatch.de haben neben den genannten Konzernen auch mehrere Gelegenheits-Großspender wie der Unternehmer und frühere Hamburger Wirtschaftssenator Ian Karan (Clou Container), der Investmentmanager Christoph Alexander Kahl oder der Pharmahersteller Ferring ihre Spendentätigkeit eingestellt.

Besonders schmerzen dürfte die CDU allerdings, dass auch die jährlichen Überweisungen aus dem Umfeld der BMW-Erben Quandt inzwischen ausbleiben. Johanna Quandt, Witwe des Großindustriellen Herbert Quandt, und ihre Kinder Stefan und Susanne (Klatten) gehörten jahrelang zu den größten Parteispendern in Deutschland. Seit 2000 überwiesen sie der CDU allein aus ihrer Privatschatulle mehr als 2 Mio. Euro, über das Unternehmen Altana, das ebenfalls zum Familienimperium gehört, kamen weitere 1,5 Mio. Euro. Doch mit einem Mal stellten die Quandts und Altana ihre Großspenden ein. Seit der Bundestagswahl 2009 ist keine einzige Zuwendung über 50.000 Euro mehr an die CDU geflossen.

Weil seitdem auch der Koalitionspartner FDP leer ausgeht, der von den Quandts und Altana in den vergangenen zehn Jahren mit gut einer halben Millionen Euro bedacht wurde, und Quandt-Spross Stefan zuletzt öffentlich mit der Politik der schwarz-gelben Koalition abrechnete, darf man das Ausbleiben der Großspenden durchaus als Botschaft an CDU und FDP verstehen: Wer die Wünsche der Wirtschaft nicht bedient, dem wird der Geldhahn zugedreht.

[Update 15.10.2013: Wenige Wochen nach der Bundestagswahl, die das Ende der schwarz-gelben Regierung bedeutete, haben die BMW-Erben ihre Privatschatulle nach längerer Zeit wieder für eine Parteispende geöffnet. Der CDU überwiesen Johanna Quandt und ihre Kinder Stefan und Susanne (Klatten) jeweils 230.000 Euro. SPIEGEL ONLINE macht darauf aufmerksam, dass die Zuwendungen zeitlich mit einer heiklen politischen Entscheidung zu neuen Abgasnormen für die Autoindustrie zusammen fällt. Am gestrigen Montag verhinderte die Bundesregierung vorläufig eine Einigung auf strengere Abgasnormen für Autos in Europa. Die Bundesregierung verlangt, die Einführung neuer Richtlinien über einen längeren Zeitraum zu strecken. Davon würden vor allem Oberklasse-Hersteller wie Daimler und BMW profitieren.]

Großspenden über 50.000 Euro machen in der Summe zwar nur einen vergleichsweise geringen Anteil an den Spendenerlösen der Parteien aus. Doch womöglich ist die Abkehr der "Großen" - sei es aus Unzufriedenheit mit der Regierungsarbeit oder aus Sorge vor der neuen Transparenz - nur die Spitze des Eisbergs. Die Namen der Spender, die in den vergangenen zwei Jahren jeweils zwischen 10.000 und 50.000 Euro gegeben haben, sind noch geheim. Denn die Rechenschaftsberichte der Parteien, in denen die Geldgeber genannt werden, bekommt die Öffentlichkeit immer erst mit über einem Jahr Verspätung zu Gesicht.

Möglicherweise fließen die Gelder von der Privatwirtschaft an die Parteien inzwischen auch über andere, diskretere Kanäle als die klassische Parteispende. 2010 sorgte eine verdeckte Form der Parteienfinanzierung für Schlagzeilen, bei der Unternehmen gegen Geld Gespräche mit den Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers und Stanislaw Tillich am Rande eines Parteitags führen konnten. Eine Win-Win-Situation in gleich zweifacher Hinsicht: Die Finanzflüsse finden nicht mehr in aller Öffentlichkeit statt, was sowohl den Unternehmen und Verbänden als auch den Parteien recht sein dürfte. Zudem können Konzerne ihre Sponsoringausgaben - anders als Parteispenden - steuerlich geltend machen.

Update:
Wie die Frankfurter Rundschau am 2.1.2013 berichtete, lag die Gesamthöhe der Großspenden im vergangenen Jahr auf einem erneuten Tiefstand. Insgesamt erhielten die Parteien von Unternehmen Zuwendungen oberhalb von 50.000 Euro in einem Volumen von insgesamt 1,3 Millionen Euro, rund ein Drittel weniger als im Jahr 2011. Die CSU kassierte insgesamt 460.000 Euro, an CDU und SPD flossen jeweils rund 260.000 Euro, die FDP bekam 205.000 Euro.

 

Update 12.1.2012:
Wie die Website "Georgien aktuell" gestern berichtete, sind dort Parteispenden von Unternehmen und Verbänden (juristische Personen) demnächst verboten. In dem Artikel heißt es:

Das georgische Parlament hat am 28. Dezember 2011 in dritter Lesung Änderungen am Parteiengesetz beschlossen, auf deren Grundlage die Finanzierung politischer Parteien neu geregelt wird. In Kraft getreten ist die Reform am 29. Dezember des vergangenen Jahres.

Konkret sind nunmehr jegliche Zuwendungen juristischer Personen (z.B. Unternehmen) an Parteien verboten. Die Obergrenze für Spenden von Privatpersonen hingegen wurde von 30.000 auf 60.000 Lari (etwa 28.000 Euro)pro Jahr erhöht. Parteien müssen folglich finanzielle Zuwendungen, die diese Vorgaben verletzen, innerhalb von drei Tagen an die spendenden Personen beziehungsweise Unternehmen zurückgeben.

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