Außenminister hielt Vortrag bei FDP-Großspender

Die "Deutsche Vermögensberatung" ist seit Jahren ein bedeutender Großspender der FDP, allein in den vergangenen fünf Monaten überwies die DVAG 200.000 Euro. Nun gerät ein Auftritt von Guido Westerwelle beim "DVAG-Vermögensberatertag" am 23. Februar 2010 ins Blickfeld. Neben der Anwesenheit ihrer Werbepartner Michael Schumacher und Jogi Löw freute sich das Unternehmen auch über eine "eindrucksvolle" Rede des "Außenministers der Bundesrepublik Deutschland".

von Martin Reyher, 26.11.2010

Die Deutsche Vermögensberatung AG (DVAG) und ihre Tochtergesellschaft "Allfinanz" sind seit Jahren bedeutende Großspender von CDU und FDP. Nun hat die FDP erneut eine Spende von der DVAG erhalten, die insgesamt dritte seit Juli diesen Jahres. Am 9. November gingen 60.000 Euro auf dem FDP-Konto ein, zuvor waren es 65.000 Euro (August) und 75.000 Euro (Juli) gewesen. Vor dem Hintergrund der Großspenden an die Liberalen gerät nun eine DVAG-Veranstaltung vom 23. Februar 2010 ins Blickfeld, zu der das Unternehmen 15.000 ihrer Vermögensberater in die Kölner Lanxess-Arena eingeladen hatte.


Auf Facebook feiert die DVAG ihren "Vermögensberatertag" begeistert als die "größte nicht-öffentliche Veranstaltung des Jahres", im Unternehmensblog ist von einer "unschlagbaren" Ansammlung von Ehrengästen die Rede. In der Tat. Zu den versammelten Vermögensberatern sprach die "'Creme de la Creme' des deutschen Leistungssports": Formel 1-Rekordweltmeister Michael Schumacher, Bundestrainer Joachim Löw, dessen Co-Trainer Hansi Flick, Ex-Nationalspieler Stefan Kuntz, Trainer-Ikone Otto Rehhagel, Fechtolympiasiegerin Britta Heidemann und Schimmweltmeister Paul Biedermann - allesamt Werbeträger der Deutschen Vermögensberatung AG. Den prägendsten Eindruck hinterließ allerdings jemand anderes: Guido Westerwelle.

Dieser war als "Außenminister der Bundesrepublik Deutschland" gekommen, wie DVAG-Vorstandsmitglied Helge Lach im Unternehmensblog schreibt. Als solcher habe Westerwelle "eindrucksvoll unterstrichen, wie wichtig es ist, dass sich in unserem Land Leistung lohnen muss". Auch in einer DVAG-Broschüre ("Unser Weg", pdf) wird Wert darauf gelegt, dass es der "Vizekanzler und Außenminister der Bundesrepublik Deutschland" war, der es sich "nicht nehmen ließ, eigens aus Berlin einzufliegen, um den annähernd 15.000 Vermögensberatern seine Positionen zu verdeutlichen."

 

Man fragt sich allerdings schon, warum ein Bundesaußenminister und Vizekanzler bei einem von Johannes B. Kerner moderierten Firmenevent, bei dem ansonsten zahlreiche Werbepartner des Unternehmens auftreten, 15.000 anwesenden Vermögensberatern "seine Positionen" verdeutlicht. In einem Firmenvideo ("DVAG VB-Tag 2010 – Highlights") ist zu sehen, wie Westerwelle und andere Gäste beim Einzug in die vollbesetzte Arena begeistert empfangen werden, für Westerwelle gibt es stehende Ovationen. "Großer Beifall" schlägt dem Außenminister und Vizekanzler laut DVAG-Broschüre später auch für seine Rede entgegen. "Leistung", so Westerwelle, "muss sich lohnen. Leistung muss gefördert werden. Ein Land kann sich Sozialleistungen für die Schwächeren nur dann leisten, wenn die anderen dies erwirtschaften. Sie als Vermögensberater und selbstständige Unternehmer sind erstes Vorbild, wenn es darum geht, Leistung zu zeigen. Und Ihr Unternehmen, die Deutsche Vermögensberatung, macht wie kaum ein anderes Unternehmen vor, wie Leistung gefördert und honoriert wird. Deshalb sind Sie alle so erfolgreich."

Es ist nicht das erste Mal, dass Guido Westerwelles Kontakte zu FDP-Großspendern aus der Wirtschaft zum Thema werden. Anfang des Jahres war dem Außenminister, Vizekanzler und FDP-Parteivorsitzenden vorgeworfen worden, er wisse Regierungs- und Parteigeschäfte nicht hinreichend zu trennen. Damals waren mehrere befreundete Unternehmer im Tross des Ministers nach Asien mitgereist, darunter der FDP-Großspender Cornelius Boersch.

Westerwelles Auftritt beim DVAG-"Vermögensberatertag" im Februar verdient auch deswegen Beachtung, weil der FDP-Chef bis zu seiner Ernennung zum Bundesaußenminister selbst auf der Gehaltsliste der DVAG stand. Westerwelle, der dem Finanzdienstleister seinerzeit beratend zur Seite stand, darf als Regierungsmitglied inzwischen keinen bezahlten Nebentätigkeiten mehr nachgehen.

Die Deutsche Vermögensberatung AG unterhält seit langem enge Beziehungen in die Politik. In Vorstand, Aufsichtsrat und Beirat der DVAG sitzen zahlreiche ehemals aktive und hochrangige Unions-Leute, die noch immer über gute Verbindungen in die aktive Politik verfügen dürften. Vorsitzender des Aufsichtsrats ist bspw. der frühere Kanzleramtschef Friedrich Bohl, außerdem gehört dem Gremium der ehemalige Finanzminister Theo Waigel an. An der Spitze des DVAG-Beirats steht Altkanzler Helmut Kohl, ein Freund von Unternehmensgründer Reinfried Pohl. Weitere Berater sind der frühere Vize-Kanzleramtschef Horst Teltschik, der ehemalige Ministerpräsident von Thüringen und Rheinland-Pfalz, Bernhard Vogel, sowie die Oberbürgermeisterin von Frankfurt, Petra Roth. Im DVAG-Vorstand sitzt der langjährige hessische Wissenschaftsminister Udo Corts, nun zuständig für Unternehmenskoordination, -kommunikation und Recht. Das gesamte politische Netzwerk der Deutschen Vermögensberatung hat die Wirtschaftswoche vor einiger Zeit in einem Beziehungsdiagramm veranschaulicht (pdf). (Nachtrag vom 29.11.2010: In den Kommentaren wird darauf hingewiesen, dass der CDU-Bundestagsabgeordnete Peter Tauber vor seinem Einzug in den Bundestag Pressesprecher der Deutschen Vermögensberatung AG war.)

Bei soviel Nähe zwischen DVAG und Politik lohnt sich ein zweiter Blick auf die Parteispenden der Deutschen Vermögensberatung. DVAG-Vorstandsmitglied Helge Lach begründet die Zuwendungen mit der "gesellschaftlichen Verantwortung" seines Unternehmens. Die Deutsche Vermögensberatung habe "regelmäßig an Parteien gespendet", dabei seien "nicht nur die CDU und FDP berücksichtigt" worden, schreibt Lach im Kommentarbereich des firmeneigenen Blogs. Zumindest für die Jahre 2000 bis 2010 sind in den Rechenschaftsberichten der Parteien keine meldepflichtigen Spenden über 10.000 Euro an eine andere Partei als CDU und FDP zu finden. Am Mittwochvormittag bat abgeordnetenwatch.de Helge Lach per Mail um Nennung von Beispielen für solche Parteispenden. Eine Antwort liegt noch nicht vor.

Die jüngsten DVAG-Spenden an CDU und FDP erfolgten im zeitlichen Umfeld einer Gesetzesinitiative, mit der die Bundesregierung den Anlegerschutz stärken will. Vor eineinhalb Jahren klagte DVAG-Gründer Reinfried Pohl, sein Unternehmen werde immer stärker durch politische Vorgaben beeinträchtigt. Mit dem Gesetzentwurf, über den derzeit im Bundestag beraten wird, könnten bald neue politische Vorgaben auf Finanzdienstleister wie die DVAG oder MLP zukommen. Finanzminister Wolfgang Schäuble will zum Beispiel Falschberatungen durch Finanzdienstleister "entgegenwirken".

Nach Auffassung der Opposition ist die Branche hinter den Kulissen bereits äußerst aktiv – und erfolgreich. Die SPD spricht im Zusammenhang mit dem Anlegerschutzgesetz von einer "bedingungslosen Kapitulation vor den Anbietern von Finanzprodukten". Zahllose Interessengruppen, so SPD-Finanzexperte Carsten Sieling, hätten die ursprünglichen Vorschläge "entschärft und verwässert", bevor der Deutsche Bundestag sie jetzt zu Gesicht bekommen habe.

Und so blicken die Bürger dieser Tage auf eine etwas unübersichtliche Gemengelage. Der Deutsche Bundestag berät über einen Gesetzentwurf, der die Finanzdienstleister direkt betrifft. Die Deutsche Vermögensberatung AG schüttet in zehn Monaten 400.000 Euro an die Regierungsparteien aus. Und der Außenminister der Bundesrepublik Deutschland ist Ehrengast beim DVAG-"Vermögensberatertag" und legt seine Positionen zum Thema "Leistung" dar.

Bei einigen Zuhörern hat Westerwelles Vortrag im Februar bleibenden Eindruck hinterlassen. Im Kommentarbereich des DVAG-Blogs ist von einer "super Rede", von einem "Highlight des Tages" zu lesen, jemand lobt die "wahren Worte" des Gastredners. Ein anderer Kommentator schreibt: "Herr Westerwelle hat sicherlich den ein oder anderen Wähler durch seine wirklich hervorragende Rede dazu gewonnen."

Nachtrag vom 30.11.2010: Der Wahlkampfleiter von Edmund Stoiber und Ex-BamS-Chef, Michael Spreng, schrieb kurz nach der Bundestagswahl 2009 in seinem Blog SPRENGSATZ:

Dagegen kann die Deutsche Vermögensberatung (DVAG) mit dem bisherigen Ergebnis der Koalitionsverhandlungen zufrieden sein. Nach der Bundestagswahl hatte sie ihrem Beiratsmitglied Guido Westerwelle gratuliert und ihn ermahnt: “Die Bürger müssen durch geeignete Maßnahmen zu privater Vorsorge motiviert werden”. Jetzt kann er Vollzug melden: Schonvermögen für Hartz-IV-Empfänger verdreifacht (jetzt flutscht der stockende Verkauf von Lebensversicherungen und Fonds-Sparplänen wieder), private Zusatzversicherung zur Pflegeversicherung, leichterer Umstieg von der gesetzlichen zur privaten Krankenversicherung. Ein Super-Ergebnis für die deutsche Versicherungswirtschaft und die Firmen, die ihre Verträge verkaufen. Allein im Juni und im Juli 2009 hatte die DVAG jeweils 150.000 Euro an die FDP gespendet, verwandte Firmen noch einmal mehrere 100.000 Euro. Auch die CDU, die bei der DVAG gleich mit einem halben dutzend Ex-Politikern vertreten ist, wurde von der Versicherungswirtschaft anständig bedacht. Hony soit qui mal y pense! P.S. Auch ich hatte die Verdreifachung des Schonvermögens zuerst etwas blauäugig als Beweis für die neue soziale Einsicht der FDP gewertet.

Nachtrag vom 7.12.2010: handelblatt.de berichtet heute unter Berufung auf diesen Blogeintrag:

Hohe Zahlungen an CDU und FDP, unter anderem von der Deutschen Vermögensberatung AG und ihrer Tochtergesellschaft Allfinanz, sorgen für Aufsehen. (...) Angesprochen auf die Geldflüsse reagieren CDU und FDP schmallippig. Die DVAG sei ein „Traditionsspender“, heißt es bei der FDP. Dass eines der wichtigsten Themen der Legislaturperiode die Regulierung des Finanzsektors ist, und sowohl die Partei des Finanz- als auch die des Wirtschaftsministers Geld erhalte, nicht aber die Opposition, stehe „in keinem Zusammenhang“, heißt es bei der CDU. Die Spenden, so die Einschätzung der Regierungsparteien, seien „völlig unabhängig vom aktuellen Geschehen“.

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